„Je älter ich werde, umso mehr begeistert mich Bach“

Jonas Gößling ist Mitgründer der Klavier-Lernplattform „Flowkey.“ Im Interview erzählt er von seinen ersten Gründungsversuchen, von der Entscheidung gegen Wagniskapitalgeber – und von seinen eigenen Musikvorlieben.

Klavierunterricht ist teuer, aber mit Youtube neue Stücke zu lernen funktioniert auch nicht so  gut. Für dieses Problem will Flowkey die Lösung entwickelt haben: Eine App, die erkennt, ob der Klavierschüler richtig spielt und die die Schwierigkeit des Stückes an die Fähigkeiten anpasst. Das 2014 in Berlin gegründete Unternehmen ist mittlerweile international erfolgreich und kooperiert mit dem Instrumentenmarktführer Yamaha. Starthilfe von Wagniskapitalgebern erhielt Flowkey nicht – die Gründer hatten sich bewusst dagegen entschieden.

Herr Gößling, Sie sind Mitgründer einer Lernplattform für Hobby-Pianisten. Spielen Sie denn selbst Klavier?

Ich spiele seit meiner Kindheit Klavier und liebe einfach Musik. Meine Eltern hatten, als ich klein war, nicht so viel Geld. Aber wir haben von meinem Großvater ein altes Piano geschenkt bekommen und mein Vater konnte ein bisschen darauf spielen. Wir haben immer gemeinsam gesungen, er hat uns dabei auf dem Klavier begleitet – und in dieser Zeit muss ich mich irgendwie in dieses Instrument verliebt haben. Also habe ich meine Eltern darum gebeten, dass ich doch bitte Klavier lernen darf. Seitdem hat mich die Musik ein Leben lang begleitet. 

Und Sie haben die Musik zu Ihrem Beruf gemacht, indem Sie nach Ihrem Studium Flowkey gegründet haben. Wie kamen Sie auf diese Idee?

Ich habe immer davon geträumt, ein Unternehmen zu gründen. In meiner Jugend hatte ich bereits das erste Business aufgezogen. Ich hatte eine Wellensittich- und Papageienzucht zu Hause. 

Wie ging dieses unternehmerische Abenteuer aus?

Während meiner Schulzeit bin ich für ein Jahr ins Ausland gegangen und dann wurde mir klar: Ich kann das nicht ewig weitermachen. Aber die Wellensittiche haben wir behalten – bis vor kurzem hat der allerletzte aus der Zucht noch gelebt. 

Also sehr langlebige selbstgezüchtete Wellensittiche. Aber kommen wir zurück zum Klavierlernen. Wie sind Sie auf die Idee für Flowkey gekommen?

Während meines Studiums habe ich beim Klavierüben bemerkt, dass es kein wirklich gutes Lernprogramm dafür gab, keine coole App. Damals gab es eigentlich nur Youtube- Videos und mit denen funktioniert das Lernen neuer Stücke eher so mittel. Und so kam ich auf die Idee, selbst etwas anzubieten. Meine beiden Mitgründer haben ich in meinem Wirtschaftsingenieurwesen-Studium kennengelernt. Das waren keine Musiker, aber sie waren trotzdem begeistert. 

Ich hatte eine Welensittichzucht zu Hause.

Jonas Gößling

Wie funktioniert die App?

Je nachdem, ob wie viel Erfahrung Nutzer haben, zeigt  die App ein bisschen was anderes an. Anfänger bekommen erst einmal gezeigt, wie sie alles beachten müssen, wie sie zum Beispiel die Hände halten. Wer bereits Klavier spielen kann, der kann direkt mit den Songs starten. Die App erkennt, ob man sie richtig spielt, und zeigt das an. 

Wie kann die App erkennen, ob jemand richtig spielt?

Die Kernidee ist, dass der Nutzer erkennt, ob er richtig spielt. Wenn ein Klavierspieler mit einem YouTube-Video lernt, dann läuft das Video ja einfach immer weiter, egal ob er jetzt gerade gut hinterherkommt oder nicht. Im schlimmsten Fall ist er aus seinem Lernfluss irgendwann draußen. Die Idee war also, etwas zu bauen, das erkennt, ob der Übende richtig mitspielt und das Video daran und an seine Geschwindigkeit anpasst. Um die entsprechende Technologie dahinter zu bauen, haben wir einen Audioingenieur ins Team geholt, der auch seine Masterarbeit zu dem Thema geschrieben hat. Mit ihm gemeinsam haben wir ein Programm für die App entwickelt und über die Jahre immer weiter ausgebaut. Mittlerweile basiert die Technologie auf neuronalen Netzen, ist also eine künstliche Intelligenz, die wir mit Klavieraufnahmen trainiert haben. 

