„Die Baubranche ist konservativ”

Andreas Strasser vom Wagniskapitalgeber Kompas spricht über das Potenzial des Proptech-Marktes, warum sich die Branche bisher mit Transformation schwer tut und was er nach der Zinswende erwartet.

Investments im Immobilienbereich waren über Jahre eigentlich eine sichere Bank. Nun aber beginnt eine Phase höherer Zinsen und schon kühlt der Markt  ab. Andreas Strasser macht das keine Sorgen, obwohl er beim Wagniskapitalgeber Kompas arbeitet, der im Proptech-Sektor aktiv ist. Strasser, der seit Sommer mit an Bord ist, soll vor allem im DACH-Raum nach passenden Start-ups suchen. Und er ist sich sicher, dass gerade nachhaltig orientierte Proptechs auch in Zukunft gute Chancen haben.

Herr Strasser, Sie und Ihre Partner Sebastian Peck und Talia Rafaeli leiten einen VC-Fonds für nachhaltige Proptechs. Allerdings kommt keiner von Ihnen aus der Bau- oder Immobilienbranche. Wie passt das zusammen?

Wir haben uns alle in der Automobilbranche kennengelernt, die im letzten Jahrzehnt einen dramatischen Wandel durchlaufen hat. Die Bau- und Immobilienbranche hat lange ihre Verantwortung verschleppt, CO2-Emissionen nachhaltig zu senken. Als Investoren sehen wir einen massiven Innovationsbedarf. Wir können unsere Erfahrungen aus der Transformation der Automobilbranche gewinnbringend einsetzen, um neue Technologien zur Marktreife finanzieren, um den Wandel in der Bau- und Immobilienwirtschaft voran zu treiben. Die Schlüsseltechnologien sind die gleichen, nur die Anwendungsfelder unterscheiden sich. Zusätzlich haben wir durch unsere Industriekontakte ein großes Netzwerk von Experten auf die wir jederzeit zugreifen können.

Trotzdem bleibt die Frage: Warum gehen drei Automanager in die Proptech-Branche?

Wir haben alle die Transformation im Autosektor vom Verbrennermotor hin zum Elektroantrieb beobachtet und mit angetrieben. Uns war aber auch klar, dass die Autoindustrie allein den Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft nicht bewerkstelligen kann. Gerade der Bausektor ist für sehr viele Emissionen verantwortlich, aber gleichzeitig tut sich hier relativ wenig. Da haben wir eine Möglichkeit gesehen, richtig was zu bewegen.

Warum geht der Umbau der Baubranche Ihrer Meinung nach so langsam voran?

Die Gründe sind dieselben, die die Autobranche lange ausgebremst haben. Beides sind eher konservative Industrien, die einen hohen Kapitalbedarf haben. Gerade wegen dieses hohen Kapitalbedarfs ist die Experimentierfreudigkeit nicht wirklich ausgeprägt.

Deutsche Proptechs und Start-ups sind sehr technikgetrieben.

Andreas Strasser, Kompas

Welche Ansatzpunkte gibt es denn überhaupt, um die Bau- und Immobilienindustrie auf nachhaltige Beine zu stellen?

Ansatzpunkte sehen wir viele. Ein großer Faktor ist zum Beispiel Material. Beton und Stahl machen auch dank ihrer aufwendigen Herstellung einen großen Teil der Emissionen aus. Das können sie auf zwei Arten senken: Zum einen können sie den Herstellungsprozess nachhaltiger machen, was ja gerade bei grünem Stahl zunehmend geschieht. Und sie können über Software den Bauprozess effizienter machen, damit von Anfang weniger Materialien verbaut werden.

Gerade bei Baumaterialien ist Recycling ein großes Thema.

Absolut, das haben wir auch auf dem Schirm. Aber kurzfristig wird das nicht das Entscheidende sein. Denn bei Bestandsgebäuden wissen wir ja oft gar nicht, was da verbaut ist. Bis Baustoffrecycling im großen Stil eingesetzt wird, dauert es noch.

Welche Stellschrauben gibt es abseits des Materials?

Eine sehe ich beim Modulbau, der in der Regel deutlich ressourcenschonender ist als klassische Bauvorgehensweisen. Da setzt auch unser Investment Modulize an, die haben eine Software entwickelt, die Modulbau einfacher machen soll. Das würde auch helfen, um mehr und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Mit Makersite wiederum haben wir ein Unternehmen, dass die Lieferketten transparent macht, etwas, was bei vielen Bauunternehmen noch längst nicht Standard ist.

Bisher investieren sie noch wenig im deutschsprachigen Raum. Ist der Sektor hierzulande unterentwickelt?

Nein, das liegt eher daran, dass ich erst dieses Jahr im Juni bei Kompas eingestiegen bin. Ich will dem deutschen Markt da also gar nichts absprechen. Was aber sicherlich richtig ist: Deutsche Proptechs im Besonderen und Start-ups im Allgemeinen sind sehr technikgetrieben, kümmern sich aber kaum um Vermarktung, anders als etwa in den USA.

Was bedeuten steigende Zinsen für die Proptechbranche? Der Immobilienmarkt als Ganzes scheint ja bereits abzukühlen.

Den Rückgang sehen wir auch. In den kommenden zwölf bis 18 Monaten wird es gerade beim Neubau zunehmend ruhiger werden. Aber gerade beim Bestand, also bei Sanierung und Renovierung, wird es weiterhin viel Aktivität geben. Die hohen Energiepreise treiben den Bedarf an energieeffizienten Häusern. Das geht natürlich auch gut mit dem Thema Nachhaltigkeit zusammen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person: Andreas Strasser wechselte im Juni 2022 von der österreichischen Investmentgesellschaft Smartworks zu Kompas VC. Vor seiner Zeit im Wagniskapitalbereich hat Strasser acht Jahre für den Autobauer Volvo gearbeitet, dort zuletzt als Investmentdirektor des VC-Arms der Schweden. Strasser hat Wirtschaftswissenschaften in Hamburg studiert.


Like it? Please spread the word:

FYI: English edition available

Hello my friend, have you been stranded on the German edition of Startbase? At least your browser tells us, that you do not speak German - so maybe you would like to switch to the English edition instead?

Go to English edition

FYI: Deutsche Edition verfügbar

Hallo mein Freund, du befindest dich auf der Englischen Edition der Startbase und laut deinem Browser sprichst du eigentlich auch Deutsch. Magst du die Sprache wechseln?

Deutsche Edition öffnen

Vielleicht auch interessant:

Ähnliche Beiträge