So verändern NFT-Start-ups den Kunstmarkt

NFTs verändern den Kunstmarkt in atemberaubendem Tempo, Start-ups wie Pinsl aus Stuttgart möchten den NFT-Handel deshalb zugänglicher und sicherer machen. Doch der Hype zieht auch unseriöse Anbieter an.

Vinzent von Witten ist Gründer durch und durch. Schon seit etwa sieben Jahren ist er in der Start-up-Szene unterwegs. Über Themen wie KI oder die Blockchain spricht er schnell und strukturiert. Doch wenn es um die Kunst geht, wird seine Stimme ruhiger. Dann lässt er sich Zeit, philosophiert über den Wert von Kunstwerken. Lange hat von Witten nach einem Weg gesucht, seine Leidenschaften – das Gründen, Crypto, Tech und die Kunst –  zu vereinen. Im April 2021 hat er ihn gefunden: Er rief das Stuttgarter Start-up Pinsl ins Leben. Dieses soll die traditionelle Kunstwelt mit dem NFT-Markt verbinden.

NFT steht für Non-Fungible Token. Sie präsentieren einen Gegenstand wie etwa ein Bild in der Blockchain. Mit ihnen können Menschen digitale Dateien – darunter vor allem Kunstwerke – besitzen, kaufen und verkaufen. Jedes NFT gilt als einmalig. Menschen können dieses zwar weiterhin herunterladen, aber nur der Käufer ist als Eigentümer abgebildet. Das soll bestenfalls den Handel mit Kunstwerken deutlich erleichtern. Nur ein eigenes NFT zu erstellen, zu vermarkten und einen geeigneten Käufer zu finden, ist gar nicht so einfach. Und auch als Käufer kann es Probleme geben – etwa, wenn sie sich unsicher sind, ob der NFT-Verkäufer wirklich die Rechte an dem angebotenen Kunstwerk hat. 

Von Witten arbeitete früher unter anderem als Video-Produzent mit dem Hollywood-Regisseur und Oscar-Preisträger Costa-Gavras zusammen, bevor er in die Start-up-Welt wechselte. Seit 2015 gründete er mehrere eigene Firmen. Wie so oft führten diese zwar nicht zum Erfolg, sie lehren von Wittem jedoch vieles über das Gründen. In der Krypto-Szene ist er schon lange unterwegs: Zudem zog er unter anderem das Stuttgarter Blockchain Future Festival mit auf und kümmerte sich bei Finanzkonzern W&W um Digitalisierungsprojekte wie einer Blockchain-Strategie für Vorstände.

Nun will er mit Pinsl Ordnung in die wilde NFT-Welt bringen. „Wir bauen eine benutzerfreundliche, seriöse und gesetzeskonforme Plattform für Fine-Art-NFTs“, erklärt von Witten. Diese soll voraussichtlich im Juni gelauncht werden. Bis zum Januar 2022 baute von Witten die Firma alleine auf. Dann kam Nils Dürr als Co-Founder hinzu. Gründungspartner und erste Business-Angels des Projekts sind Johannes Graf Strachwitz und Oliver Rebner von der Kommunikationsagentur 0711, der Anwalt Martin Rath sowie Künstler Sebastian Priester. Auch andere Start-ups wie Artéq aus Wien sowie Digitalstage.io und Fanzone aus Berlin setzen auf den NFT-Markt, teils für Kunstwerke aber auch für Musik oder Sammelbilder für Fans. Nur kann das wirklich funktionieren oder ist der Hype bald wieder vorbei?

Pinsl will Künstlern „Wasser zum Schwimmen“ geben

„Unsere Plattform richtet sich vor allem an traditionelle Player der Kunstwelt“, sagt von Witten. Sein Team verifiziert Künstler, Galeristen und Käufer, damit es nicht zu finanziellen, urheberrechtlichen oder sonstigen Problemen kommt. „Künstler und Händler sollen und wollen sich auf die Kunst konzentrieren – und nicht aufs Geschäft und Formalien“, erklärt von Witten. „Wasser zum Schwimmen braucht jedoch jeder. Deswegen bieten wir der Kunstwelt einen sicheren Rahmen für den NFT-Handel.“

Pinsl will diesen komplizierten Teil übernehmen – und darüber hinaus eine Plattform bieten, auf der sich die Menschen austauschen und handeln können. Auch soziale Funktionen will das Start-up anbieten: „So können die Künstler auch neue potentielle Käufer kennenlernen.“ Die Künstler können zum einen sogenannte „Repro NFTs“ verkaufen: Scans oder Fotografien von physischen Kunstwerken als NFTs. Zum anderen können sie NFTs von digital erstellten Kunstwerken vertreiben.

