Food Waste im Fokus: Klima-Relevanz und innovative Lösungsansätze von Start- und Scale-ups

Der Gastbeitrag von Greentech-Expertin Hellen Hohoff betont die Klima-Relevanz des Lebensmittelsektors, der 8-10% der Treibhausgasemissionen verursacht. Innovative Start-ups bekämpfen die Lebensmittelverschwendung und tragen zur Umverteilung von Überschüssen in der Lieferkette bei.

Beim Anstreben von Klimaschutzzielen liegt der Fokus oftmals zurecht auf dem Energiesektor, da die intensivierte Nutzung erneuerbarer Energiequellen und smarter Lösungen essenziell für die Erreichung der Ziele ist. Allerdings wird der erhebliche Beitrag des Lebensmittelsektors zu den CO2-Emissionen oft unterschätzt oder sogar übersehen. Dabei kann der Lebensmittelsektor ein Riesen-Hebel sein: 

Zahlreiche Organisationen, wie das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) und die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN (FAO), stellen fest, dass überschüssige Lebensmittel global für erhebliche Emissionen verantwortlich sind. Genauer: Für acht bis zehn Prozent der anthropogenen Treibhausgase. Zur Verbildlichung: Würde man die Lebensmittelverschwendung als einen Staat betrachten, wäre sie mit 4,4 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalenten der drittgrößte Emittent weltweit.

Die Auswirkungen des Umgangs mit Lebensmitteln gehen über den CO2-Fußabdruck hinaus. Ressourcen wie Wasser und genießbare Lebensmittel werden verschwendet, Böden überlastet und durch Transportwege hohe CO2-Fußabdrücke verursacht. Zudem hat der Umgang mit Lebensmitteln direkte Auswirkungen auf die globale Nahrungsmittelsicherheit, da bestens genießbare Lebensmittel in den Müll gelangen, anstatt dort verwendet zu werden, wo sie dringend gebraucht werden.

Die Rolle innovativer Start-ups 

Während jede:r Einzelne durch bewussten Konsum einen Beitrag leisten kann, gibt es innovative Lösungen von Start-ups, die beim Riesen-Hebel Food Waste ansetzen. Die Rettung von noch genießbaren Lebensmitteln umfasst viele Aspekte: Verluste können in verschiedenen Phasen des Produktionsprozesses und Orten der Lebensmittellieferkette auftreten. Sei es während der ersten Erntephase, beim Versand, in der Verarbeitungsindustrie oder bei Distributoren. Jedes der unten aufgelisteten Start-ups hat einen unterschiedlichen, smarten Ansatz gewählt, sich den Herausforderungen im Lebensmittelsektor zu stellen und somit die Verschwendung von Lebensmitteln und der Ausschüttung unnötiger CO2-Äquivalente zu verhindern. 

Hinzu kommt: Unternehmen, die ihren CO2-Fußabdruck reduzieren und Kosten sparen möchten, können von der Zusammenarbeit mit solch digitalen Start-ups profitieren. Durch Partnerschaften mit ebendiesen kann im eigenen Unternehmen nicht nur ein Beitrag zur Reduzierung von Food Waste geleistet, sondern auch die Anforderungen in Bezug auf Scope 3-Emissionen erfüllt werden. Zudem können solche Kooperationen positiv zur CSR-Berichterstattung (Corporate Social Responsibility) des Unternehmens beitragen und dessen nachhaltiges Engagement hervorheben.

Überschüssige Lebensmittel für Endkonsument:innen

Wenn am Ende des Tages im Handel und der Gatsronomie Lebensmittel übrig sind, können durch die mobile Handyapp Too Good To Go sowohl Unternehmen als auch Konsument:innen voneinander profitieren. Too Good To Go ermöglicht es Konsument:innen, überschüssige Lebensmittel aus Betrieben wie Supermärkten, Cafés, Restaurants und Bäckereien in Form von "Überraschungstüten" zu stark reduzierten Preisen zu erwerben. Auf der anderen Seite können Unternehmen durch die App ihre überschüssigen Produkte vor dem Wegwerfen bewahren. Im Jahr 2022 hat die App global dadurch fast 79 Millionen Mahlzeiten gerettet. 

Das Start-up für die die Foodservice-Branche

Choco hat sich der Digitalisierung und Vernetzung der Lebensmittelindustrie verschrieben. Ziel des Unternehmens ist es, Gastronomen eine effizientere und nachhaltigere Lebensmittelbeschaffung zu ermöglichen. Mit ihrer innovativen App können Restaurants direkt bei ihren bestehenden Lieferanten bestellen, wodurch Bestellprozesse vereinfacht, Ineffizienzen vermieden und Lebensmittelverschwendung reduziert wird. Die Choco Software wird von Foodservice-Betreibern und Großhändlern in ganz Europa und den USA eingesetzt. Choco stärkt dabei bereits bestehende Beziehungen zwischen Gastronomen, Großhändlern und Lieferanten. Das Unternehmen ist überzeugt davon, dass wirtschaftlicher Erfolg direkt mit einem positiven Beitrag zur Gesellschaft und Umwelt verbunden ist.

