So will Selfmade Energy die Energiewende vorantreiben

Noch sind Solarzellen auf Hausdächern eher die Ausnahme als die Regel. Gründer Tim Rosengart will das mit seiner Plattform ändern. Gelingt ihm, woran bisher alle scheiterten? 

Als Tim Rosengart sich für das Haus seiner Eltern am Niederrhein um den Kauf einer Photovoltaikanlage kümmern sollte, war das alles ein großes Abenteuer. „Und ziemlich viel Pain“, wie er heute rückblickend sagt. Um die 20 Angebote holte er dazu 2019 ein. Einige waren mit Montage, andere ohne, die einen brachten ihr eigenes Gerüst mit, um die Solarzellen auf dem Dach des Elternhauses auch montieren zu können, für andere hätte Rosengart das selbst organisieren müssen. Wieder andere boten an, die Anlage nach der Installation auch beim Netzbetreiber zu melden, damit der wiederum sein Angebot für Tim Rosengarts Eltern abändern konnte.

„Die Angebote schwankten um mehrere Tausend Euro“, erinnert er sich. In Rosengarts Augen das nervigste: Mit allen 20 Firmen brauchte es einen Vor-Ort-Termin, damit die sich das Dach anschauen konnten. 20 Mal mussten also Handwerker rauskommen, 20 Mal musste Rosengart seine eigentliche Arbeit unterbrechen und sich mit ihnen austauschen. Für den promovierten Wirtschaftswissenschaftler war das Grund genug, sein eigenes Start-up aufzuziehen. Mit Selfmade Energy möchte er für Kunden die Suche nach geeigneten Anbietern vereinfachen – und den Handwerkern Zeit ersparen, in dem sie nicht jedes Mal rausfahren müssen, um sich das Dach vor Ort anzuschauen. Aber ist das Zusammenbringen von passenden Handwerkern und Kunden überhaupt der größte Hinderungsgrund, wenn es um den Bau von Photovoltaik-Anlagen geht? 

Es gab eine Zeit, da war Deutschland weltweit führend, wenn es um die installierte Photovoltaikleistung geht. 34,08 Gigawatt Strom erzeugten die Zellen in der Bundesrepublik 2012. Deutschland produzierte mit der Kraft der Sonne damals doppelt so viel Strom wie der zweitplatzierte: Italiens Photovoltaikanlagen lieferten 16,80 Gigawatt. Doch in den darauffolgenden Jahren hat Deutschland die Energiewende verpennt. Bis 2015 wurden aus 34,08 Gigawatt gerade einmal 39,22. Den weltweit ersten Platz hatte sich damals schon China mit 43,52 Gigawatt erobert. Und im Jahre 2020 liegt Deutschland auf Platz Vier mit 53,9 Gigawatt. China erzeugte in dem Jahr 253,4 Gigawatt Leistung mit Photovoltaik. 

Deutschland hat die Energiewende verpennt

Die Zahlen stammen von der Internetseite des Forschers Volker Quaschning. „Deutschland stand bei der installierten Leistung lange Jahre mit Abstand vorne. Durch den Einfluss der Politik hat Deutschland diese Vorreiterrolle inzwischen abgegeben. Der deutsche Markt ist im internationalen Vergleich inzwischen nur noch von untergeordneter Bedeutung“, schreibt er dort. Mittelfristig drohe Deutschland den Anschluss zu den Spitzenländern zu verlieren, so der Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin. 

Tim Rosengart hat Tiro Check Energy, das Start-up hinter der Internetseite Selfmade Energy, 2019 gegründet. (Foto: Tiro Check Energy)

Tim Rosengart hat auch aufgrund der verschlafenen Energiepolitik seine CDU-Mitgliedschaft beendet. „Die politischen Rahmenbedingungen sind seit dem Regierungswechsel besser“, sagt er. Was einen massenhaften Ausbau nun verhindert, seien Lieferprobleme, ein Handwerkermangel und eben das Matching mit den Kunden. 

