„Frauen müssen proaktiver netzwerken“

Nicht nur in der Start-up-Welt auch bei Wagniskapitalgebern sind Frauen eine Seltenheit. Im Interview erklärt Carina Harding von Picus Capital, wie sich das ändern könnte.

Verschiedene Studien zeigen, dass es in Deutschland kaum Investorinnen gibt. Was glauben Sie, sind die Gründe dafür?

Ich glaube, es gibt viele Hürden auf dem Weg. Im ersten Schritt muss man erst einmal auf die Idee kommen, sich für Venture Capital zu interessieren und sich dann auch zu bewerben. Wenn man dann auf Linkedin und in die Medien schaut, ist die Welt nach außen hin weiterhin ziemlich männerdominiert. Ich habe mir gesagt, ich gehe trotzdem ins VC und verändere dann die Branche von innen heraus.

Wie könnte man mehr Frauen für den Weg als Investorin begeistern?

Wir brauchen mehr starke Frauen im Venture Capital, die  als Vorbild auftreten. Wir müssen die Fähigkeiten von Investorinnen sichtbar machen. Außerdem sollten Stellenausschreibungen und Informationen auf den Webseiten sprachlich möglichst genderneutral sein. Dann würden sich vielleicht auch mehr junge Frauen in die Branche trauen.  

Was war für Sie denn die größte Hürde beim Einstieg in die Investorinnen-Welt?

Egal ob Gründung oder Schritt in die VC-Welt, ich hatte zu Zeiten meines Berufseinstiegs  nicht das größte Netzwerk in diesen Bereichen. Damals hatte ich das Gefühl, dass es bei den Männern besser läuft. Weibliche Kommilitoninnen mussten dafür meiner Meinung nach viel proaktiver agieren. Und was dann in Bewerbungsprozessen abschrecken kann, ist, wenn du plötzlich vier männlichen Partnern gegenübersitzt, die dich interviewen.

Warum funktioniert das Netzwerken bei Männern einfacher?

VC kommt aus den USA, das war zu 99 Prozent männlich. Dann ist das Investieren in Startups vor 20 Jahren nach Deutschland übergeschwappt. Am Anfang gab es auch hier so gut wie keine Frauen - generell war der VC Markt in Deutschland noch viel kleiner als heutzutage. Und dann waren es die männlichen Partner, die noch kein Bewusstsein für das Problem Diversität hatten und daher erstmal wieder ähnliche Leute eingestellt haben. Ich glaube, das ist historisch einfach gewachsen und zu wenig Frauen wurden proaktiv angesprochen. Erst in den vergangenen Jahren ist da ein Umdenken passiert: Denn jetzt sagen auch viele männliche Investoren, dass sie bei der Gleichstellung mitwirken wollen.

Wie gelingt Frauen der erfolgreiche Einstieg in die Welt der Risikokapitalgeber?

Erstmal sollten sie Praktika in einem Start-up gemacht haben, im VC oder der Beratung. Hier lernst du wichtige Fähigkeiten, um den Job zu verstehen. Dann ist es wichtig, ein Support-Netzwerk aufzubauen. Das bedeutet, proaktiv Kontakt zu Gründern und Gründerinnen oder Menschen mit einem guten Netzwerk zu suchen, die einem auf dem Weg weiterhelfen können. In der Branche sind eigentlich alle total offen.

Warum haben es Frauen in der Branche schwieriger aufzusteigen?

Es gibt Studien, die nachweisen, dass Frauen sich generell realistischer verkaufen. Und VC und Gründung ist viel auf großen Visionen gebaut. 

Also überschätzen sich Männer?

Ich selbst bin kein Fan von Stereotypisierung wie „Frauen sind schüchterner“ und „Männer sind selbstbewusster“. Ich glaube aber schon, dass es ein strukturelles Problem ist, dass Gründer sowie VC-Partner nicht oft genug darüber nachdenken, dass sie auch in der Verantwortung sind, dieses Thema mit voranzutreiben.

Würden mehr Investorinnen auch mehr Gründerinnen hervorbringen?

Zumindest macht es mir mehr Spaß, ein diverses Gründer:innen-Team zu unterstützen. Investorinnen sind sich des Themas Diversität eher bewusst als männliche Kollegen, da es sie selbst betrifft.

Zur Person: Carina Harding kam 2021 zu Picus als Investorin ins Team. Vor Picus arbeitete sie als Head of Sales bei Capmo, einem VC-finanzierten Start-up in München. Davor sammelte sie Erfahrungen bei der Unternehmens- und Strategieberatung McKinsey und dem Forschungsinstitut Fraunhofer.