Der Venture Clienting Visionär: Interview mit Gregor Gimmy

Gregor Gimmy, Gründer von 27pilots, gilt als Pionier des Venture Clienting. Im Interview mit der LBBW spricht er über die Anfänge und über das Potenzial von Venture Clienting in der Finanzbranche.
Der Erfolg von Unternehmen hängt heute stärker denn je von Technologien ab. Deshalb setzen immer mehr Unternehmen auf Venture Clienting, um innovative technologische Lösungen von Startups schnell und effizient in ihren Betrieb zu integrieren. Gregor Gimmy, Gründer und CEO von 27pilots, gilt als Pionier des Venture Clienting. 2014 prägte Gimmy als Manager bei BMW den Begriff „Venture Client“ und entwickelte ein spezielles Venture Client Modell für das Unternehmen. Teil dieses Modells war der Aufbau einer eigenen Einheit: der BMW Startup Garage, der weltweit ersten Corporate Venture Client Unit. Aufgrund des Erfolgs seines Venture Client Modells bei BMW gründete er 2018 27pilots. Die Mission: Unternehmen weltweit mit einem breit gefächerten Angebot bei der strategischen Kooperation mit Startups zu unterstützen. Auch in der LBBW haben wir eine dedizierte Venture Clienting Einheit aufgestellt, die Startup-Lösungen strukturiert und mit messbarem Geschäftsnutzen in die Bank integriert. Mit Gregor Gimmy haben wir über die Vorteile von strategischem Venture Clienting gesprochen und diskutiert, wie Venture Clienting sein Potenzial in der Finanzbranche entfalten kann.
Deine Erfahrungen im Silicon Valley und bei BMW haben eine große Rolle bei der Entstehung des Venture Client Modells gespielt. Gab es einen Schlüsselmoment, der dich inspirierte, dieses neue strategische Modell zu entwickeln?
Ja, es gab mehrere Schlüsselmomente. Einer davon war die Erkenntnis des "Startup-Gaps". Als ich 2012 bei BMW ins Innovationsmanagement einstieg, bemerkte ich, dass BMW strategisch viel stärker von Startup-Technologien profitieren könnte, als es damals der Fall war. Zu diesem Zeitpunkt investierte BMW jährlich in ca. eine Handvoll Startup-Lösungen, um deren Technologien zu transferieren – doch das verlief nicht immer erfolgreich. Mein erster Gedanke war, diesen Ansatz zu skalieren und in 30, 50 oder sogar 100 Startups pro Jahr zu investieren.
Der zweite Schlüsselmoment kam, als mir die Kollegen aus dem Beteiligungsmanagement erklärten, dass ein Investment in so viele Startups logistisch und finanziell unmöglich sei, egal ob es um kleine oder große Anteile ging. Der Aufwand und das Risiko wären schlichtweg zu hoch. Also überlegte ich, ob ein BMW Accelerator à la Y Combinator die Lösung sein könnte. Y Combinator ist der erfolgreichste Startup-Accelerator weltweit und investiert jährlich in über 150 Startups. Doch dann fragte ich mich: Würde ich dadurch wirklich meine Ziele erreichen?
Diese Frage führte zum dritten Schlüsselmoment, einer Erkenntnis, die ich während meiner Zeit im Silicon Valley als Gründer eines Software-Startups gewann. Ich wusste, dass Startups und ihre VCs oft wenig Begeisterung zeigen, wenn Corporates als Minderheitsinvestoren einsteigen wollen – und Corporate Acceleratoren hatten einen noch schlechteren Ruf. Ich fragte mich: Würde ich als Founder einen BMW-Accelerator einem Y Combinator vorziehen? Nein, auf keinen Fall. Ein Corporate Accelerator war also auch nicht die Lösung. Was ich brauchte, war ein Modell, das für Startups attraktiver als der beste unabhängige VC oder Accelerator sein würde.
