von Kabelhalter bis Mondrover

Es ist nie zu früh für Industriedesign

Heute im Interview: Johannes Rojahn, Industriedesigner und Gründer von Rojahn Design.
Interview von Marc Nemitz Marc Nemitz · Berlin, 15. Dezember 2025

In seinem Industriedesign- und Entwicklungsbüro beschäftigt er sich sowohl mit den gestalterischen und nutzerbezogenen Qualitäten der Kundenprodukte als auch mit deren konstruktiver Ausarbeitung bis zur Fertigung. Er zeigt, wie interdisziplinäre Entwicklung von der ersten Idee bis zur Fertigung echten Mehrwert schafft – bei Startups ebenso wie bei Industrieprojekten.

Wann war der Punkt in deinem Leben an dem du wusstest: "Ich werde Industriedesigner"? 

Als ich jünger war, wollte ich immer Erfinder werden. Dass es keine Ausbildung zum Erfinder gibt, habe ich erst später erfahren. Mit der Zeit zeichnete sich immer deutlicher ab, dass sich dieses Ziel am besten durch ein Studium des Industriedesigns oder des Maschinenbaus verfolgen ließ. Nach einigen Semestern Maschinenbau erhielt ich schließlich einen umkämpften Studienplatz im Industriedesign und wechselte. Die ingenieurwissenschaftlichen Inhalte sind geblieben – und die Kombination mit Industriedesign ist unschlagbar. Vor 15 Jahren habe ich mich selbstständig gemacht und betreibe heute das Büro Rojahn Design in Berlin. 

Du hast auch schon mit vielen Startups zusammengearbeitet. Was ist daran besonders? 

Ich finde es besonders spannend, an der Entwicklung völlig neuer Konzepte mitzuwirken, und bringe dabei gerne die Erfahrungen ein, die wir im Büro in der Zusammenarbeit mit anderen Startups und Industriekunden gesammelt haben. Da Startups sich noch in einer frühen Entwicklungsphase befinden, können wir insbesondere bei Fragen zu Fertigungsverfahren sowie den damit verbundenen Prozessschritten, etwa in Design, Konstruktion, Prototypen- und Werkzeugbau, und den erwartbaren Bearbeitungszeiten gezielt in der Entwicklung unterstützen. Außerdem lässt sich so manche potenzielle Katastrophe vermeiden.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   

Wann ist ein guter Zeitpunkt für Startups, Industriedesign in die Entwicklung einzubeziehen?

Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit mit Cobra Products bei der Entwicklung ihres Produkts Cable Cobra (www.cablecobra.de). Dabei handelt es sich um eine praktische und robuste Halterung für Ladekabel von Elektroautos - ein Bodenkontakt des Kabels beim Laden wird mit der Cobra verhindert. Die Gründer hatten zunächst Funktionsmodelle getestet und geplant, das gesamte Produkt im Spritzgussverfahren aus Kunststoff herzustellen. Ich konnte jedoch aufzeigen, dass sich der zentrale Bestandteil deutlich sinnvoller aus Blech fertigen lässt. Übrig blieb lediglich ein einfaches Kunststoffteil. Dadurch sank nicht nur das anfängliche Investment erheblich, da die komplexe Geometrie aus Kunststoff teure Werkzeuge erfordert hätte; auch die Montage wurde durch die reduzierte Teileanzahl deutlich vereinfacht. Gleichzeitig wurde das Produkt wesentlich robuster und hochwertiger. 

Wird man erst spät eingebunden, ist eine Kurskorrektur deutlich schwieriger und führt häufig zu vermeidbaren Zeitverlusten.
In Berlin gibt es zudem Förderprogramme, deren Beantragung etwas Vorlaufzeit benötigt, bevor man überhaupt mit der eigentlichen Arbeit beginnen kann. Ein "zu früh" gibt es also nicht, da sich die Intensität der Zusammenarbeit bedarfsgerecht steigern lässt und man nicht sofort bei 100 % einsteigen muss. 

Deine Erfahrungen reichen von Medizintechnik bis zur Satellitenherstellung. Wie abwechslungsreich sind deine Aufgabengebiete?

Ich arbeite mit meinem Büro überwiegend im Bereich der Investitionsgüter – von Laborgeräten über Maschinensteuerungen und Zugelektronik bis hin zu Mobilitätslösungen. Eine oft gemeinsame Eigenschaft dieser Produkte ist ihre Langlebigkeit – und diese spiegelt sich auch in der Gestaltung wider. 

Viele Projekte erfordern eine Einarbeitung in sehr unterschiedliche Themenfelder. Deshalb limitieren wir uns nicht strikt auf einen einzelnen Bereich und nehmen neue Herausforderungen gerne an.

Du bist stark vertraut mit Fertigungsprozessen – würdest du sagen, das ist ein "muss" als Industriedesigner? 

