Kaffee kaufen mit ETFs

Das Fintech Unitplus will es ermöglichen, die eigenen Einkäufe direkt mit börsengehandelten Fonds zu bezahlen. Die Verbraucherzentrale hat jedoch noch Zweifel.

In den vergangenen Monaten haben ETFs, sogenannte Exchange-Traded Funds, also börsengehandelte Fonds, geboomt wie vermutlich noch nie. Milliarden von Euro haben Menschen während der Pandemie in die Börsenkörbe geschoben, wo sie nun brav im Wert steigen sollen, damit die Rente gesichert ist. Warum aber so lange warten, um ETFs zu nutzen, dachte sich Fabian Mohr, Gründer von Unitplus. Seine Idee: Eine Debit-Karte, mit der Kunden nicht mit dem Geld vom Sparkonto, sondern direkt aus ihrem Depot bezahlen. Wenn also jemand für drei Euro den morgendlichen Kaffee im Lieblingscafé oder auch einen neuen Sessel für 300 Euro kaufen möchte, veräußert er seine ETFs und kann mit dem Ertrag bezahlen.

Fintech sammelt eine Million Euro bei Investoren ein

Investoren scheint die Idee zu gefallen. In der ersten Finanzierungsrunde im Frühjahr 2021, sammelte Unitplus eine knappe Million Euro ein. Darunter von bekannten Investoren, wie dem ehemaligen N26-Technikchef Christian Rebernik oder dem ehemaligen Amazon-Deutschlandchef Lothar Eckstein. Ende des Jahres will das Unternehmen mit seiner App live gehen. Doch schon im Vorfeld moniert die Verbraucherzentrale an den Plänen herum. Zum einen kritisiert sie den Namen der dazugehörigen Karte, zum anderen warnt sie generell davor, dass Menschen versuchen alltägliche Rechnungen mit ETFs im Rahmen einer App zu bezahlen, da sie den Schwankungen des Kapitalmarkts unterliegen. Kann der Start dennoch gelingen?

Auf die Idee dazu kam Gründer Mohr, der das Gründungsteam aber um Kerstin Schneider und Sebastian Segue erweiterte. Gründungs-Kollegin Kerstin Schneider lernte Mohr beim Börsenführerschein kennen. Im Sommer 2020 stieß der dritte Gründer Sebastian Segue in Berlin dazu. Alle drei kündigen ihren Job, Mohr bei dem Fondsanbieter Flossbach von Storch. Als Aktienanalyst schaute er sich dort vier Jahre lang täglich den Payment-Markt an. Darunter Wirecard und Paypal. „Bis jetzt habe ich die Kündigung keine Sekunde bereut“, sagt er. Seine Kollegin Schneider kündigte bei der Beratung zeb. Sugue verabschiedete sich von Klarna, wo er für ein Viertel des Payment Geschäfts in Deutschland und der gesamten Schweiz verantwortlich war. Mittlerweile besteht das Team aus 13 Leuten – und hat große Pläne.

Bislang sind in Deutschland Konten und Depots voneinander getrennt. Denn eigentlich dient das Depot für die Geldanlage und das Konto für die Ausgaben. Doch der Kapitalmarkt ändert sich: Im Kryptobereich gibt es bereits mit dem Start-up Nuri erste Versuche, auf die Trennung zu verzichten. Mohr will das gleiche nun für ETFs ermöglichen. Über eine Open-Banking-Schnittstelle sollen die Einnahmen und Ausgaben der Kunden und Kundinnen von ihrem normalen Konto analysiert werden.

Nutzer können ihr Geld nach Risikoprofil und der Erfahrung am Kapitalmarkt anlegen

Anschließend wird ein Betrag ermittelt, der am Monatsende voraussichtlich übrig bleibt und auf dem Unitplus-Konto landet. Das Fintech investiert dann das angelegte Geld in Aktien- oder Anleihen-ETFs. Je nach Risikoprofil und der Erfahrung am Kapitalmarkt können die Nutzer ihr Geld auf dem Konto anlegen. Mit diesen ETFs sollen die Verbraucherinnen und Verbraucher dann später bezahlen können. Haben die ETFs einen Ertrag erwirtschaftet, ist es mehr als zuvor, sind die Aktien hingegen gefallen, bleibt weniger Geld übrig.

Als Erstes muss der Kunde einen persönlichen Check durchlaufen und Fragen zu seinem Sparverhalten und seiner Liquidität beantworten. Auf den Antworten aufbauend, wird dann ein zugeschnittenes Depot eröffnet. Mohr rät dazu, jeden Monat einen gewissen Betrag zu investieren, der zu den eigenen Einnahmen und Ausgaben passt. „Wir wollen die Ausgaben so auswerten, dass wir auf die Lebenssituation angepasst investieren“, sagt Mohr. „Es sollten nicht direkt 10.000 Euro investiert werden“, rät er. „Wir wollen das Geld investieren, was die Kunden nicht für den täglichen Lebenserhalt brauchen“, sagt Mohr.