Diese Technologie hat auch Yamaha überzeugt, mit Flowkey zu kooperieren. Für jedes Yamaha-Klavier gibt es drei kostenlose Monate Flowkey-Premium. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?

Das war eine lustige Geschichte. Wir waren bei der Höhle der Löwen, etwa ein Jahr nach unserer Gründung. Wir haben kein Investment bekommen, aber es war trotzdem toll für uns. Der Sender meinte, es wäre cool, wenn wir während des Pitches auch ein Klavier auf der Bühne haben. Und so kam uns die Idee, dabei mit dem weltgrößten Instrumentenhersteller zusammenzuarbeiten. Über einen ehemaligen Yamaha-Manager, den wir kannten, haben wir Kontakt zur deutschen Zweigstelle aufgenommen und dort gefragt, ob sie Interesse haben, den Flügel für den Fernsehauftritt zu sponsern. Die waren sofort Feuer und Flamme, haben uns dann nach Hamburg eingeladen, in die Zentrale. Und so kam irgendwann diese dauerhafte Kooperation zustande. 

Sie haben nach Ihrem Versuch bei der Höhle der Löwen keinen anderen Wagniskapitalgeber ins Boot geholt, warum nicht?

Wir haben am Anfang mit einigen Venture-Capital-Gebern gesprochen und uns wurde relativ schnell klar, dass wir das eigentlich nicht wollen. Wir haben gegründet, um unseren eigenen Weg zu gehen und frei zu sein, wir wollten nicht für jemanden anderen arbeiten. In den Bedingungen, die man unterschreibt in einem Vertrag mit Wagniskapitalgebern, stehen viele Vorgaben. Wir wären danach nicht mehr so frei gewesen und hätten viele Entscheidungen fällen müssen, um dem Investor zu gefallen und seinen Zielen zu folgen – egal, ob diese Ziele auch gut für das Unternehmen sind. 

Aber wie sind Sie stattdessen an Kapital gelangt?

Wir haben viel privat eingesammelt, über Angel-Investoren, die wir kennen, zum Beispiel ein Professor aus der Uni. Und wir haben ein Crowdfunding gemacht, da haben wir innerhalb von drei Tagen 300.000 Euro eingenommen. Außerdem haben wir uns für verschiedene Förderprogramme beworben. 

In Deutschland ist ganz klar „Die fabelhafte Welt der Am´élie" am beliebtesten.

Jonas Gößling

Und das genügte, um richtig zu wachsen?

Wir sind sehr, sehr sparsam mit unserem Kapital umgegangen. Wer kein Millionen-Investment bekommt, muss kreativ werden, um zu überleben. Wir haben zum Beispiel im Marketing schnell Wege gefunden, um zu wachsen und dabei profitabel zu werden.

Was waren das für Wege?

Wir entschieden uns dazu, mit großen Klavier-Youtubern zu kooperieren, die unsere App promoted haben. Dabei haben wir mit einem klassischen Affiliate-Modell gearbeitet. Das heißt, wenn jemand ein Flowkey-Abo über den Link abschloss, den die Youtuber unter ihr Video gepostet haben, erhielten sie Geld. Dadurch hatten wir nur Marketingkosten, wenn die Werbung auch Erfolg hatte. Weil viele der Youtuber international bekannt waren und ihre Videos auf Englisch drehen, wurden wir auch schnell im Ausland, vor allem in den USA, bekannt.

Was ist denn der Song, den Ihre User am liebsten mögen?

Das ist von Land zu Land unterschiedlich. In Deutschland ist es ganz klar der Soundtrack aus „Die fabelhafte Welt der Amélie.“ In den USA ist Klassik die beliebteste Kategorie. 

Und welches Stück spielen Sie am liebsten?

Mein Lieblingskomponist ist Frédéric Chopin, mit seinen Werken bin ich aufgewachsen. Aber je älter ich werde, umso mehr begeistert mich Bach. Ich bin also eindeutig jemand, der am liebsten klassische Stücke spielt.

Zur Person: Jonas Gößling studierte an der Technischen Universität Berlin Wirtschaftsingenieurwesen und gründete 2014 gemeinsam mit Alexander Heesing und Ahmed Hassan Flowkey. Dort ist der 35-jährige CEO und für das Marketing und die allgemeine Unternehmensstrategie verantwortlich. 


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