Was ist das Wichtigste für jedes Startup – wichtiger noch als Investoren und Kapital? Kunden und Umsatz!
Was ist das Wichtigste für jedes Startup – wichtiger noch als Investoren und Kapital? Kunden und Umsatz! Im Silicon Valley ist Umsatz die ultimative KPI, besonders in der Frühphase. Mit Kunden und Umsatz lassen sich die besten VCs leichter überzeugen, und man bekommt mehr Kapital für weniger Equity. Jeder Euro Umsatz steigert den Wert eines Early-Stage-Tech-Startups um etwa 30 bis 50 Euro. Da wurde mir klar: Statt ein Top-Venture-Investor zu werden, sollten wir ein guter „Wagnis-Kunde“ sein – ein Venture Client.
Dann kam der entscheidende Schlüsselmoment: BMW war schon lange vor meiner Zeit ein „Venture Client“ von Startups – so wie viele andere Konzerne. Neu war also nicht die Art der Geschäftsbeziehung zu einem Startup, sondern der Begriff. Doch BMW war nicht besonders effektiv im Venture Clienting. Es dauerte teilweise über zwei Jahre, um mit einem Startup einen Vertrag abzuschließen, und selbst dann waren es oft nur eine Handvoll – und selten die besten. Da wurde mir klar: Es braucht ein spezifisches Modell, das Venture Clienting effizient und erfolgreich macht – mit speziellen Methoden, Prozessen und Strategien. Also entwickelte ich das Venture Client Modell. Ein zentrales Element des Modells war die Schaffung einer dedizierten Einheit mit eigenem Namen und einer starken Marke. So entstand 2015 die BMW Startup Garage.
Den Bedarf nach einer strategischen Herangehensweise an das Thema Innovation durch Startups war auch bei uns in der LBBW der ausschlaggebende Grund, Venture Clienting einzuführen. Ziel ist dabei ganz klar, eine Win-Win-Situation herbeizuführen. Wir profitieren von innovativen und skalierbaren technologischen Lösungen, während Startups einen relevanten Kunden gewinnen. Was ist aus deiner Sicht entscheidend, damit diese Rechnung aufgeht?
Die primäre Voraussetzung für eine Win-Win-Situation – und das wird oft übersehen – ist die Einsicht der Unternehmensleitung, dass Startups strategische Relevanz für die Wettbewerbsfähigkeit haben. Sobald diese Grundvoraussetzung erfüllt ist, geht die Rechnung auf – vorausgesetzt, das Unternehmen verfügt über ein gutes Venture Client Modell und implementiert es richtig. Andernfalls bleiben strategisch relevante Probleme unerkannt, und es gelingt nicht, die besten Startups zu finden und zu begeistern. Die Technologie wird dann nicht zielgerichtet eingesetzt, und das Startup profitiert ebenfalls nicht: Der potenzielle Umsatz durch einen Roll-out bleibt aus, das Startup lernt wenig von Kunden und läuft unter Umständen sogar in rechtliche Schwierigkeiten. Eine Übernahme, die Venture Clients oft anstreben, bleibt ebenfalls aus, wenn das Unternehmen exklusiver Kunde werden will.
Ich möchte betonen, dass nicht jedes Venture Client Modell automatisch gut ist. Viele Unternehmen schmücken sich zwar mit dem Begriff, doch oft handelt es sich um ungeeignete Modelle, die beispielsweise nur ein umbenanntes Accelerator-Programm sind, ohne wesentliche Änderung des Prozesses und der Ressourcen.
Ein konkretes Beispiel für eine erfolgreiche Win-Win-Situation ist ein Factory Automation Case von BMW. Die BMW-Produktion hatte sich zum Ziel gesetzt, dass die produzierten Autos autonom vom Band fahren können, was BMW über 100 Millionen Euro pro Jahr einsparen würde. Es fehlten jedoch einige Schlüsseltechnologien. Mithilfe der BMW Startup Garage, der Venture Client Unit von BMW, konnte BMW zwei Startups identifizieren, erfolgreich validieren und deren Technologien integrieren. Diese Technologien werden nun ausgerollt.