Mit dem investierten Geld von Unitplus könne der Nutzer schneller am Zahlungsverkehr teilnehmen als wenn er erst ETFs verkaufen müsste. Über eine Karte von Mastercard können jederzeit Rechnungen bezahlt werden, auch wenn gerade nicht gehandelt wird, beispielsweise an Wochenenden. Zahlt der Kunde mit seiner Karte, verkauft Unitplus im Hintergrund Teile des Portfolios. Für jeden Kauf mit der Karte fallen Gebühren an, die wie bei einer normalen Kreditkarte beim Händler, nicht beim Kunden auflaufen.

Kunden zahlen zwei Euro pro Monat und 0,7 Prozent des verwalteten Geldes pro Jahr

Ganz kostenlos ist das Konto aber nicht, immerhin fallen beispielsweise für die Überbrückung an Wochenenden Kosten bei Unitplus an. Kunden zahlen zwei Euro pro Monat und 0,7 Prozent des verwalteten Geldes pro Jahr. Wer also beispielsweise 10.000 Euro über Unitplus investiert, zahlt neben den zwei Euro pro Monat – also 24 Euro im Jahr – eine Verwaltungsgebühr von 0,7 Prozent oder 70 Euro und landet so fast bei 100 Euro pro Jahr. 

Scherfling von der Verbraucherzentrale hat sich das Konzept genau angeschaut. Er empfiehlt sich, Kosten und Nutzen genau anzuschauen. Zunächst sollte sich Kunden generell die Frage stellen, ob die Anlageformen von Unitplus für sich selbst überhaupt geeignet seien. „Genau wie die Geldanlage selber sollte auch eine Trading-App zu den individuellen Zielen und Präferenzen passen“, sagt Scherfling. Die Verbraucherzentrale steht Smartphone-Brokern grundsätzlich eher skeptisch gegenüber, weil es zum Zocken verleiten könnte, womit Scherfling auch den Boom von Trade Republic abzielt. Über Unitplus können jedoch nicht wie über andere Trading-Apps Einzelaktien und Derivate erworben werden, was immerhin das Risiko reduzieren kann, wie Scherfling anerkennt. Gebannt ist das Risiko aber nie. Selbst Mohr sagt: „Wenn man jeden Monat Beträge investiert, kann man mit positiven Erträgen, aber auch mit Schwankungen nach unten rechnen“, sagt er.

Genau das sehen die Verbraucherschützer kritisch. Aus Sicht der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sei es generell gewagt und nicht zu empfehlen, seine Liquiditätsreserve chancenorientiert anzulegen. „Auch wenn man in der Vergangenheit langfristig mit passenden Fonds eine ordentliche Rendite erzielen konnte, gab es doch immer wieder zum Teil deutliche Kurseinbrüche“, sagt Scherfling. Falls ein solcher Kurseinbruch genau dann komme, wenn diverse Rechnungen bezahlt werden müssen, stehe der Kunde vor den wenig vorteilhaften Alternativen, Anteile zu verkaufen und auf dem Weg Verluste zu realisieren – „oder den teuren Dispositionskredit in Anspruch nehmen zu müssen“, sagt Scherfling.

Verbraucherschützer sind noch skeptisch

Und auch am Namen Zahlungskarte „Unitplus Ertragskarte“ gibt es einiges zu kritisieren aus Sicht der Verbraucherschützer. „Der ist nicht wirklich treffsicher und zielführend“, sagt Scherfling. „Denn letztlich nutzt man nicht die Erträge, um seine Rechnungen zu bezahlen, sondern man reduziert über den Verkauf von Anteilen sein Kapital“, sagt er. Wer bloß die reinen Erträge nutzen wolle, könnte sich einfach für ausschüttende Fonds entscheiden. „Und wenn ein Verkauf von Anteilen erfolgt, sobald ich die Zahlungskarte für einen Kauf einsetze, weiß ich im Zweifel nicht, ob es ein günstiger Zeitpunkt für einen Verkauf ist und welche steuerlichen Auswirkungen möglicherweise anfallen“, so Scherfling.

Mohr beteuert vermutlich auch deswegen, dass man die Kunden schützen wolle und das Geld bei Unitplus nur Geld ist, dass sonst auf Sparkonten liege. In den vergangenen Jahren habe den 31-Jährigen gestört, dass drei Billionen Euro Sparbetrag ungenutzt auf Tages- und Festgeldkonten in Deutschland liegen. „Es wartet nur darauf, ausgegeben zu werden“, sagt Mohr. Bargeld und Sichtvermögen haben sich von 2005 von zehn auf 30 Prozent erhöht – trotz stetig sinkender Zinsen seit 2008. In der App sollen Kunden und Kundinnen auch sehen, wie der Portfoliobestand aussieht und wie viel Rendite gemacht wurde. Daraufhin soll er auch entscheiden können, wie viel er im nächsten Monat investiert. Zusätzlich wird es ein Auszahlungs-Limit von rund 2000 Euro pro Tag oder auf Grundlage des Portfolios geben. „Wir sind keine Kreditlösung“, sagt Mohr. Die Verbraucherschützer besänftigt das aber nicht.  „Das spricht nicht dafür, dass man auf diesem Weg eine neue Küche, ein neues Auto oder den nächsten Familienurlaub bezahlen kann“, sagt Scherfling.


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