„Ich kam auf die Idee für Pinsl, weil ich mit vielen Künstlern befreundet bin, mich selbst schon lange für Kunst interessiere – und mit meinen bevorzugten Medien Kunst erschaffe“, erklärt von Witten. Er landete dabei bereits einen kleinen kommerziellen Erfolg: So nahm das berühmte Londoner Museum Tate Modern im Jahr 2012 T-Shirts mit Collagen von ihm in seinem Künstler-Store auf.

Kunstmarkt-Experte: Künstler sollen sich unbedingt mit NFTs auseinandersetzen

Kunstmarktexperte Arne Freiherr von Neubeck ist einer, der an die Zukunft von NFTs glaubt: „Für Künstler, die die Fähigkeit der Selbstvermarktung beherrschen, besteht durch die höhere Reichweite der digitalen Kunst eine große Chance“, sagt er. Als jemand, der bereits seit dem 2008 mit Kunst handelt und mit seiner Firma The Global Fine Art eine Größe auf dem deutschen Kunstmarkt ist, weiß er jedoch auch: „Die meisten Künstlerinnen und Künstler werden damit aber scheitern, genauso wie sie in der analogen Welt scheiten.“

Von Neubeck glaubt, dass „Plattformen mit Boutique-Charakter“ wie Pinsl durchaus eine wichtige Rolle spielen können, „damit sich Künstlerinnen und Künstler jenseits der Massenware platzieren können.“ Diese könnten aber nur helfen, wenn sie genügend „Traffic generieren“. Denn die ganz großen NFT-Märkte wie etwa Opensea hätten ein Problem: „Die Plattform ist riesig. Man trifft auf Millionen Nutzer – zugleich aber auch auf das Risiko, verloren zu gehen.“ 

In jedem Fall rät von Neubeck Künstlern dringend dazu, sich mit der NFT-Materie auseinanderzusetzen: „Wenn ich mich nicht damit beschäftige, rollt der Zug vorbei.“ Der aktuelle Moment des Marktes sei besonders interessant: „Der Zug rollt bereits, aber die Gleise müssen noch gelegt werden. Das passiert im Moment bei voller Fahrt.“ Wie so oft gelte: Das frühe Momentum biete einerseits das Risiko des Scheiterns und von Rückschlägen – andererseits jedoch riesengroße Chancen. Leichtfertig solle man jedoch nicht sein: Die Prozesse seien nicht leicht zu verstehen, „Betrüger lauern und die Volatilität ist erheblich.“

NFTs werden Einzug in den Kunstmarkt finden

Der NFT-Hype ist laut von Neubeck vor allem derart groß ausgefallen, weil der Kunstmarkt durch die Pandemie massiv unter Druck geriet: Messen, Präsenzauktionen und kulturelle Events waren ausgefallen. „NFTs sind als Umsatzbringer aufgefallen“, stellt er fest. Umsätze hätten sich von NFTs auch Menschen versprochen, die bislang nicht mit Kunst handelten: „Mit ihnen wurde eine völlig neue Zielgruppe an den Markt herangeführt. Junge Menschen, die vor allem durch Kryptoinvestments zu Vermögen gekommen sind.“

Denn gebe es noch einige Unsicherheiten bei NFTs: Physische Kunst sei in ihrem Preis meist konstanter. Und ob das Preisniveau von NFTs gleich bleibe, sei unsicher: „Der Markt ist riskant und volatil.“ Auch die schlechte Umweltbilanz von NFTs könnte die Party langfristig verderben: Schon jetzt gibt es durch sie viele NFT-Kritiker. Gleichzeitig gibt es laut von Neubeck jedoch kein Zurück mehr: „Der Trend ist unumkehrbar. NFTs werden Einzug in den Kunstmarkt finden.“


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