Kein Unternehmen wird es sich leisten können, Startups zu ignorieren

Gregor Gimmy gilt als Pionier des Venture Client Modells. Im Interview mit der LBBW erklärt er, warum die Zusammenarbeit mit Startups für Technologiefortschritt und Wettbewerbsfähigkeit unerlässlich ist.

Der Bedarf an guten Venture Client Modellen ist noch kein Mainstream – doch das ändert sich gerade“, sagt Gregor Gimmy, Gründer und CEO von 27pilots. Gimmy, der als Pionier des Venture Clientings gilt, hat bereits 2014 als Manager bei BMW den Begriff „Venture Client“ geprägt und ein innovatives Modell entwickelt, das Startups und etablierte Unternehmen miteinander verbindet. Als Kopf hinter der weltweit ersten Corporate Venture Client Unit, der BMW Startup Garage, hat er maßgeblich dazu beigetragen, dass Unternehmen von den neuesten technologischen Lösungen profitieren können. Auch in der LBBW haben wir eine eigene Venture-Clienting-Einheit ins Leben gerufen, um innovative Lösungen von Startups strategisch und mit messbarem Mehrwert in die Bank zu integrieren. Im ersten Teil unserer Interview-Serie haben wir mit Gregor Gimmy über die Idee hinter seinem Venture Client Modell und das Potenzial für die Finanzbranche gesprochen. Der zweite Teil dreht sich um seine Vision für Venture Clienting für die globale Unternehmenslandschaft.

Die Bedeutung von Startups für Corporate Innovation nimmt stetig zu. In der LBBW haben wir diesen Bedarf erkannt und eine dedizierte Venture Client Unit aufgebaut. Wie blickst du auf die Zukunft der Corporate Innovation und welche Rolle wird das Venture Client Modell in diesem sich wandelnden Umfeld spielen?

Die Bedeutung von Startups wächst für die gesamte Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen – und zwar nicht nur im Bereich der Innovation. Anders ausgedrückt: Auch Unternehmen ohne dedizierte Innovationsabteilungen, Innovationsstrategien oder F&E-Aktivitäten profitieren zunehmend von Startups. Der Grund dafür ist, dass Startups im Wesentlichen Technologieunternehmen sind, die häufig neue und oft disruptive Technologien auf den Markt bringen. Technologie wird dabei für alle Unternehmen zu einem zentralen Wettbewerbsfaktor, sei es im Produkt, in der Produktion, Logistik, im Marketing und Vertrieb, im Personalwesen oder in der IT.

Ein Beispiel: Die IT eines Unternehmens, das sich gegen Cyberangriffe schützen will, wird voraussichtlich auf Startup-Technologien angewiesen sein. Im Jahr 2022 flossen etwa 18,5 Milliarden US-Dollar Venture Capital in die Entwicklung neuer Cybersecurity-Lösungen, da etablierte Anbieter oft nicht alle erforderlichen Lösungen anbieten können. Wenn ein Unternehmen beispielsweise eine Million Dollar für eine spezifische Cybertech-Lösung ausgibt, wird dieses Budget in der Regel nicht als „Innovationsbudget“ verbucht. Angenommen, dieses Unternehmen ist ein Krankenhaus – es hat vermutlich keine Innovationsabteilung, benötigt jedoch hochmoderne Cybertechnologie, die sich häufig nur im Startup-Ökosystem findet.

Gerade weil Startups zunehmend über die Innovationsabteilungen hinaus für das gesamte Unternehmen relevant werden, wird es immer wichtiger, Venture Client Units aufzubauen, die das gesamte Unternehmen mit relevanten und einzigartigen Startups versorgen können.

Gerade weil Startups zunehmend über die Innovationsabteilungen hinaus für das gesamte Unternehmen relevant werden, wird es immer wichtiger, Venture Client Units aufzubauen, die das gesamte Unternehmen mit relevanten und einzigartigen Startups versorgen können. Diese Venture Client Units benötigen also ein Modell, das über den Innovationsbereich hinaus startup-relevante Herausforderungen identifiziert und die dafür besten Startups findet, validiert und ins Unternehmen integriert.

