Wie ein kleines Start-up dem Weltraumschrott den Kampf angesagt hat

Elon Musk, Jeff Bezos – sie alle wollen in den nächsten Jahren immer mehr Satelliten in den Orbit schießen. Die Satelliten müssen sich den Platz aber mit einer stetig wachsenden Menge von Weltraumschrott teilen. Das Start-up Okapi Orbits hat in dieser Gefahr eine Chance erkannt.

Vor mehr als 13 Jahren und etwa 800 Meter über dem Norden Sibiriens krachten in der Erdumlaufbahn zwei Satelliten zusammen. Die Kollision des US-Kommunikationssatelliten Iridium 33 mit dem bereits abgeschalteten, 16 Jahre alten russischen Aufklärungssatelliten Kosmos 2251 hatte eine solche Wucht, dass es die beiden Objekte in tausende Teile zerriss. Bis heute schweben sie durch den Weltraum und stellen dabei eine große Gefahr für andere Satelliten dar. 

Das war die erste Kollision zweier Satelliten in der Erdumlaufbahn – aber nicht die letzte. Weltraumschrott wird zu einem immer größeren Problem. Die Raumfahrtagentur ESA spricht von etwa 34.000 Trümmerobjekten mit einer Breite von mindestens zehn Zentimetern, hinzu kommen 128 Millionen Objekte mit einem Durchmesser von mehr als einem Millimeter. Alles potenzielle Gefahren für Satelliten, die den Orbit umkreisen. 

Die Geschäftzahlen des Start-ups sehen eher mau aus

Und zugleich eine Geschäftschance für ein kleines Start-up aus Deutschland: Okapi Orbits hat eine Software entwickelt, die voraussagt, wann ein Satellit droht, mit Weltraumschrott zu kollidieren – und die im Anschluss ein Ausweichmanöver für den Satelliten berechnet. Eine Idee, die sich lohnen könnte: Denn in den kommenden Jahren sollen immer mehr Satelliten in den Orbit geschossen werden. Allein SpaceX will mit 12.000 Satelliten eine Breitband-Internetverbindung ausbauen und auch Amazon möchte bis Ende des Jahres mit rund 3000 Satelliten bessere Internetversorgung für entlegene Gebiete ermöglichen. Doch dieses Marktpotenzial lassen die Geschäftszahlen von Okapi Orbit nicht erkennen: So war das Start-up laut Bundesanzeiger zum Ende des Geschäftsjahres im September 2020 mit fast 59.000 Euro überschuldet.

Damit das Start-up langfristig die Chance hat, sich am Markt zu behaupten, braucht es also mehr Investoren und mehr Kunden. Die Zukunft von Okapi Orbits – und damit des Weltalls – liegt in den Händen von Kristina Nikolaus. Die 28-jährige Mitgründerin ist bei dem Start-up für das Management, die Arbeit mit Kunden und das Einsammeln von Investorengeldern verantwortlich. Oder wie sie selbst sagt: „Ich bin viel unterwegs, telefoniere viel und jongliere mit Zahlen.“ 

„Jahr für Jahr nimmt der Schrott im All immer weiter zu“

Kristina Nikolaus, Okapi Orbits

Bisher konnte sie mehrere Business Angels als Unterstützer gewinnen, so etwa Ingo Lunge, Aufsichtsratsmitglied von Thyssen Krupp und Eon, sowie Michael Oxfort, der vier Jahre lang selbst den Satellitenbetreiber Black Bridge gemanagt hat. Außerdem hat Okapi Orbits sich innerhalb der Branche ein gutes Netzwerk aufgebaut, ist Teil der „New Space Initiative“, ein Förderprogramm des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Doch einfach sei es Nikolaus zunächst nicht gefallen, ein derart technisch komplexes Start-up Investoren näher zu bringen. „Ich fokussiere mich beim Pitch daher weniger auf die technischen Details als auf den Nutzen.“

Die Schrottmenge im All nimmt zu

Und der ist selbst für Außenstehende, die den Weltraum nur durch „Star Wars“, „2001“ und „Star Trek“ kennen, leicht verständlich. „Jahr für Jahr nimmt der Schrott im All immer weiter zu“, erklärt Nikolaus. Ein Zusammenstoß eines Satelliten mit Weltraumschrott bedeute: Der Satellit würde unwiderruflich zerstört werden und ebenso als Weltraumschrott durchs All fliegen. Auf diese Weise würde er wiederum eine Gefahr für weitere Satelliten darstellen. Die Schrottmenge im All wachse also exponentiell. „Dazu kommt, dass ein Satellit für den Betreiber eine teure Investition ist. Erleidet er einen Totalschaden, ist das ähnlich, als würde einem Hotelbetreiber das Hotel abbrennen“, sagt Nikolaus.

