Warum Investoren immer wieder auf Wunderkinder reinfallen

Immer wieder lassen sich Investoren von charismatischen Gründern hinters Licht führen, jüngst etwa im Falle der Kryptobörse FTX. Warum funktioniert die Masche immer wieder? Ein Erklärungsversuch. 

Es war ein wirklich spannendes Wirtschaftsdrama, dass sich in den vergangenen Tagen in der Kryptowelt abspielte. FTX, eine der größten Kryptobörsen der Welt, brach in kürzester Zeit in sich zusammen. Schnell machten Berichte über den freihändigen Umgang mit Kundeneinlagen die Runde, über eine überforderte Führungsriege, die überwiegend aus Freunden des Unternehmenschefs Sam Bankman-Fried bestand. Auch Betrugsvorwürfe stehen im Raum. Es ist davon auszugehen, dass Netflix bereits eine Doku-Crew in Stellung bringt, um das Desaster in Gänze zu beleuchten. 10 Episoden á 45 Minuten, probably coming soon.

So amüsant das Ganze zu beobachten ist, deutet der  FTX-Kollaps  doch auch auf ein grundlegendes Problem hin, dass sich besonders in der Tech-Branche manifestiert. Dabei geht es nicht um die dunklen Seiten des Kryptomarktes, die hier auch mal wieder deutlich werden. Sondern um die Tendenz, sich immer wieder von angeblichen Wunderkindern und Genies blenden zu lassen – und das schadet der ganzen Szene enorm.

Wenige Branchen praktizieren dermaßen einen Personenkult um Unternehmensgründer. Manchmal ist das gerechtfertigt. Steve Jobs, Mark Zuckerberg oder Elon Musk mögen streitbar sein (oder gewesen sein), der Erfolg gab ihnen meistens Recht. Aber immer wieder zeigt sich auch, dass hinter großer Show und messianischem Gehabe doch eher wenig Substanz steckt.

Stichwort Theranos: Die junge Gründerin Elizabeth Holmes gab sich als weiblicher Biotech-Steve-Jobs aus, bis hin zum schwarzen Rollkragenpullover. 700 Millionen US-Dollar bekam sie für ihr Start-up, das angeblich revolutionäre Bluttests entwickelte. Nichts davon stimmte, Holmes wurde Anfang dieses Jahres verurteilt.

Stichwort Wework: Der charismatische Adam Neumann versprach aus dem Coworking-Unternehmen eine Art umfassende Lifestylemarke zu machen. Anfang 2019 hielten Investoren das für eine 47-Milliarden-Dollar-Idee. Nicht mal ein Jahr später zahlte der Hauptinvestor Softbank Neumann 1,7 Milliarden US-Dollar, damit er sich möglichst komplett aus seiner eigenen Firma zurückzog. Das Verhalten des Gründers, sowohl in der Firma als auch privat, war so problematisch geworden, dass der Fortbestand von Wework auf der Kippe stand. Immerhin gibt es das Unternehmen im Gegensatz zu Theranos noch, Geld verdient es aber bis heute nicht.

Nun also Sam Bankman-Fried, kurz SBF, denn in der Kryptoszene hat man anscheinend keine Namen, nur Akronyme. Groß war die Begeisterung für den Anwaltssohn aus Stanford, der nicht nur eine riesige Plattform aufgebaut hatte, sondern auch noch altruistisch und bescheiden auftritt. Angeblich fuhr er trotz 20-Milliarden-Dollar-Vermögen weiterhin einen alten Toyota Corolla. Dass dieses Bild so gar nicht der Wahrheit entsprach, ist in den letzten Tagen klar geworden. SBF wird nun mindestens als überforderter Schaumschläger in die Geschichte eingehen, sollten sich manche Vorwürfe erhärten, wohl sogar als der Krypto-Bernie-Madoff.

Warum fallen Menschen, die professionell Geld verwalten und anlegen, immer wieder auf die augenscheinlich gleiche Masche rein? Die Forschung liefert hier eine eindeutige Antwort: Wir Menschen tendieren dazu, nicht die besten Führungspersönlichkeiten zu suchen, sondern die charismatischsten, gewissermaßen Superhelden. Der weibliche Steve Jobs, der Co-Working-Jesus, der großherzige Krypto-Bro: All das passt in dieses Muster. Aber leider bringt Charisma oft eine dunkle Seite mit sich. Oft sind es Narzissten und Soziopathen, die uns durch selbstsicheres Auftreten und gewagte Schachzüge besonders charismatisch erscheinen. Nur interessieren sich diese Menschen oft herzlich wenig dafür, was passiert, wenn sie daneben liegen. Dieses Muster funktioniert seit Jahrhunderten, in der Politik, im Entertainment-Bereich, in der Wirtschaft.

Dass ausgerechnet die Techbranche eine Ballung solcher Fälle aufweist, ist keineswegs verwunderlich. Die Antwort dürfte hier noch einfacher sein: Viele Leute verstehen schlicht und einfach die Materie nicht. Biotechnologie ist komplex, die Blockchain- und Kryptowelt ist ein Dschungel voll von Begrifflichkeiten und Technologien, die auch kaum jemand kapiert. Und Coworking ist zwar nicht kompliziert, aber wenn ein langhaariger, charmanter Israeli was von der We Company faselte, die alle Lebensbereiche umfassen soll, nickte mancher doch auch lieber wissend, anstatt einzuräumen, dass er keine Ahnung hatte, was der Kauderwelsch bedeuten sollte. Das gilt nicht nur für Amateure und Privatanleger, sondern erschreckend oft auch bei Profi-Investoren, VCs und so weiter. 

Niemand sollte sich übrigens davon täuschen lassen, dass diese Beispiele alle aus den USA stammen. Wir Deutschen fallen auch gerne auf solche Typen rein. Hier sei nur auf Markus Braun und sein Unternehmen Wirecard verwiesen, das geradezu perfekt in diese Reihe passt. Ein angeblicher Guru - der auch gerne den schwarzen Jobs-Rolli auspackte - eine Technologie, die auch kaum jemand verstand und am Ende verbrannte Milliardensummen und eine Menge angeblicher smarter Profi-Anleger, die ziemlich dumm aus der Wäsche guckten.

Was also tun? Geldgeber müssen genauer hingucken. Unregelmäßigkeiten waren bei allen beschriebenen Fällen schon lange vorm großen Knall zu sehen, wenn man nur richtig hinschaute. Mit ein bisschen Due Diligence lassen sich solche Böcke vermeiden. Mindestens genauso wichtig ist es aber, sich auch mal dem Herdentrieb zu widersetzen. Wenn die große Viehherde mal wieder  Stampede-artig in eine Richtung rennt, in einer Dynamik, die sie sich rückblickend oft selbst nicht erklären kann, lohnt es sich, einfach mal nicht mitzulaufen.

Wird der jüngste Fall zu diesem Umdenken führen? Vielleicht ja. Wahrscheinlich nein. Der Wework-Gründer Adam Neumann zum Beispiel hat erst jüngst wieder 350 Millionen US-Dollar bekommen für ein neues Start-up. Inwieweit sich das mit einem Lerneffekt der Investoren in Einklang bringen lässt, ist doch sehr fraglich.


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