Das Geschäft mit dem Ratenkauf

Der „Buy Now, Pay Later“-Anbieter Billie verbündet sich mit dem schwedischen Payment-Anbieter Klarna. Dadurch können Onlineshops die Zahlungsmethode nicht nur Privatkunden, sondern auch Firmenkunden über Klarna anbieten. Der Markt ist milliardenschwer.

Ein Tippen mit dem Finger und die neue Hose ist bestellt. Bezahlt wird aber erst später. Die Rechnung kommt erst in 14 Tagen, erst nachdem die Hose schon im Briefkasten steckt. Möglich macht das „Buy now, pay later“ (BNPL), eine Zahlungsmethode, mit der Menschen online auf Raten kaufen können. Das Geschäft mit dieser Kaufoption ist gigantisch. Der Markt wächst, es gibt Milliardenbewertungen. 2020 beliefen sich die Geschäfte mit BNPL global auf rund vier Milliarden US-Dollar. Die US-amerikanische Unternehmensberatung Grand View Research rechnet von 2021 bis 2028 mit einer jährlichen Wachstumsrate von 22,4 Prozent auf rund 20 Milliarden US-Dollar.

Einer der europäischen Marktführer für das BNPL-Geschäft ist dabei Klarna. Der schwedische Payment-Anbieter gilt als wertvollstes nicht börsennotiertes Start-up Europas, er wird mit rund 40 Milliarden Euro bewertet. Mehr als 90 Millionen Kunden nutzen die Zahlungsoption des Fintechs weltweit.

Klarna fokussiert sich dabei vor allem auf Privatkunden, um ihr tägliches Shoppingerlebnis zu verbessern. Das Unternehmen will sich aber nun erweitern, noch größer werden. Denn größer und noch deutlich unerschlossener als der Privatkunden-Markt ist der Business-to-Business (B2B)-Commerce für BNPL, also das Geschäft mit Händlern. Das Transaktionsvolumen ist hier deutlich höher als beim Handel mit Privatpersonen. Mehr als das Dreifache an Umsatzzuwachs erwartet der Markt in den nächsten Jahren.

Einer der führenden deutschen Anbieter für den B2B-BNPL ist das Berliner Fintech Billie. Das von Christian Grobe, Matthias Knecht und Aiga Senftleben gegründete Start-up bietet seit 2016 Kunden an, Ware sofort zu kaufen und erst später zu bezahlen. Die Bezahldienstleister vergeben damit im Grunde einen klassischen Kredit. Das Berliner Fintech fokussiert sich dabei im Gegensatz zu Klarna auf Geschäftskunden. Darunter beispielsweise für Unternehmen aus den Bereichen Elektronik, Haus und Garten, Möbel, Hotellerie und Gastronomie, Baumärkten, sowie Papier und Druck. Das Angebot von Billie ermöglicht es Unternehmen, die Zahlungsziele der Einkäufe an die Zahlungsziele ihrer Verkäufe anzupassen. „Es handelt sich also um ein Angebot einer Kapitalstrukturoptimierung, um gesunde Bilanzen zu gewährleisten“, so Grobe.

Billie wird mit 640 Millionen US-Dollar bewertet

Was Investoren für ein Potenzial in dem Modell auf dem Markt sehen, ist auch an der Bewertung für Billie zu erkennen. Auf 640 Millionen US-Dollar taxieren Investoren das Fintech mittlerweile. In seiner letzten Finanzierungsrunde Ende Oktober hat Billie 100 Millionen US-Dollar eingesammelt. Dabei konnte es große Investoren, wie die englische Investmentfirma Dawn Capital oder das chinesische Internetunternehmen Tencent überzeugen. Weitere Geldgeber sind Creandum, Speedinvest und Picus. Aber auch Klarna ist in das Geschäft eingestiegen.

Billie erhofft sich damit die Chance auf deutliches Wachstum. Gründer Christian Grobe verneint jedoch im Interview mit Startbase einen Machtkampf mit dem schwedischen Anbieter Klarna. „Wir sind eine Partnerschaft eingegangen, weil wir deutlich voneinander profitieren können“, sagt Grobe.

