Das steckt hinter Grünfins Versprechen von nachhaltiger Geldanlage

Die Gründerinnen Karin Nemec und Triin Hertmann versprechen den Kunden ihrer Investment-Plattform eine nachhaltige Wirkung. Verbraucherschützer ärgert das.

Wer die Unternehmen Exxon Mobil, Nestle und Sony in einem Satz hört, der dürfte sich erstmal schwer tun, bei ihnen eine Gemeinsamkeit zu finden. Beim „iShares MSCI World ESG Screened UCITS ETF“ geht es dann aber doch. Denn sei es der Ölkonzern, der oft kritisierte Lebensmittelproduzent oder der Technologiekonzern, sie alle erfüllen gewisse Nachhaltigkeitskriterien. Denn sie setzen nicht auf Kohlekraft und stehen laut Einschätzungen des Fonds auch nicht mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung. 

Der iShares MSCI World ESG Screened UCITS ETF will Anleger erreichen, die ihr Geld in umweltfreundliche und faire Unternehmen stecken möchten. Es geht um nachhaltige Geldanlage – und da sind wegen Umweltverschmutzung in Kritik stehende Konzerne und Elektronikhersteller, die dafür kritisiert werden, in Zulieferer-Fabriken auf uigurische Zwangsarbeit zu setzen, eine eher ungewöhnliche Wahl.

ESG-Labels reichen für nachhaltige Investments nicht aus

Das Beispiel zeigt: Wer wirklich nachhaltig investieren möchte, kann sich nicht blind auf ESG-Labels verlassen, sondern muss ganz genau auf die Strategie eines Fonds und auf die Unternehmen schauen, in die er investiert ist. Das erfordert viel Zeit und ein auch einen gewissen Grad an finanzieller Bildung. Die deutsche Bankerin Karin Nemec und die estnische Managerin Triin Hertmann wollen Anlegern dabei helfen. Grünfin, so der Name ihres Fintechs, soll „die beste Plattform für nachhaltiges Investieren in Europa werden“, wie Mitgründerin Nemec sagt. Aber geht das überhaupt so einfach? 

Zwei Millionen Euro Investorengelder konnte Grünfin in den zwei Jahren seit der Gründung in Estland einsammeln. Nun wollen Nemec und Hertmann auch auf dem deutschen Markt durchstarten. Das Konzept von Grünfin beschreiben die Gründerinnen als eine Mischung zwischen also einem analogem und einem digitalen automatisiert arbeitenden Vermögensverwalter, auch Robo-Advisor genannt.

Grünfin wirbt mit einem Portfolio mit Impact

Kunden geben zunächst in einem Fragebogen an, welche Themenfelder ihnen bei der Geldanlage besonders wichtig seien. Sie können zwischen  Klimaschutz, Gleichberechtigung und Gesundheit wählen. Je nach Risikobereitschaft und Schwerpunkt stellt Grünfin dann dem Kunden ein Portfolio aus ETFs zusammen. Ein „Portfolio mit Impact“, wirbt Grünfin dementsprechend auf seiner Website. Doch diesem Versprechen gerecht zu werden, ist schwer. Denn darüber, was nachhaltig ist, sind sich die Finanzbranche, Anleger und Verbraucherschützer nicht einig – und immer wieder besteht die Gefahr, in die Greenwashing-Falle zu tappen.

Auch Karin Nemec und Triin Hertmann sind sich dessen bewusst – und legen bei der Auswahl der ETFs nach eigenen Angaben strenge Kriterien an. Aus tausenden ETFs, die das Analyseteam von Grünfin analysiert habe, wären letztendlich acht übrig geblieben, sagen die beiden Gründerinnen. Zwar hätten viele ETFs von Rating-Agenturen eine ESG-Bewertung erhalten. „Oft sind diese Bewertungen aber zu lasch“, sagt Nemec.