Es ist äußerst wertvoll, bereits zu Beginn eines Projekts die Möglichkeiten und Grenzen der relevanten Fertigungsverfahren im Blick zu haben, um effizient und zielgerichtet arbeiten zu können. Mit dem Büro entwickeln wir für die Serienproduktion – dafür ist es entscheidend, die geplanten Stückzahlen zu kennen, denn letztlich geht es um Wirtschaftlichkeit. Jede gute oder auch schlechte Entscheidung macht sich in der Serie um ein Vielfaches bemerkbar.
Wenn man ein Projekt von der ersten Skizze bis zu den finalen Fertigungsdaten begleitet oder verantwortet, ist das zweifellos ein großer Vorteil für den Prozess und das Ergebnis. Für mich ist das selbstverständlich – und unsere Kunden wissen das zu schätzen.

NEUROSPACE Mondrover (Foto © Lennart Fox)
Intensive Tests der Geländegängigkeit auf einem Vulkan

Was war Dein bisher größtes Projekt? 

Über die Zusammenarbeit mit Startups bin ich zum Teilhaber des New-Space-Unternehmens NEUROSPACE geworden. Wir entwickeln Mondrover. Wir sind derzeit das einzige ausgewählte europäische Unternehmen, das einen eigenen Satelliten auf der Artemis-II-Mission der NASA mitführt – der ersten bemannten Mondmission seit Apollo vor rund 50 Jahren. Unser Satellit namens „TACHELES“, mit dem wir Systemkomponenten der Rover testen, wurde erst kürzlich an die NASA im Kennedy Space Center übergeben. Das war das bisher größte Projekt – gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. An dieser Stelle ein kurzer Pitch: Ob finanziell oder fachlich – wir haben noch Plätze für Mitreisende!

NEUROSPACE TACHELES Satellit (Rendering © Johannes Rojahn)
Der einzige europäische Satellit an Bord der NASA-Mission Artemis II.

Hast du ein Projekt, bei dem deine interdisziplinäre Herangehensweise besonders zum Tragen kam?

Sie hat Einfluss auf alle Projekte -hervorzuheben ist aktuell die neue Maschinensteuerung „Gestica lite“ der Firma ARBURG. Rojahn Design verantwortet sowohl das Industriedesign als auch die Konstruktion des Gehäuses: von der grafischen Gestaltung der Front, die die Bedienelemente strukturiert, bis zur dreidimensionalen Ausarbeitung der Gehäuserückseite inklusive der Fertigungsdaten.
Dabei spielten nicht nur funktionale und ästhetische Überlegungen eine Rolle, sondern auch eine möglichst einfache und kosteneffiziente Herstellung in großen Stückzahlen. Viele Entscheidungen im Design und in der Konstruktion wirken sich unmittelbar auf Werkzeug- und Teilekosten sowie auf den Montageaufwand aus. Um ein höchst wettbewerbsfähiges Produkt zu entwickeln, haben wir gemeinsam mit ARBURG jeden Aspekt sorgfältig analysiert und optimiert.

Hast du ein Beispiel, das den Zusammenhang von Industriedesign und Corporate Identity veranschaulicht?

Der Solinger Klingenspezialist LUTZ BLADES trat mit dem Vorhaben an das Büro heran, mit Mikrotomklingen einen für das Unternehmen neuen Markt zu erschließen. Dafür wurde ein Spender benötigt, der nicht nur eine sichere und einfache Handhabung der extrem scharfen Laborklingen ermöglicht, sondern dem Vorhaben zugleich ein Gesicht verleiht. Der Spender macht die hohe Qualität der Klingen erlebbar und ist unverwechselbar.

LUTZ BLADES_Mikrotomklingenspender (Rendering © Sebastian Ludewigs)
Eine markante Erscheinung für das neue Produkt des Unternehmens.

Was bedeutet Nachhaltigkeit für deine Arbeit?

Wir schätzen Langlebigkeit – sowohl auf funktionaler als auch auf ästhetischer Ebene. Unser Ziel ist es, Entwürfe zu schaffen, die auch nach Jahren noch modern wirken. Dabei streben wir stets nach größtmöglicher Einfachheit – was oft ganz natürlich zu nachhaltigeren Lösungen führt.
Wir schlagen unseren Kunden gerne umweltfreundlichere Materialalternativen vor. Letztlich liegen diese Entscheidungen jedoch nicht in unserer Hand, auch wenn uns das Thema sehr am Herzen liegt.

Welche Vorteile hat es für den Entwicklungsprozess, dass du als unabhängiger Auftragnehmer mit dem Blick von außen agierst?

Ich höre von unseren Kunden immer wieder, wie wertvoll das ist. Wir hinterfragen Gewohntes, das mitunter veraltet ist, und geben Impulse in Richtungen, die zuvor niemand gesehen hat.
Die eigene unternehmerische Perspektive – sowohl als Dienstleister als auch durch die vielen Einblicke in die Prozesse der Kunden – ist dabei ein großer Vorteil.
Aus meinem eigenen Büroalltag weiß ich, wie wichtig ein bewusster Umgang mit Ressourcen ist und dass jede Entscheidung Einfluss auf den Erfolg eines Produkts und eines Unternehmens haben kann.

Vielen dank für das Gespräch

Wir bedanken uns herzlich bei Johannes Rojahn für das aufschlussreiche Interview. Rojahn Design hat seinen Sitz in Berlin – mitten im Herzen der pulsierenden Startup-Szene. Weitere Einblicke in die Arbeit von Johannes Rojahn und seinem Büro finden Sie auf der Website: https://rojahn-design.com/


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