Ankerkraut: Das können Start-ups aus dem umstrittenen Deal lernen

Die Empörung über das Nestlé-Ankerkraut-Geschäft mag in Teilen unangemessen sein. Aber das Start-up hat sich das selbst zuzuschreiben. Was andere Unternehmen daraus lernen können.

Die sozialen Netzwerke sind eine mindestens eigenwillige Diskussionsarena. Es gäbe ja eigentlich genug zu besprechen: Krieg in Osteuropa, die Franzosen scheinen sich ernsthaft mit dem Gedanken zu tragen, eine Rechtsextreme zur Präsidentin zu wählen und die erst seit Ende 2021 im Amt befindliche Bundesregierung kommt auch dank des Rücktrittes der Familienministerin seit Monaten nicht aus der Defensive. Aber nein, im Netz wurden diese Woche andere Dinge diskutiert. Da waren die Liebschaften des Fußballspielers Mats Hummels, das RTL-Laientheater „Die Passion“ und eben die Übernahme des Gewürz-Start-ups Ankerkraut durch den Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé.

Gerade letzteres ist zumindest für die Start-up-Bubble tatsächlich spannend, eignet es sich doch als Lehrstück für andere Unternehmen. Denn es zeigt, wie einem die eigene Kommunikationsstrategie um die Ohren fliegen kann. Und das muss ja nicht sein. 

Die Übernahme durch Nestlé führte dazu, dass gleich reihenweise Influencer, bisher ein verlässlicher Marketingkanal für Ankerkraut, der Firma von der Fahne gingen. Denn wer es nicht weiß: In gewissen Kreisen gilt Nestlé als der  Inbegriff des Bösen, eine satanische Eidgenossen-Krake, verantwortlich für alles, was in der Lebensmittelwirtschaft falsch läuft.

Nun ist die über Ankerkraut einbrechende Kritik etwas wohlfeil. Die Schweizer sind längst nicht der einzige Lebensmittelriese, der wegen seiner Geschäftspraktiken in der Kritik steht. PepsiCo, nach mancher Metrik die Nummer Zwei der Branche, wurde in der Vergangenheit sein Umgang mit der Wasserversorgung an seinen Produktionsstätten und sein Pestizideinsatz vorgeworfen. Danone musste sich Vorwürfen erwehren, man zahle Kickbacks an Hebammen, um seine Babynahrung an den Mann zu bringen. Und auch  bei Kraft Heinz und Mondelez gab es immer wieder Skandale. Doch keines dieser Unternehmen erzeugt eine dermaßen giftige Reaktion wie Nestlé.

Lang und breit könnte man nun analysieren, warum der Ruf der Firma selbst im Branchenvergleich so im Keller ist. Interessanter ist aber die Frage, was Start-ups aus der Übernahme durch den Lebensmittel lernen können  Die Essenz ist simpel: Marketing und Kooperation müssen zusammenpassen. Wer sich als gutes, nettes, nachhaltiges Unternehmen inszeniert oder eben sehr darauf setzt, dass Influencer das eigene Produkt verhökern, der darf eben nicht mit einer Firma kooperieren, die als gierig, unmoralisch oder anderweitig unsauber wahrgenommen wird. Deshalb müssen Gründerinnen und Gründer eben manchmal in den sauren Apfel beißen und Geld Geld sein lassen. Denn es macht noch immer einen Unterschied von wem es kommt. Jemandem wie den Ankerkrautgründern wird sonst vorgehalten, ihre Seele verkauft zu haben (wie gesagt: ein satanisches Image, inklusive faustischem Pakt). 

Im Umkehrschluss: Wessen Ruf sowieso nicht der beste ist, der kann sich seine Partner freihändig aussuchen. Glaubt irgendwer, dass die Lebensmittel- und Essenslieferdienste wie Gorillas, Flink oder Delivery Hero besonders anständige Firmen sind? Wer sich einmal anschaut, unter welchen Bedingungen deren Fahrer arbeiten, kann das nur verneinen. Entsprechend dürfte die Empörung aber auch gedämpft ausfallen, wenn eines dieser Unternehmen nun von Nestlé oder einem ähnlichen Wirtschafts-Schreckgespenst gekauft wird.

Wie sehr schadet die Episode allen Beteiligten? Nestlé wird es natürlich herzlich egal sein, am Unternehmenssitz in Vevey dürft ein wenig mehr schlechte Presse niemanden hinter dem Ofen hervorlocken. Die Ankerkraut-Gründer können sich hingegen überlegen, wie sie ihr lang aufgebautes Image vielleicht wieder reparieren können. Es dürfte mühsam werden. Denn auch der Pakt mit einer von „gutem“ Konsum besessenen Großstadtöffentlichkeit ist ein faustischer. Wer hier die Regeln bricht, der landet schnell im Social-Media-Fegefeuer. Chance auf Erlösung: gering. 


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