„Ob ein Anlageprodukt ESG-Kriterien erfüllt, legen Rating-Agenturen anhand von nicht überprüfbaren Daten fest. Sie verkaufen ihre Ratings an Fondsgesellschaften und Banken, unabhängig oder valide sind diese Ratings leider nicht“

Niels Nauhauser, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg

Doch ganz ausschließen lässt sich damit nicht, dass nicht doch noch Geld in Unternehmen fließt, die einen negativen Einfluss auf die Gesellschaft und Umwelt ausüben. So bemängelt Niels Nauhauser, Finanzexperte und Abteilungsleiter bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, dass ESG-Bewertungen leichtfertig vergeben werden. „Ob ein Anlageprodukt ESG-Kriterien erfüllt, legen Rating-Agenturen anhand von nicht überprüfbaren Daten fest. Sie verkaufen ihre Ratings an Fondsgesellschaften und Banken, unabhängig oder valide sind diese Ratings leider nicht“, sagt er.

Das Hauptproblem laut Nauhauser: Es existiert bisher keine einheitliche Definition für nachhaltige Geldanlagen und auch keine staatliche Institution, die kontrolliert, ob die Nachhaltigkeitsversprechen eingehalten würden. Neben den Informationen aus den Bilanzen würden vor allem nicht überprüfbare Selbstauskünfte der zu bewertenden Unternehmen in das Rating fließen. Es gebe daher keine verlässlichen Daten, die für eine Einschätzung, wie ökologisch die Anlageprodukte wirklich sind, erforderlich seien, so Nauhauser.

Verbraucherschützer ärgert das Versprechen von Grünfin

Doch Grünfin hat die acht ETFs, die für die Portfolien derzeit in Frage kommen, nicht nur anhand von ESG-Bewertungen ausgewählt. So setzt das Fintech zum Beispiel auf ETFs, die die Kriterien für Artikel 9 in der EU-Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor erfüllen. Um nach Artikel 9 eingestuft zu werden, müssen Fonds ein klares Nachhaltigkeitsziel verfolgen. „Außerdem bevorzugen wir ETFs von Asset Managern, die in Aufsichtsratsmeetings von Unternehmen gezielt Einfluss darauf nehmen, dass Nachhaltigkeitsziele erfüllt werden“, sagt Nemec.

Verbraucherschützer Nauhauser ärgert sich allerdings auch über Impact-Werbe-Versprechen des Start-ups. Es sei irreführend, denn es gäbe keinerlei Evidenz für einen tatsächlichen Einfluss durch den Kauf von Aktien über die Börse. Der Kauf bestimmter Aktien oder ETFs würde nicht unmittelbar dazu führen, dass ein Unternehmen beispielsweise eine neue Windkraftanlage baue – schließlich sei die Aktie zuvor einem anderen Marktteilnehmer abgekauft worden, erklärt Nauhauser. Tatsächlicher Impact ließe sich zum Beispiel erzielen, wenn Anleger einem neuen Marktteilnehmer Kapital zur Verfügung stellen, ohne das es nicht möglich sei, eine weitere Windkraftanlage zu bauen. 

Grünfin-Gründerinnen Karin Nemec und Triin Hertmann sehen das anders. Zwar habe man als einzelner Anleger nur begrenzt Einfluss. „Doch in der Gemeinschaft liegt die Kraft.“ Würden Anleger als Kollektiv mit Milliarden oder Billionen an Vermögenswerten auftreten, dann hätten auch große Unternehmen ein offenes Ohr für deren Anliegen. Zudem habe sich Grünfin mit Share Action zusammengetan, einer Non-Profit-Investorenvereinigung, die als Interessensgemeinschaft in Kontakt mit Unternehmen tritt und zum Handeln in Bereichen wie Klimaschutz auffordert.  


Like it? Please spread the word:

FYI: English edition available

Hello my friend, have you been stranded on the German edition of Startbase? At least your browser tells us, that you do not speak German - so maybe you would like to switch to the English edition instead?

Go to English edition

FYI: Deutsche Edition verfügbar

Hallo mein Freund, du befindest dich auf der Englischen Edition der Startbase und laut deinem Browser sprichst du eigentlich auch Deutsch. Magst du die Sprache wechseln?

Deutsche Edition öffnen

Ähnliche Beiträge