Nicht zu unterschätzen für uns als junge Venture Clienting Unit ist auch die kontinuierliche Evaluierung und Anpassung des Venture Client Modells. Das Marktumfeld verändert sich stetig und immer schneller. Da sind Flexibilität und Reaktionsfähigkeit entscheidende Faktoren. Die LBBW ist hier in mancher Hinsicht Vorreiter, denn das Venture Client Modell ist in der deutschen Finanzbranche bisher wenig etabliert. Wie schätzt du das Potenzial von Venture Clienting für die Finanzwelt ein, welche Erfolgsfaktoren sind entscheidend?
Das Venture Client Modell, das bis dato große Erfolge erzielt hat, ist das „BMW/27pilots“-Modell, das ich ursprünglich 2014 bei BMW entwickelt und eingeführt habe. Mit 27pilots habe ich es ab 2018 kontinuierlich verfeinert und in über zehn Industrien erfolgreich etabliert, von Aerospace über Retail bis hin zur Baubranche. Mittlerweile wird es an Universitäten wie WHU und INSEAD gelehrt und auch von diversen Wettbewerbern von 27pilots übernommen. Das ist wichtig zu betonen, denn man kann nicht pauschal sagen: Das Venture Client Modell funktioniert! Denn es gibt gute und schlechte Modelle. In den letzten Jahren habe ich zahlreiche Corporate Venture Clients kennengelernt, deren „Modell“ ineffektiv war oder nicht die Ergebnisse geliefert hat wie das BMW/27pilots-Modell. Oft wurden traditionelle Corporate Accelerator- oder Kollaborationsprogramme lediglich in „Venture Client Unit“ umbenannt, oder es wurde schlichtweg ein schlechtes Venture Client Modell implementiert.
Ein gutes Venture Client Modell funktioniert in jeder Firma und jeder Branche – immer dann, wenn strategische Technologielücken bestehen, die Startups besser füllen können als etablierte Firmen oder interne Ressourcen. Dass ich das originale Venture Client Modell zuerst im Automobilsektor entwickeln konnte, liegt daran, dass die strategische Bedeutung von Startups für diesen Sektor schon seit den Neunzigerjahren deutlich ist. BMW eröffnete beispielsweise schon 1997 ein Tech-Office im Silicon Valley. Für Automobilkonzerne war Technologie schon immer wettbewerbskritisch. Sie verfügen seit jeher über F&E-Abteilungen und Entwicklungsvorstände, und Technologie spielt neben der Produktinnovation auch eine zentrale Rolle in Produktion und Logistik.
Historisch gesehen war die strategische Bedeutung von Technologie in Banken und Versicherungen geringer als in anderen Branchen. Während führende Automobilhersteller wie Volkswagen im Jahr 2022 etwa 8,1 % ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung investierten, liegt der Anteil bei Banken und Versicherungen deutlich niedriger. Diese Diskrepanz zeigt, dass Finanzinstitute traditionell weniger in technologische Innovationen investiert haben. Allerdings ändert sich dies derzeit. Mit der zunehmenden Digitalisierung und dem Aufkommen von FinTech-Startups erkennen Banken und Versicherungen die Notwendigkeit, in Technologie zu investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Zugang zu Startups wird daher als Quelle für Wettbewerbsvorteile immer relevanter. Um diese Chancen effektiv zu nutzen, benötigen Finanzinstitute ein zuverlässiges Venturing-Vehikel – wie eine erstklassige Venture Client Unit mit einem soliden Modell.
Im zweiten Teil des Interviews mit Gregor Gimmy sprechen wir über seine Vision für Venture Clienting, auch auf internationaler Ebene, und darüber, ob in Zukunft jedes Unternehmen eine Venture Clienting Einheit haben muss.
Venture Clienting
Wenn Konzerne Startups supporten

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