Satelliten sollen die Erde umkreisen. (Foto: Free-Photos/Pixabay)

Okapi Orbits will Satellitenbetreibern dabei helfen, sich vor diesem finanziellen Risiko abzusichern und verkauft deshalb eine Software im Abo, die mithilfe einer riesigen Sammlung von Daten aus dem All prognostiziert, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Satellit mit Weltraumschrott kollidiert. Wenn ein Risiko besteht, berechnet die Software ein Ausweichmanöver. Der Kunde kann dann per Mausklick entscheiden, ob er dem Manöver zustimmen will oder nicht.

Der Markt für Okapi Orbits sind kleinere Unternehmen

„Bisher sind wir mit dieser Idee relativ allein auf dem Markt“, sagt Kristina Nikolaus. Viele Satellitenbetreiber hätten bisher selbst mühsam eine Software schreiben müssen. „Unsere müssen die Kunden nur noch installieren, das dauert fünf Minuten.“ Bisher würde Okapi Orbit seine Dienstleistung vor allem an Kunden verkaufen, die kleinere Satelliten betreiben würden. Diese würden etwa zur Erdbeobachtung oder zum Datenaustausch zwischen physischen Objekten genutzt werden. 

Zwischen der Okapi-Orbits-Software und den Satelliten gebe es eine Programmierschnittstelle, über die die Ausweichmanöver ermöglicht werden. „Die Berechnung dieser Manöver ist hochkomplex“, so die Co-Gründerin. Möglich sei sie aufgrund der vielen Datenpunkte, über die Okapi Orbits verfüge. Einige dieser Weltraum-Daten würden von kommerziellen Anbietern stammen, einige seien frei zugänglich. Zu vielen Daten hätten die Okapi-Orbits-Gründer bereits aufgrund ihrer Forschung an der TU Braunschweig Zugriff gehabt. 

„Der Weltraum hat mich schon immer fasziniert.“

Kristina Nikolaus, Okapi Orbits

Die Universität ist für ihre Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik bekannt. Nikolaus studierte aber dort vor vier Jahren nichts, was mit Satelliten oder Erdumlaufbahnen zu tun hatte, sondern Management mit technischem Schwerpunkt. Eines Tages entdeckte die damals 23-jährige ein Stellengesuch am schwarzen Brett der Uni: Drei Raumfahrtingenieure, Christopher Kebschull, Jonas Radtke und Sven Müller, suchten für ihr Unternehmen „Okapi Orbits“ dringend ein viertes Teammitglied mit Wirtschaftskompetenz. Schließlich ging es um nichts Geringeres, als den Kampf gegen Weltraumschrott Investoren schmackhaft zu machen.

Das Interesse von Nikolaus war geweckt. „Der Weltraum hat mich schon immer fasziniert.“ Zudem hatte die junge Frau genug vom Arbeiten in großen Konzernen wie Daimler, in denen sie bisher Erfahrung gesammelt hatte. Sie habe dort zwar viel unternehmerisches Handwerk gelernt. Doch in einem Start-up wie Okapi Orbits seien die Strukturen viel schlanker. „Ich kann Prozesse direkt steuern und sehe, welchen Einfluss meine Arbeit auf das Unternehmen und meine Mitarbeiter hat“, so Nikolaus. 

Für 15 Mitarbeiter ist sie derzeit verantwortlich – und für die Zukunft eines noch jungen Start-ups mit mehr Verbindlichkeiten als Eigenkapital. Das sich aber seit seiner Gründung durchaus Bekanntheit verschafft hat – auch dank der Nähe zur TU Braunschweig. Die Uni habe den Gründern ermöglicht, sich schnell in der Branche zu vernetzen. Die sei, anders als das Weltall, nicht unendlich groß, sondern eher familiär. „Der Markt ist nicht so erschlossen, wie man denkt“, so Nikolaus. Sogar mit SpaceX-Ingenieuren habe sich das Start-up bereits ausgetauscht. 


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