Deshalb ist München für Raumfahrt-Start-ups so attraktiv

Viele Start-ups, die auch nur entfernt etwas mit Luft- oder Raumfahrt zu tun haben, siedeln sich in Bayern an. Das hat triftige Gründe wie das Beispiel Reflex Aerospace zeigt. 

Als Markus Söder kurz vor der Landtagswahl im Jahr 2018 seine großen Pläne enthüllte, war das Gelächter groß. Das Konterfei des heutigen bayerischen Ministerpräsidenten prangte da hinter ihm auf der Bühne, in blau auf schwarzem Nachthimmel, drum herum funkelten ein paar Sterne. Markus Söder wollte unbedingt ins All oder zumindest wollte er Bayern zum wichtigsten Standort für alles machen, was fliegen kann.

Bavaria One hieß das Projekt, das in den kommenden Jahren hunderte Millionen Euro in den bayerischen Luft- und Raumfahrtbereich pumpen sollte und für das „Space-Söder“ einiges an Kritik einstecken musste. Die Bayern und Weltraum? Das brachten viele nicht zusammen. 

Mit dem Preisgeld in Höhe von zehn Millionen Euro will Isar Aerospace den Ausbau der Forschungs- und Entwicklungskapazitäten voranbringen. Das Start-up sitzt ebenfalls in Bayern. (Foto: Europäische Union)

Doch wer sich die deutsche oder auch die europäische Luft- und Raumfahrtszene heute anschaut, kommt um Bayern und insbesondere München nicht mehr herum. Große Firmen wie Airbus haben dort ebenso ihren Sitz wie viele Start-ups. Angefangen beim Vorzeige-Unternehmern Isar Aerospace, das sich bei der Namensgebung gleich am Fluss in München orientierten, über Dcubed, Kaskilo oder Blackwave bis hin zum Laser-Start-up Mynaric: Sie alle hat es in das größere Einzugsgebiet von Markus Söder gezogen. Nur, warum ausgerechnet Bayner, warum München und nicht Berlin, Frankfurt oder Köln? 

Bayern fördert Luft- und Raumfahrttechnologie

Antworten auf diese Fragen findet, wer mit Christian Lindener spricht. Er ist das perfekte Hybrid aus Start-up-Gründer und Weltraum-Manager. Lindener hat vor Jahren selbst zwei Start-ups gegründet, baute später Acceleratoren für unter anderem die Credit Suisse auf und arbeitete zuletzt bei Airbus. Beim Luft- und Raumfahrtkonzern leitete er zuletzt die Innovationsabteilung des Unternehmens, bevor er Anfang April als Mitgründer bei Reflex Aerospace eingestiegen ist.

Christian Lindener ist Co-Gründer von Reflex Aerospace. (Foto: Reflex Aerospace)

Das Start-up will Satelliten in der Gewichtsklasse von etwa 150 Kilo in Deutschland bauen und hat dafür bereits eine Pre-Seed-Finanzierung in Höhe von 1,5 Millionen Euro eingesammelt. Aktuell sucht das Start-up nach weiteren zwanzig Millionen Euro, um die eigene Produktion aufzubauen und das ganz bewusst in München, wie Lindener. An seinem Start-up lässt sich sehen, warum der Standort so attraktiv ist. 

Ebenfalls aus München: Ororatech will mit Satelliten besser Extremwetterlagen erkennen. (Foto: Symbolbild/Pixabay)

Eigentlich haben die Gründer Reflex Aerospace in Berlin angesiedelt, zumindest den Software-Teil. In der Hauptstadt finden sie die besten Entwickler aus aller Welt, für die Produktion aber wollen sie wie viele andere Start-ups aus dem Luft- und Raumfahrtbereich in München produzieren und bereits im nächsten Jahr erste Satelliten ins All schießen. „In der Branche sieht man eine klare Teilung: Software in Berlin, Hardware in München”, sagt Lindener. „Das liegt natürlich an den unterschiedlichen Bedingungen vor Ort.” 

„In Berlin würden wir gar nicht genug Mitarbeiter in dem Bereich finden”

Christian Lindener, Reflex Aerospace

Einer der Hauptgründe für die Firma nach München zu gehen, ist das Umfeld an Unternehmen. Airbus hat seinen Sitz in Taufkirchen bei München, ebenso die Zulieferer des Weltkonzerns und andere Start-ups, die sich in den vergangenen Jahren im sogenannten Space Valley rund um die bayrische Hauptstadt angesiedelt haben. Dazu gehört beispielsweise Blackwave, ein Start-up das sich auf die Herstellung von Carbonteilen spezialisiert hat, die Reflex Aerospace auch für seine Satelliten nutzen könnte.

