„Bei einem Private-Equity-Investor werden andere Geschütze aufgefahren”

Stephan Stricker hat mit Pair Finance einen Multi-Millionen-Exit hingelegt. Im Interview spricht er über harte Bandagen in Verhandlungen, Auszahlungen an Mitarbeiter und was seine Frau denkt, wenn er abends ins Bett geht. 

Stephan Stricker gibt direkt mal die Richtung vor. „Sie stellen die Fragen, ich stehe Gewehr bei Fuß”, sagt der Mann mit dem grauen Pullover und dem offenbar unbändigen Drang, etwas bewegen zu wollen. Kaum eine Woche ist es her, dass er einen mehr als beeindruckenden Multi-Millionen-Exit mit seinem Inkasso-Start-up Pair Finance hingelegt hat. Seither gehören Pollen Street Capital rund 60 Prozent von Pair Finance, Zalando, Finleap und das Management halten etwa zu je einem Drittel den Rest. Und jetzt?

Herr Stricker, Pollen Street soll 100 Millionen Euro für 60 Prozent an Pair Finance bezahlt haben. Wichtige erste Frage: Wie waren die Feierlichkeiten? 

Die Unterzeichnung war vergangene Woche Freitag, da waren wir acht Stunden beim Notar. Danach haben wir erst einmal durchgeschnauft. Am Dienstag, bevor wir es verkündet haben, haben wir auch die Mitarbeiter eingeweiht. Die große Feierlichkeit steht aber noch aus. 

Sind Sie der Party-Typ oder wollen Sie direkt weitermachen?

Ich sehe schon wieder viele Dinge, die ich anpacken könnte. Vielleicht haben mir deshalb auch einige Freunde geraten: “Genieß diesen Moment jetzt. Stürz dich mal nicht in das nächste Projekt und Thema.” Das versuche ich jetzt auch für die nächsten Tage und schöpfe aus dem Erfolg Kraft für die kommenden Themen auf meiner Agenda, denn es juckt mich schon wieder in den Fingerspitzen. 

Haben Sie vor dem Exit eigentlich viele Mitarbeiterbeteiligungen ausgegeben? 

Ich finde es enorm wichtig, Mitarbeiter auch frühzeitig an einem Unternehmen zu beteiligen, so dass sie im Erfolgsfall auch davon profitieren. Wir haben deshalb an alle wichtigen Kernmitarbeiter Virtual Share Options, also VSOPs ausgegeben. Und es war mir sehr wichtig in den Verhandlungen mit Pollen Street auch durchzusetzen, dass diese Mitarbeiter jetzt teilweise oder voll ausgezahlt werden. Sie sollten ihren Tribut erhalten für die tolle Arbeit, die sie in den vergangenen Jahren geleistet haben. Ich habe dann auch beim Closing gesehen, wie viel Geld an die Mitarbeiter gegangen ist und da war ich schon sehr stolz. 

Mit Pollen Street haben wir jetzt eine Firma an der Seite, die uns auf das nächste Level bringen kann. 

Sie wollten eigentlich schon 2021 einen neuen Investor finden. Warum eigentlich? 

Wir sind in den vergangenen Jahren extrem schnell gewachsen, allein 2020 auf 2021 waren es mehr als 80 Prozent. Wir sind gleichzeitig profitabel geworden, was extrem selten für Start-ups in dieser Phase ist, immerhin gibt es uns erst seit 2016. Gleichzeitig habe ich gemerkt, dass wir eine neue Investorenklasse brauchen. Die VCs und Business Angels, die uns bis dahin unterstützt haben, waren klasse. Ohne sie stünden wir heute nicht hier. Mit Pollen Street haben wir jetzt eine Firma an der Seite, die uns auf das nächste Level bringen kann. 

Dabei hatten sie die Suche 2021 schon abgebrochen, weil sie keinen passenden Investor gefunden haben. Was hat sich verändert? 