In der LBBW verfolgen wir hier einen „Pull first“-Ansatz. Kurz gesagt: Wir identifizieren Problemstellungen in Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen und suchen dann das Startup mit der besten Lösung dafür. Die größte Herausforderung ist oft, das notwendige Commitment für die Umsetzung herzustellen. Daran arbeiten wir unter anderem, indem wir über Venture Clienting und den Mehrwert der Zusammenarbeit mit innovativen Startups und Fintechs aufklären. Glaubst du, dass in Zukunft jedes Unternehmen eine eigene Venture-Clienting-Einheit haben wird?

Obwohl viele – vermutlich fast alle – Unternehmen bereits Venture Clients sind, da sie Startup-Technologien nutzen, haben nur die wenigsten ein spezifisches Venture Client Modell definiert oder implementiert (siehe hierzu den 2023 State of Venture Client Report). Dies gilt sowohl in Deutschland als auch international. Das bedeutet, dass Startup-Produkte entweder informell genutzt werden oder formell, jedoch ohne ein spezifisches Venture Client Modell. Welche Firma oder deren Mitarbeiter haben z. B. noch nicht das Produkt des Startups OpenAI genutzt? In diesen Fällen werden Startup-Produkte über generische Funktionen wie den normalen Einkauf bezogen oder Startups über generische M&A-Prozesse akquiriert.

In Zukunft wird die Einführung spezifischer Venture Client Modelle zunehmen, da Unternehmen so strategische Vorteile durch erstklassige Startups effektiver und schneller erzielen können. Generische Prozesse sind weniger erfolgversprechend, da sie nicht auf die Wertschöpfung mit Top-Startups ausgelegt sind. Mit diesen generischen Ansätzen bleibt oft ein großer Teil der potenziellen Wertschöpfung ungenutzt: Relevante Probleme werden seltener erkannt, die besten Startups werden nicht identifiziert, und die Technologien finden nur eingeschränkt Einsatz – was den strategischen Vorteil oft "killed".

Welche Indizien siehst du dafür, dass der Trend zu Venture Clienting zunimmt?

Der Bedarf an guten Venture Client Modellen ist aktuell noch kein Mainstream-Thema in den Vorstandsetagen oder Business Schools, weder national noch international. Doch das ändert sich gerade. Ein Indiz dafür ist der BMW Startup Garage Case an der INSEAD Business School, der zu einem Bestseller geworden ist und weltweit unterrichtet wird. Auch die Anerkennung des BMW/27pilots Venture Client Modells als „Emerging Innovation Practice“ durch Gartner zeigt, dass Venture Clienting zunehmend als wichtige Praxis anerkannt wird. In Zukunft wird es sich kein Unternehmen leisten können, Startups zu ignorieren – egal ob globaler Konzern, mittelständisches Familienunternehmen oder Kleinstunternehmen mit unter 100 Mitarbeitern. Auch Startups selbst sind oft aktive Venture Clients, da sie intensiv Startup-Technologien nutzen, um ihre Produkte schneller zu entwickeln (z. B. GenAI für Coding) und ihre Prozesse so effizient wie möglich zu gestalten (wie Personio für HR).

„Nicht ignorieren“ bedeutet, dass Unternehmen gezielt Startup-Technologien finden und einsetzen müssen, immer dann, wenn diese die beste Lösung für eine relevante strategische Herausforderung bieten. Das heißt, jedes Unternehmen wird in irgendeiner Form Venture Clienting betreiben, jedoch angepasst an die eigene Größe und Bedürfnisse. Eine Firma mit 100 Mitarbeitern wird keine dedizierte Einheit mit 25 FTEs haben, aber sie kann sicherstellen, dass mindestens eine Person in Venture-Client-Methoden geschult ist oder eine Person mit Venture-Clienting-Erfahrung eingestellt wird.

Für alle, die sich für Venture Clienting interessieren, empfehle ich mein Buch Buy, Don’t Invest: The Venture Client Model – A Paradigm Shift in Corporate Venturing. Darin erkläre ich, warum und wie das Venture Client Modell entstand und welche Bedeutung es für Startups, Unternehmen und die Gesellschaft hat.

Vielen Dank für das Gespräch!

Hier geht es zum ersten Teil: Der Venture Clienting Visionär - Interview mit Gregor Gimmy


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