Ebenfalls vor Ort ist ein sogenannter „Shaker” der Analysefirma IABG. Diese testet Geräte für Weltraummissionen, indem er beispielsweise Vibration, Schock oder Beschleunigung simuliert. „Das ist ein super teures Gerät, das wir natürlich nicht selbst anschaffen können”, sagt Lindener. „Außerdem ist bei einem Satelliten jeder Transportweg ein Risiko. Deshalb ist es super, dass die bei uns um die Ecke sitzen werden”, sagt der Co-Gründer von Reflex Aerospace. 

Mynaric ist eine Ausgründung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt und widmet sich der Datenübertragung per Laser statt Funk. Angesiedelt hat sich das Start-up natürlich in Bayern. (Foto: Mynaric)

Durch die hohe Anzahl an Firmen im Luft- und Raumfahrtbereich zieht es viele Talente in die Region, zumeist Ingenieure, die sie auch bei Reflex Aerospace brauchen. Start-ups wie Mynaric oder Reflex Aerospace werben sie dann bei Airbus, BMW oder anderen Unternehmen aus der Industrie ab, was so in Berlin nicht möglich wäre. „In Berlin würden wir gar nicht genug Mitarbeiter in dem Bereich finden”, sagt Lindener.

Der Nachteil: Das junge Start-up aus München muss auch mit den Gehältern der Dax-Konzerne und etablierten Unternehmen mithalten. Die liegen für Ingenieure gerne bei 160.000 Euro im Jahr, teils deutlich darüber. Um trotzdem an Mitarbeiter zu kommen, locken sie bei Reflex Aerospace deshalb mit den Freiheiten eines Start-ups und Optionen auf Anteile an dem jungen Unternehmen und damit der Möglichkeit, eines Tages bei einem Exit oder Teilverkauf das große Geld zu verdienen. 

Die hohe Lebensqualität und die TUM zieht Talente nach München

Ein weiterer Anziehungspunkt für Talente ist Lindener zufolge die hohe Lebensqualität in München. „Hier wird nicht so hart und viel gefeiert wie in Berlin, das ist klar, aber die Luft ist sauber, es gibt die Isar, die Berge vor der Tür und Italien und Österreich direkt dahinter: Das macht schon viel aus”, sagt Lindener. 

Junge Menschen zieht aber weniger die Lebensqualität als vielmehr die Technische Universität in München an, die zu einer der besten in Europa und sogar weltweit gehört. Gerade im Bereich Start-up-Förderung leistet die TUM überragendes. Laut Gründungsradar des Stifterverbandes fördert die TUM die Gründung von Start-ups optimal und belegt mit 80 Unternehmen, die jedes Jahr dort gegründet werden, Platz 1 unter den deutschen Hochschulen.

„Hier wird nicht so hart und viel gefeiert wie in Berlin, das ist klar, aber die Luft ist sauber, es gibt die Isar, die Berge vor der Tür und Italien und Österreich direkt dahinter: Das macht schon viel aus”

Christian Lindener, Reflex Aerospace über München als Standort

Seit Jahren steht an der Universität auch das Thema Luft- und Raumfahrt im Fokus und die Fakultät für Luftfahrt, Raumfahrt und Geodäsie bekommt dafür sogar einen riesigen Campus im Süden von München, inklusive U-Bahn-Anbindung. Bis 2030 sollen dort 55 Lehrstühle entstehen, tausende Studierende jedes Jahr lernen und forschen und die Fakultät zu einer der wichtigsten auf dem Kontinent werden. 

Bayern macht die Fördertöpfe auf – und lockt so Start-ups

Bis zu 20.000 Quadratmeter will das Start-up Reflex Aerospace rund um München anmieten und dort die Produktion für die eigenen Satelliten aufbauen. Neben der engen Anbindung an Firmen und dem Forschungsschwerpunkt der Universität spielte bei dieser Entscheidung noch ein dritter Faktor eine Rolle: Geld. Bayern pumpt jedes Jahr viele Millionen Euro in die Förderung von Luft- und Raumfahrtunternehmen, weil es diese als Schlüsseltechnologie für die Zukunft sieht.

Bei Reflex Aerospace bekommen sie bereits mit kleineren Projekten eine halbe Million Euro, bauen sie die Produktion auf, schießt der Betrag schnell in den zweistelligen Millionenbereich. „Die Förderung ist sicherlich auch ein Grund für unsere Entscheidung”, fasst Lindener zusammen. Und wieder kommt ein Start-up aus dem Luft- und Raumfahrtbereich nach Bayern. Punkt für Söder.


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