Schon früh beim Ausbruch von Covid-19 wurde klar, dass Beatmungsgeräte eine hohe Bedeutung beim Retten von Menschenleben einnehmen. In Deutschland und USA stehen ca. 90 bis 120 Beatmungsgeräte je 100.000 Menschen auf den Intensivstationen der Krankenhäuser zur Verfügung. In Großbritannien, Spanien oder Frankreich sind es teilweise nur 30 bis 40 Geräte pro Intensivstation.

Dieser akute Mangel hat in den letzten Wochen verheerende Folgen gehabt. So ließen Spanien und Italien Covid-19-Patienten per Flugzeug in deutsche Kliniken bringen, weil ihre Kapazitäten an Beatmungsgeräten erschöpft waren. Aber auch hierzulande war die Angst vor einer Ausschöpfung der Kapazitäten groß.

Um Engpässen entgegenzuwirken, wurden von der Bundesregierung neben den weitreichenden Lockdown-Maßnahmen auch 10.000 Beatmungsgeräte beim Lübecker Medizintechnikkonzern Dräger in Auftrag gegeben. Laut Dräger wird sich die Produktion allerdings über das gesamte Jahr hinziehen.

Die Suche nach Alternativen und zusätzlichen Produktionsmöglichkeiten geht also weiter.

Der amerikanische Weg: Die Autoindustrie soll Masken produzieren

Zunächst sind wir davon ausgegangen, dass gerade die Autoindustrie, die wochenlang stillstand doch umsatteln könne und Beatmungsgeräte herstellen. So zwang Donald Trump Ende März mittels eines Kriegsgesetztes den Autohersteller General Motors und Volkswagen zur Produktion von Beatmungsgeräten. Trump forderte eine Produktion von 100.000 Geräten innerhalb von 100 Tagen.

Doch dies erwies sich als wenig sinnvoll, denn Experten warnen vor der Komplexität und den hohen Sicherheitsanforderungen an Medizintechnik.

Foto:© Ford, 2020

"Auf einer Produktionslinie, die Autos herstellt, kann ich nicht einfach Beatmungsgeräte herstellen", sagte Jean Haeffs, Geschäftsführer der Fachgesellschaft Produktion und Logistik beim Verein Deutscher Ingenieure (VDI). Die Vielzahl an Prozessen, die sich unterscheiden, hohe Anforderungen an die Sicherheit der Geräte sowie eine hohe Komplexität der Systeme macht es unmöglich für branchenfremde Unternehmen intensivmedizinische Geräte herzustellen. Denkbar wäre allerdings eine unterstützende Produktion von einzelnen Teilen mittels 3D-Druck.

Beatmung aus dem Drucker

Wie das möglich ist zeigt die Uniklinik Leipzig, die WHZ und das Frauenhofer IWU, die gemeinsam einen Prototypen für ein 3D-gedrucktes Notfall-Beatmungsgerät entwickelten. Durch interdisziplinäre Zusammenarbeit war es möglich auch hier den ersten Prototypen innerhalb einer Woche zu entwickeln.

Maßgeblich beteiligt war hier der Student Lukan Basan, der im 4. Semester Kraftfahrzeugtechnik an der WHZ studiert. Seine Mutter arbeitet an der Hochschule als Laboringenieurin im Bereich Biomedizinische Technik und frage ihn ob er dieses Projekt unterstützen möchte. "Der 3D-Druck gehört zu meinen Interessenschwerpunkten", so Lukas Basan zu den Anfängen der familiär-interdisziplinären Zusammenarbeit.

Damit war seine Unterstützung gesichert und gemeinsam mit einem Forschungsteam und zahlreichen Wissenschaftlern, wurde der Grundstein gelegt und binnen kürzester Zeit das 3D-gedruckte Beatmungsgerät entwickelt.

Foto:  © Dr. Rony Grunert, 2020

Bei dem Gerät handelt es sich ebenfalls um kein medizinisch zertifiziertes Beatmungsgerät, jedoch um eine Notfalloption, die das Leben vieler Patienten retten könnte. Großer Vorteil: Bis zu drei dieser Systeme können pro Tag gedruckt werden und die Entwicklung ist sklalierbar, so könnten durch den Zugriff auf ein internationales Netzwerk an 3D-Druckern die Systeme auch in großen Stückzahlen in verschiedenen Ländern hergestellt werden.

Vom Gaswand-Heizgerät zum Beatmungsgerät

Ende April gab der Heizgerätehersteller Viessmann bekannt nun Teile seiner Produktion auf die Herstellung von Beatmungsgeräten umzustelllen. Binnen drei Tagen war der erste Prototyp entwickelt und nach drei Wochen das erste Gerät. Dies sei „total bemerkenswert und ein irrer Einsatz aller Beteiligten gewesen", berichtet Viessmann in seinem ersten großen Interview seit dem Shutdown.

Foto:  © Viessmann, 2020

Mit großem Ehrgeiz, Fleiß und Einsatzbereitschaft der Entwickler und in enger Zusammenarbeit mit Medizinern des Luisenhospitals, dem Akademischen Lehrkrankenhaus der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen, konnte die Entwicklung so rasant vorangetrieben werden. Unterstützend kam hierbei hinzu, dass bei der Gaswandgeräte-Herstellung ähnliche Teile produziert werden, die auch in Beatmungsgeräten benötigt werden.

Die einfachen Beatmungsgeräte seien mobil einsetzbar und nicht auf die technische Infrastruktur eines Krankenhauses angewiesen, so Viessmann. Sie ersetzten jedoch keine Highttech-Beatmunggeräte und sollen demnach nur unterstützend zum Einsatz kommen, wenn sämtliche Beatmungsmaschinen bereits belegt sind.

Doch auch dies ist eine dringend notwendige Unterstützung und der Hersteller macht Hoffnung, so können nach eigenen Angaben nach erfolgter Sonderzulassung 600 Beatmungsgeräte pro Tag produziert werden.


Das war Teil #3 unserer Serie "Pivot Masters". Im nächsten Teil wenden wir unseren Blick auf neugegründete soziale Initiativen, die die Folgen der Corona Krise bekämpfen.


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