„Die Höhle der Löwen“ schadet der Start-up-Szene

Derzeit läuft die bereits zwölfte Staffel der Start-up-Show „Die Höhle der Löwen.“ Dem Gründer-Image zuträglich ist die Sendung aber nicht – im Gegenteil.

Seit Ende August läuft die Start-up-Show „Die Höhle der Löwen“ wieder montagabends auf dem Privatsender Vox und so nett sie nach Start-up-Szene aussieht, so weit ist sie davon weg. Denn weder die Anbahnung, noch der Pitch, noch irgendwas an dieser Show zeigt auch nur ein bisschen die Start-up-Welt – und das ist ein Problem. 

Für die Fernsehzuschauer wäre es womöglich sterbenslangweilig den oft steinigen Weg einer Investition mitzuverfolgen, weshalb vor der Kamera dieser verkürzte Investitionsprozess gezeigt wird, der nur aus Pitch und Handschlag besteht. Doch durch diese Vereinfachung entsteht ein falsches Bild der Start-up-Szene – eines, das durchaus demotivierend auf Gründer wirken könnte, die lieber mit guten Ideen statt großen Worten glänzen.  Damit tut die Sendung der Start-up-Szene also keinen Gefallen, nein, im Gegenteil: Die Höhle der Löwen tut der Start-up-Szene einen Bärendienst. 

Nasenhaar-Entferner oder Möbel für Katzen: Die Produkte bei DHDL sind kurios

Das fängt schon vorne an, bei den Produkten, die die Gründerinnen und Gründer pitchen. Hier eine kleine Auswahl: Nasenhaar-Entferner, Möbel für Katzen, ein Trainingsgerät für die Beckenbodenmuskulatur, Snacks, die Menschen und Hunde gemeinsam essen können, Kosmetik aus Muttermilch, rutschfeste Socken und ein faltbares Kajak. 

Was hier direkt auffällt: Das alles sind Produkte, die sich an den Konsumenten richten, also ein sogenanntes B2C-Produkt sind. Dabei erwirtschaften deutsche Start-ups den größten Teil ihres Umsatzes im B2B-Sektor: Rund 71,5 Prozent des Umsatzes entfällt auf Geschäftskunden, wie der Deutsche Startup Monitor (DSM), für den knapp 2000 Unternehmen befragt wurden, zeigt. 

Was ebenfalls aus dieser Befragung hervorgeht: Zwei Drittel der befragten Start-ups ordnen sich einem digitalen Geschäftsmodell zu, die dominierende Branche ist die Informations- und Kommunikationstechnologie – und damit stehen Realität und Show sich absolut konträr gegenüber. 

„Die Höhle der Löwen“ hat mit der Start-up-Welt ungefähr so viel gemeinsam wie „Germany’s Next Topmodel“ mit dem Modeln.

Na klar. Ein paar der „Höhle der Löwen“-Geschäftsmodelle sind natürlich auch digital, etwa die App „Uniheld“, über die Studenten Rabatte und Angebote erhalten sollen. Doch der Großteil der Gründer stellt in seinen Pitches analoge Produkte und Geschäftsmodelle vor. Schließlich will der Zuschauer unterhalten werden. Abends, bei einer Tüte Chips und einem Glas Wein, haben die wenigsten aus dem Publikum Lust, sich komplexes Software-Lösungen erklären zu lassen, die womöglich nicht einmal für Konsumenten interessant sind, sondern nur für irgendein Logistikunternehmen, das damit seine Prozesse beschleunigen kann. Dabei sind das eigentlich die Ideen, die in der Realität Erfolg haben. 

Allein die Auswahl der vorgestellten Geschäftsmodelle zeigt also: „Die Höhle der Löwen“ hat mit der Start-up-Welt ungefähr so viel gemeinsam wie „Germany’s Next Topmodel“ mit dem Modeln. Klar, auch GNTM hat einige Models hervorgebracht, die mittlerweile Erfolg auf internationalen Laufstegen haben und nicht nur irgendwelche Fitness-Tees auf Instagram anpreisen. Genau so gibt es auch erfolgreiche Start-ups, die aus „Die Höhle der Löwen“ bekannt wurden, etwa Ankerkraut

Die Sendung hat viele Flops hervorgebracht

Doch die Vox-Sendung hat auch viele Flops hervorgebracht. Das zeigen Berechnungen der Bonitätsauskunft Creditsafe. Demnach liegt das Risiko, in den kommenden zwölf Monaten insolvent zu gehen, bei Start-ups, die einen Deal bei „Die Höhle der Löwen“ ergattert haben, bei durchschnittlich 2,5 Prozent. Zum Vergleich: Der Durchschnittswert für alle deutschen Unternehmen liegt bei 1,25 Prozent. 