Zumindest das Problem zwischen Interessenten und Anbietern kann Rosengart mit seinem 2019 gegründeten Start-up womöglich lösen. In neun Schritten sollen hier Interessenten ein passendes Angebot erhalten können. Dazu geben sie auf der Seite des Start-ups zuerst ihre Postleitzahl ein, im Anschluss geben sie an, wie viel Strom sie im Jahr ungefähr verbrauchen und in welchem Haustyp sie wohnen – etwa Reihenhaus oder Mehrfamilienhaus. Etwas schwieriger wird es für viele wohl im nächsten Schritt, wenn sie die Neigung ihres Daches angeben müssen. Von flach, über leicht (15 Grad), normal (30 Grad) bis hin zu stark (45 Grad) gehen die Auswahlmöglichkeiten. Neben der Frage nach einer Photovoltaikanlage können sie auch direkt angeben, ob sie ein E-Auto haben oder eine Wärmepumpe benötigen und an einem Batteriespeicher wünschen. Über die Vor- und Nachteile klärt die Seite von Rosengart auch direkt auf. Wenn sie dann noch den Wunschtermin für ihre Installation und die genaue Adresse angegeben haben, erhalten sie eine erste Einschätzung. 

KI berechnet die Solarkapazität

Selfmade Energy setzt dazu auf eine KI. Die nutzt zum einen Satellitenaufnahmen von Google Maps und zapft die Solarkataster der Bundesländer an. In diesen Katastern haben die einzelnen Länder Flächen, die sich für die Nutzung von Sonnenenergie eignen dargestellt. Diese Darstellung nutzt die KI von Selfmade Energy und vergleicht sie mit historischen Sonnenstrahldaten. Bestenfalls bekommen Nutzer damit am Ende ihr Haus auf einem Satellitenbild von Google dargestellt, gepaart mit einer genauen Potenzialanalyse ihrer Dachfläche. 

„Die KI erkennt auch Störelemente wie zum Beispiel einen Giebel“, sagt Rosengart. Kleines Problem an der ganzen Sache: Nicht alle Bundesländer stellen ihre Daten bereits dazu frei zur Verfügung. „Dabei müssten sie das laut der Open-Data-Direktive der EU machen“, betont der Gründer. Wer in Bayern, Baden-Württemberg oder Hessen wohnt, kann daher den Service von Selfmade Energy noch nicht vollumfänglich nutzen. 

Im nächsten Schritt müssen Nutzer nur noch Fotos von ihrem Dach und ihrem Zählerschrank hochladen. Erst wenn die KI das Foto des Dachs durchwinkt, gibt sie all die Daten an die Handwerker weiter. Die wiederum erstellen dann konkrete Angebote und schicken sie per E-Mail. Nur, wer ein Mehrfamilienhaus hat, könnte es durchaus schwer haben, sein Dach angemessen zu fotografieren. Hierzu müsste ein Handwerker wohl doch wieder persönlich vorbei kommen. Selfmade Energy will sich deshalb, obwohl die Rubrik Mehrfamilienhaus derzeit abrufbar ist, vor allem auf Besitzer von Einfamilienhäusern konzentrieren.

Den Ritterschlag für seinen Solarrechner hat Rosengart 2021 erhalten. Das Verbrauchermagazin Finanztip wählte sein Portal von fünf getesteten als das beste aus. Rosengart selbst verdient Geld über Provisionen für vermittelte Aufträge. Wie hoch die sind, will er nicht sagen. „Das wüssten meine Konkurrenten auch gerne“, meint er. Sicher ist sich Rosengart indes, dass er günstiger als seine Konkurrenten für die Handwerker ist. Auch hat er Ende 2021 eine Finanzierungsrunde abgeschlossen. Über die Höhe will er nicht reden. Immerhin über die namhaften Investoren spricht er gerne: „Verivox-Gründer Nikolaus Starzacher, Christoph Ostermann vom Solar-Start-up Sonnen und Robert Ermich von Dein Handy haben investiert“, sagt er stolz. Bleibt für Verbraucher nur zu hoffen, dass der Handwerkermangel nicht noch größer wird, denn dann wird es auch mit dem besten Vermittlungsportal nichts mit der Energiewende. 


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