Durchdachte Planung für Lebensmittelproduzenten

Das 2021 gegründete Start-up PlanerAI hat es sich zur Aufgabe gemacht, durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Die KI-basierte Planungsplattform unterstützt Lebensmittelproduzenten bei der präzisen Mengenplanung. Mithilfe dieser Technologie können Hersteller voraussagen, welche Mengen in den kommenden Tagen im Lebensmitteleinzelhandel benötigt werden, wodurch sie sowohl Kosten, Ressourcen als auch Zeit sparen können. Ein spezialisiertes Tool namens BäckerAI wurde bereits entwickelt, um Bäckereien dabei zu unterstützen, ihren täglichen Bedarf an Backwaren genau zu kalkulieren und so Überproduktion zu vermeiden. Genauer gesagt konnten durch den Einsatz von BäckerAI deutschlandweit über 10 Millionen Bestellungen optimiert und dadurch mehr als 278 Tonnen Lebensmittelabfälle reduziert werden. 

Überschüssige Lebensmittel werden zu Produkten 

RETTERGUT ist ein Unternehmen, das sich gegen die Lebensmittelverschwendung engagiert, indem es gerettete Lebensmittel in schmackhafte, vegetarische und haltbare Produkte wie Suppen, Aufstriche und Pestos verwandelt. Die dafür verwendeten Lebensmittel werden oft wegen ästhetischer Unzulänglichkeiten, Überproduktion oder Planungsfehlern verschwendet. Abhängig von der jeweiligen Ernte oder komplizierten Prozessen in der Lebensmittelindustrie kann die Menge an geretteten Produkten in manchen Artikeln variieren oder sich die genaue Zusammensetzung bestimmter Produkte gelegentlich ändern. Seit 2019 hat RETTERGUT so über 300 Tonnen Lebensmitteln zu hochqualitativen Produkten verarbeitet. 

Ein systemischer Ansatz zur Umverteilung hoher Tonnagen an Überschüssen in der Lieferkette

Und dann gibt es SPRK.global, die Spinne im Netz, die mit allen Lebensmittelakteuren der Lieferkette zusammenarbeitet. Das Berliner Start-up verteilt überschüssige Lebensmittel v. a. am Anfang und in der Mitte der Lieferkette um, da dort 60 Prozent der Überschüsse des Sektors anfallen. Über eine eigens erstellte B2B-Handelsplattform, die zunehmend mithilfe von künstlicher Intelligenz Lieferanten wie Landwirte, Lebensmittelproduzenten, Groß- und Einzelhändler mit Abnahmepartnern wie Gastronomen, Kantinen, der lebensmittelverarbeitenden Industrie und NGOs zusammenbringt. Das Ziel ist ein umfassendes  Ökosystem, wodurch die globale Lebensmittellieferkette effizient gestaltet wird. Wer also spontan Ware braucht, sich in der Mengenplanung vertan hat, nachhaltige Kreislaufprodukte herstellen will oder Lebensmittel abzugeben hat, kann Bedarf oder Nachfrage bei SPRK melden und so Lebensmittelüberschüsse monetarisieren und systematisch umverteilen lassen oder diese vergünstigt einkaufen. So schützen alle Partner im Schulterschluss Ressourcen und das Klima. Und: Es wird nicht nur der B2B-, sondern auch ein B2C-Ansatz verfolgt, u. a. durch eine Partnerschaft mit Too Good To Go als SPRK-Partner auf der B2C-Seite, sodass überschüssige Lebensmittel auch in Überraschungstüten für Endkonsument:innen landen und zu kleinen Preisen erworben werden können. Bisher hat SPRK bereits rund 4.000 Tonnen Lebensmitteln umverteilt.
Die Bedeutung einer global effizienten Lebensmittellieferkette kann nicht genug betont und beachtet werden. Durch die Verringerung der unnötigen Verschwendung können nicht nur Ressourcen und Wasser gespart, sondern auch erhebliche Mengen an Treibhausgasen vermieden werden sowie Lebensmittel dort landen, wo sie gebraucht werden, statt neue zu produzieren. Innovative Start-ups wie die oben gelisteten sind an vorderster Front dabei, diese Vision zu verwirklichen, und spielen eine entscheidende Rolle im Kampf gegen die Klima- und Ernährungskrise.

Hellen Hohoff ist eine renommierte Greentech-Expertin, die sich auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit spezialisiert hat. Mit ihrem fundierten Fachwissen und ihrer Leidenschaft für innovative Lösungen trägt sie aktiv zur Bewältigung globaler Umweltauswirkungen bei.

Anmerkung: Es ist anzumerken, dass der im Text dargestellte Inhalt lediglich die Meinung und Sichtweise der Autorin wiedergibt und keine Aussage über die Einstellung der Startbase darstellt.


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