Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen Solidaritätszuschlag

Marc Nemitz Marc Nemitz | 26.03.2025

Kein Ende für den Soli! Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde gegen den Solidaritätszuschlag abgewiesen. Besonders für Unternehmer und Gründer eine bittere Entscheidung.

Karlsruhe, 26. März 2025 - Mit heutigem Beschluss hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde gegen das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 (SolZG 1995) in der Fassung des Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 vom 10. Dezember 2019 nicht zur Entscheidung angenommen.

Der zum 1. Januar 1995 eingeführte Solidaritätszuschlag stellt eine Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 Grundgesetz (GG) dar. Der Senat führt in seinem Beschluss aus, dass eine solche Ergänzungsabgabe einen aufgabenbezogenen finanziellen Mehrbedarf des Bundes voraussetzt, der durch den Gesetzgeber in seinen Grundzügen zu umreißen ist. Der Solidaritätszuschlag dient der Deckung des wiedervereinigungsbedingten finanziellen Mehrbedarfs des Bundes. Ein evidenter Wegfall dieses Mehrbedarfs könne nicht festgestellt werden, sodass keine Verpflichtung zur Aufhebung des Solidaritätszuschlags bestehe.

Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer hatten sich gegen die Fortführung der Solidaritätszuschlagspflicht sowie den nur teilweisen Abbau des Zuschlags gewandt. Sie rügten insbesondere eine Verletzung der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG sowie einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Verfassungsbeschwerde blieb jedoch erfolglos.

Richterin Wallrabenstein schloss sich der Senatsmehrheit im Ergebnis an, verfasste jedoch ein Sondervotum zur Begründung.

Sachverhalt

Der Solidaritätszuschlag wird seit dem 1. Januar 1995 als Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer erhoben. Seit 2021 betrifft er nur noch bestimmte Gruppen der Einkommensteuerpflichtigen sowie alle Körperschaftsteuersubjekte. Die Bemessungsgrundlage für den Zuschlag ist die berechnete Einkommen- oder Körperschaftsteuer.

Mit dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 wurden die Freigrenzen für Einkommensteuerpflichtige ab 2021 deutlich angehoben. Diese Regelung findet jedoch nicht auf alle Bemessungsgrundlagen Anwendung.

Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer wandten sich gegen die unveränderte Erhebung des Solidaritätszuschlags im Jahr 2020 und gegen den nur teilweisen Abbau ab 2021.

Wesentliche Erwägungen des Senats

Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen.

Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 als Inhalts- und Schrankenbestimmung der Eigentumsgarantie gerechtfertigt sei. Die finanzverfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Erhebung der Ergänzungsabgabe seien auch nach 2020 nicht evident entfallen.

  1. Der Bundesgesetzgeber hatte im Jahr 2019 die Gesetzgebungskompetenz für die Fortführung des Solidaritätszuschlags. Ein evidenter Wegfall des wiedervereinigungsbedingten finanziellen Mehrbedarfs konnte nicht festgestellt werden.
  2. Der Gesetzgeber hat eine Beobachtungsobliegenheit hinsichtlich der fortdauernden Berechtigung zur Erhebung des Solidaritätszuschlags. Diese wurde im Gesetzgebungsverfahren hinreichend berücksichtigt.
  3. Die Anpassung des Solidaritätszuschlags durch das Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 führt nicht zur Aufgabe seines Charakters als Ergänzungsabgabe. Der Gesetzgeber durfte soziale Gesichtspunkte bei der Staffelung des Zuschlags berücksichtigen.
  4. Das Gutachten im Verfahren zeigte, dass auch langfristig strukturelle Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland bestehen, die einen finanziellen Mehrbedarf des Bundes begründen.

Das Bundesverfassungsgericht betonte, dass es nicht seine Aufgabe sei, alternative finanzpolitische Konzepte zu bewerten, sondern lediglich zu prüfen, ob die Entscheidung des Gesetzgebers evident fehlerhaft war. Dies sei nicht der Fall.

Der Beschluss bekräftigt somit die Rechtmäßigkeit der Fortführung des Solidaritätszuschlags.

Kommentar von Marc Nemitz aus Gründer- und Unternehmersicht

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist aus Sicht von Unternehmern und Gründern äußerst bedauerlich. Neben der offensichtlichen zusätzlichen finanziellen Belastung der deutschen Wirtschaft wurden drei wesentliche Kritikpunkte nicht hinreichend berücksichtigt:

  1. Ein Vertrauensbruch: Ursprünglich sollte der Solidaritätszuschlag nur für eine begrenzte Zeit erhoben werden. Doch seit 1991 – mit Ausnahme der Jahre 1993 und 1994 – zahlen Unternehmen ihn durchgängig. Angesichts der Tatsache, dass die DDR nur vier Jahrzehnte existierte, stellt sich die Frage, wie lange ein sogenannter "Wiederaufbau" eigentlich noch andauern soll?
  2. Unnötige Bürokratie: Der Solidaritätszuschlag verursacht weiterhin eine hohe bürokratische Belastung für Unternehmen. Eine effizientere Lösung wäre die Einbeziehung der entsprechenden Beträge in bestehende Steuerarten wie Kapitalertragssteuern, wodurch der Verwaltungsaufwand erheblich reduziert werden könnte.
  3. Irreführende politische Kommunikation: Die Behauptung, der Soli sei für 95 % der Bevölkerung abgeschafft, bleibt unwidersprochen bestehen. Tatsächlich trifft er weiterhin Anleger, die privat für ihre Altersvorsorge sparen, sowie Verbraucher indirekt über den Konsum, da Unternehmen den Zuschlag nach wie vor in voller Höhe entrichten müssen.

Diese Punkte zeigen, dass der Solidaritätszuschlag in seiner jetzigen Form nicht nur eine finanzielle Belastung darstellt, sondern auch ein tiefgreifendes Problem in der wirtschaftspolitischen Glaubwürdigkeit mit sich bringt.


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