Mit der frischen Finanzierung will Billie international expandieren und sein digitales Geschäftserlebnis verbessern. Klarna hingegen vergrößert im Gegenzug seinen Zugang zum B2B-Market. „Bislang gibt es noch keinen Anbieter, der analog zu Klarna im Händler-Bereich BNPL als Zahlart vollautomatisiert und mit moderner Nutzerführung anbietet“, erklärt Grobe. Das entsprechende Angebot für deutsche Klarna-Geschäftskunden soll im ersten Quartal 2022 starten und danach in weiteren europäischen Ländern.

Die Zahlen mit denen Grobe dabei um sich wirft, wirken verlockend. Das Unternehmen verspricht Online-Händlern durch die einfache Handhabung rund 80 Prozent weniger Kaufabbrüche und damit also mehr Kunden, die die Ware tatsächlich bestellen und nicht im Warenkorb liegen lassen. Zudem sollen mit Billie Warenkorblimits bis zu 100.000 Euro sowie Umsatzsteigerungen von bis zu 40 Prozent dank höherer Warenkorbwerte möglich sein.

Wir haben uns schon sehr lange in einem Bereich spezialisiert und werden Marktführer bleiben

Christian Grobe, Billie-Gründer

Dabei spielt auch die Coronapandemie dem Markt und Billie in die Hände. Die zunehmende Verlagerung der Einkaufsprozesse im Geschäftskundenbereich von offline zu online beschleunigt das Wachstum des Online-Payment-Sektors. Laut dem Online Monitor 2021 des Handelsverband Deutschland ist der Online-Handel in Deutschland im Jahr 2020 auf 83,3 Milliarden Euro gestiegen. 2001 waren es gerade einmal 1,6 Milliarden Euro. Neue BNPL-Anbieter wie Afterpay oder Affirm schießen daher bildlich wie Pilze aus dem Boden. Billie-Gründer Grobe sieht jedoch keine starke Konkurrenz. „Wir haben uns schon sehr lange in einem Bereich spezialisiert und werden Marktführer bleiben“, so Grobe. „Die Pandemie hat uns aber auch geholfen, klarer über unsere Prioritäten nachzudenken“, so Grobe. So wolle sich der Anbieter stärker auf die Händlerseite fokussieren.

Für seine Planungen hat sich Billie Kredite in Höhe von 200 Millionen US-Dollar pro Monat gesichert. Rund 100 Millionen kommen von der Vereinigten Volksbank Raiffeisenbank unter der Leitung von Ralf Magerkurth. Auch die Raisin Bank und die Varengold Bank stellen finanzielle Mittel bereit. „Ich denke wir schauen in eine sehr gute Zukunft“, so Grobe.

So begeistert wie Grobe ist die britische Finanzaufsicht nicht von dem Geschäftsmodell. Sie untersucht gerade das starke Wachstum von Zahlungsangeboten nach dem BNPL-Prinzip und befürchtet, dass Privatkunden durch die neuen Bezahlungsmodelle dazu verführt werden, sich zu überschulden. Auch die deutsche Finanzaufsicht Bafin äußerte kritisch zu Ratenkrediten beim Onlineshopping. Niedrige Zinsen und teils umworbene Null-Prozent-Finanzierungen locken zwar viele Kunden an. Der Kunde muss dabei jedoch auch aufpassen, dass er rechtzeitig seine Raten zahlt, ansonsten werden sehr hohe Verspätungszinsen fällig.

Grobe findet die scharfe Kritik nicht gerechtfertigt, auch wenn Geschäftskunden mit der Kritik nicht angesprochen werden. Dem Privatkunden werde dadurch zu wenig Selbstständigkeit vorgeworfen. „Natürlich gibt es auch den unmündigen Nutzer“, sagt Grobe. Dinge auf Rechnung kaufen zu können sei aber keine neue Erfindung. „Schon in den 50er Jahren konnte man das bei den Neckermann Katalogen machen“, sagt er. Nur damals war es mehr als ein Anruf der nötig war. Heute ist es nur noch das bloße Tippen mit einem Finger über Klarna.


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