In den vergangenen elf Staffeln weckten 53 Prozent der Geschäftsideen das Interesse der Investoren aus der Jury und erhielten einen Deal. Der platzte aber oft im Nachhinein, genauer gesagt: in rund 20 Prozent der Fälle. Auch in der laufenden Staffel sind mehrere Deals nach Detailverhandlungen nach der Sendung doch nicht zustanden gekommen. 

Dass so viele Deals, die vor der Kamera abgeschlossen werden, hinter der Kamera wieder aufgelöst werden, ist nicht verwunderlich: Denn die „Löwen“ – also die Investoren aus der Sendung – fällen ihre Entscheidungen in nicht einmal einer Stunde. Sie erhalten vor der Sendung kaum Infos zu den Gründern und ihrer Idee – die einzige Grundlage der viel zu spontan gefällten Investitionsentscheidung ist der Pitch, den die Gründer in der Sendung vortragen. Das ist ungefähr so realistisch wie die Walks aus „Germany’s Next Topmodel“, die oft eher an Hindernisstrecken aus „Takeshi’s Castle“ als an Laufstege in Paris erinnern. 

Ganz so spektakulär wie in „Die Höhle der Löwen“ läuft das also nicht ab, denn Kapitalgeber wollen in der Regel keine gute Show sehen, sondern die Gründerpersönlichkeiten und ihre Geschäftsidee genauer kennenlernen.

In Wahrheit liegt zwischen einem Investment der Risikokapitalgeber und dem ersten Kontakt mit dem Start-up ein viel längerer, komplizierterer Weg. Oft bewerben sich die Unternehmen selbst bei den Investoren oder werden von den Kapitalgebern ausgewählt. Die ersten Start-ups werden hier schon ausgesiebt, etwa, weil das Geschäftsmodell auf den zweiten Blick doch nicht so vielversprechend ist wie gedacht. Erst dann erfolgt die erste Kontaktaufnahme und die Gründer können ihre Idee bei den Investoren pitchen. Ganz so spektakulär wie in „Die Höhle der Löwen“ läuft das also nicht ab, denn Kapitalgeber wollen in der Regel keine gute Show sehen, sondern die Gründerpersönlichkeiten und ihre Geschäftsidee genauer kennenlernen. Wichtige Unterlagen wie Finanzplan und Marktanalysen liegen den Investoren in der Regel schon vor diesem Pitch vor.

Will die Szene wirklich so krawallig sein?

Und dennoch: Investoren fällen ihre Entscheidung nicht direkt nach dem Pitch, sondern oft erst einige Tage oder Wochen später. In der Zwischenzeit müssen die Gründer immer wieder Dokumente, etwa Marketingkonzepte, nachreichen und Fragen beantworten. Erst dann erhalten sie einen „Deal“ – der in der Realität „Term-Sheet“ heißt und eine Art vorformulierter Vertrag ist. Die Gründer besprechen dieses Team-Sheet oft sogar mit ihren Anwälten, bevor sie eine Entscheidung treffen. Nach diesem Schritt folgt noch einmal ein gründlicheres Prüfverfahren (Due Diligence), erst dann ist die Finanzierung in trockenen Tüchern. 

Trotz der Reichweite für das Thema Gründen, die durch sie entstanden ist, sollte sich die Gründer-Szene fragen, ob sie wirklich durch diese Sendung repräsentiert werden möchte.

Was also bleibt dann noch von Deutschlands erfolgreichster Gründershow, außer einem Zerrbild? Trotz der Reichweite für das Thema Gründen, die durch sie entstanden ist, sollte sich die Gründer-Szene fragen, ob sie wirklich durch diese Sendung repräsentiert werden möchte. Oder, ob sie sich ein eigenes Image schaffen sollte, ein nüchterneres, weniger krawalliges. Eines, das vermittelt, dass zum Gründen keine extrovertierte Persönlichkeit vonnöten ist, sondern eine gute Idee. 


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