Wie ein Start-up das Lernen digitalisieren will

Sofatutor bietet seit knapp 13 Jahren Lernvideos an. Doch noch nie haben sie so viele geschaut wie im Corona-Jahr. Kann der Trend langfristig anhalten?

Und plötzlich ist die Schule zu. Ab Mitte März vergangenen Jahres wurden elf Millionen Kinder und Jugendliche von zu Hause aus beschult – mal mehr, mal weniger gut. Aktuell sind die Schulen wieder dicht. Und der Online-Unterricht klappt – mal mehr, mal weniger gut. 

Für Sofatutor bietet sich dadurch eine einzigartige Chance. Das Nachhilfe-Start-up stellte bereits im März kostenlose Lizenzen für Schüler zur Verfügung. Die Zugriffszahlen stiegen stark. Bremen hat gleich Lizenzen für alle 55.000 Schüler gekauft, Sachsen insgesamt 20.000. Den Schülern und Lehrkräften steht damit das gesamte Angebot von Sofatutor zur Verfügung: mittlerweile rund 10.000 Lernvideos, 42.000 Übungen und 37.000 Arbeitsblätter. 

Das Start-up zeigt auf, wie digitaler Unterricht funktionieren kann. Die Bundesländer haben das Angebot in der Not dankbar angenommen. Doch auch andere Start-ups wittern ihre Chance. Langfristig durchsetzen dürften sich am Ende diejenigen, die Lehrer gut in ihren Unterricht einbauen können – und die Schüler nicht zu sehr vom eigentlichen Lernen ablenken. 

Familien sollen mit Sofaturor zu Hause lernen können. Foto: Sascha Kott/Sofatutor

Hinter der Idee von Sofatutor steckt Stephan Bayer. Der 37-Jährige mit wuscheligen braunen Locken, einem Drei-Tage-Bart und einem offenen Blauen Sakko wollte eigentlich einmal Regisseur werden, studierte dann aber lieber Sozialwissenschaften in Berlin. Doch auch dabei ließ ihn das Filmemachen nicht los: Bayer drehte mitten im Prüfungsstress einen kurzen Film über den Lernstoff und teilte ihn mit seinen Kommilitonen. Die waren so begeistert, dass er daraus eine Geschäftsidee entwickelte: „Mit Videos das Lernen revolutionieren“, lautet sie. Bayer startete mit Sofatutor noch während seines Studiums.

Mehr als einhundert Mitarbeiter kümmern sich 13 Jahre später bei Sofatutor nun um Lernvideos und Arbeitsblätter. Das Start-up war auch schon vor Corona auf Wachstumskurs. Bayer beschreibt die Lernvideos selbst als „when education meets Hollywood“. Für ihn sind das nicht einfach nur animierte Erklärvideos. Autoren, Motion Artists und Sound Designer arbeiten zusammen und produzieren hochwertige Filme. Um den Satz des Pythagoras zu erklären wird eine erfundene, griechische Heldenreise erzählt, fast beiläufig wird die mathematische Formel erklärt. Die Videos sollen Kinder zum Lernen animieren, weil sie wie ihre liebsten Zeichentrickserien aufgebaut sind. Schüler können zudem bei Nachfragen auch in einem Hausaufgaben-Chat Hilfe bekommen. Hierfür arbeiten Lehrkräfte freiberuflich für das Start-up. Die Premium-Mitgliedschaft kostet knapp 18 Euro monatlich für alle Fächer – und ist damit deutlich günstiger als ein Nachhilfelehrer.

Gewerkschaften bemängeln, rein digitales Lernen sei kein Allheilmittel

Doch Beyers Konkurrenz schläft nicht. Während des Corona-Schuljahres profitieren auch andere Start-ups aus dem Bereich Lernen und Nachhilfe. Eines von ihnen ist StudySmarter, eine Lernapp aus München. Zusammen mit dem Stark-Verlag hat das Start-up ein „Corona-Hilfspaket“ geschnürt: Seine App mit Premium-Zugang, der Zugriff auf Bücher, Aufgabenblätter und Karteikarten gewährt, hat das Start-up im Lockdown an tausende Schüler verschenkt. „Über die Hilfsaktion, aber auch unabhängig davon, haben dieses Jahr hunderttausende Nutzer StudySmarter lieben gelernt“, sagt Max Groetsch, Paid Marketing Manager der Lernapp. „Insgesamt haben sich so unsere Nutzer im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt.“ Genauere Zahlen will Groetsch nicht nennen. Auf der Webseite wirbt StudySmarter mit mehr als einer Million Nutzern. Die App ist für Schüler und Studierende grundsätzlich kostenlos, wer zehn Euro monatlich zahlt, bekommt sie ohne Werbung. Studysmarter erzielt Einnahmen über Unternehmen, die für Kooperationen bezahlen. 

Doch rein digitales Lernen und dazu passende Apps von Start-ups seien deshalb noch lange nicht das Allheilmittel, sagt Ilka Hoffmann von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Weil jedes Kind anders lernt und die digitalen Helfer schnell ablenken können, sollte man sich nicht ausschließlich auf sie verlassen. Solche Apps könnten maximal als Ergänzung dienen. „Die Programme müssen im laufenden Unterricht evaluiert werden“, sagt Hoffmann. „Ob etwas gut läuft und genutzt wird, zeigt sich immer erst beim Einsatz mit Schülern“, so die Gewerkschafterin. „Wichtig ist, dass sie motivieren.“ Sie selbst hat Programme als Sonderschullehrerin nur sehr dosiert eingesetzt. Viele der Schüler würden durch zu viele Reize abgelenkt. 

Stephan Bauer hat Sofatutor gegründet. Foto: Sascha Kott/Sofatutor

„Lernen sollte nicht mehr ausschließlich ort- oder zeitgebunden stattfinden, sondern auch selbstständig differenziert“ 

Stephan Bauer, Gründer von Sofatutor

Sofatutor sieht sich jetzt schon als Teil des zukünftigen Lernens. Bis zu sechs Millionen Nutzer hatte die Seite im vergangenen Jahr monatlich. Gründer Stephan Bayer sagt, dass mittlerweile knapp die Hälfte aller deutschen Schüler jeden Monat die Seite benutzt, zudem werde sie von zehn Prozent aller Lehrer im Unterricht eingesetzt. „Wir sind nun also endlich neben der Nachhilfe am Nachmittag auch im Vormittag, sprich in den Klassenräumen und als Teil des Unterrichts, angekommen“, sagt Bayer. Für ihn funktioniert gutes Lernen nur multimedial. Von einer digitalen Lehre sieht er die Schule aber noch weit entfernt, das zeige auch die aktuelle Lage. „Lernen sollte nicht mehr ausschließlich ort- oder zeitgebunden stattfinden, sondern auch selbstständig differenziert“, findet Bayer. 

Zumindest einen großen Vorteil, auch für die Zeit nach Corona, sieht auch Hoffmann: Dank digitaler Hilfen müssten nicht mehr alle Schüler das gleiche lernen, sondern jede und jeder könnte nach seinen Stärken und Schwächen gefördert werden. „Digital und analog können sich ergänzen, doch die Lehrkräfte brauchen einen Kompass: Welche App passt zu welchem Lernkonzept?“ Gerade Schüler ab der Sekundarstufe könnten besser mit digitalen Tools und Programmen lernen als jüngere. 


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