Gar nicht so viel. Aber wir hatten zwei große Hürden bei der Suche nach einem Investor. Die Shareholder wollten, dass wir dreistellig bewertet werden und da haben wir zu vielen Interessenten sagen müssen: Vorher reden wir gar nicht mit euch. Und die andere Hürde war ich. Ich war extrem kritisch und skeptisch bei jedem potenziellen Investor, weil ich unbedingt an Bord bleiben und das Baby weiter leiten wollte. Es musste als ein VC- oder Private-Equity-Investor her, mit dem ich gerne arbeite und bei dem ich auch überzeugt war, dass er mit internationalisieren und professionalisieren will. 2021 haben wir so einen nicht gefunden, 2022 mit Pollen Street dann schon. Die Verhandlungen waren natürlich für alle Seiten ein intensiver Prozess. 

Bis dahin gehörten 40 Prozent Finleap und der Rest vielen verschiedenen Investoren. Verhandlungen waren sie also gewohnt. 

Eine Sache habe ich schnell gemerkt: Bei einem Private-Equity-Investor werden andere Geschütze aufgefahren. Da wird viel intensiver in jede Finanzkennzahl geschaut und auch die Gespräche mit dem Management sind viel intensiver als ich das von Investoren aus der VC-Szene kannte oder auch von Business Angels. Da werden dann auch in Verhandlungen ganz andere Manschetten angelegt und jede Seite muss zu Kompromissen bereit sein. Das war ich, das war Pollen und das war Finleap und deshalb können wir jetzt diesen Erfolg feiern. 

Ich will ab jetzt jedes Jahr in ein weiteres Land expandieren, in die Benelux-Staaten und auch nach Frankreich.

Die aktuelle Marktlage ist nicht gerade berauschend für einen Exit. Hat das die Bewertung gedrückt? 

Überhaupt nicht. Die aktuelle Lage macht es gerade für die Unternehmen schwierig, die noch nicht profitabel sind. Aber das sind wir, weswegen uns die Stimmung am Markt gar nicht so schwer getroffen hat. Außerdem war Pair Finance vor zwei Jahren beispielsweise noch gar nicht bereit für einen solchen Deal. Erst in den letzten 24 Monaten sind wir so stark gewachsen und profitabel geworden. Der Zeitpunkt ist also genau richtig. 

Was ist jetzt der Plan? 

Wir wachsen bereits stark in Deutschland, letztes Jahr sind wir nach Österreich gegangen. Ich will ab jetzt jedes Jahr in ein weiteres Land expandieren, in die Benelux-Staaten und auch nach Frankreich. Ich glaube, wir haben mit unserer Plattform ein Produkt, wie es sonst keiner in einer tradierten Branche hat. 

Haben Sie keine Angst oder Sorgen? 

Ein Unternehmer sollte keine Angst haben. Natürlich mache ich mir viele Gedanken oder habe Sorgen, dass etwas nicht schnell genug geht. Wenn sie meine Frau fragen, mit wie vielen Gedanken ich ins Bett gehe, dann wird sie sagen: Er denkt 24/7 an Pair Finance. Und das würde stimmen. Aber diese Sorgen sind keine Sorgen im eigentlich Sinne und nicht existenzbedrohend, sondern Fragen wie: Wie können wir ein bestimmtes Produkt schneller umsetzen, einen Kunden schneller für uns gewinnen oder schneller in ein weiteres Land expandieren? Unser größter Gegner nämlich ist die Zeit. Es gibt viel Marktpotenzial und wir wollen das abgreifen. 

Vielen Dank für das Gespräch.

zur Person: Stephan Stricker (40) ist Gründer und CEO von Pair Finance, Deutschlands führendem Fintech für Inkasso. Vor Pair Finance war Stephan Stricker in leitenden Positionen an der Entwicklung erfolgreicher AdTech-Unternehmen in San Francisco/USA und Sao Paulo/Brasilien beteiligt. Von 2010 bis 2013 war er für die KMPG in den Bereichen Strategieberatung und Restrukturierung tätig. Stephan Stricker absolvierte sein Studium der Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten Sydney und Münster.


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