„Wenn soziale Beziehungen nicht laufen, macht das langfristig krank“

Katharina Wäschenbach und Lukas Weisheit wollen mit ihrem Start-up Dearest Alleinstehenden wie Paaren bei Beziehungsfragen helfen. Das, so sagen sie, werde in Zeiten von Tinder und Co. immer notwendiger.

Katharina Wäschenbach war vor langer Zeit einmal selbst bei einer Paartherapie, erzählt sie. Geholfen habe ihr das damals überhaupt nicht. So richtig offen habe sie damals mit Anfang 20 nicht sprechen können, fühlte sich eher unter Druck gesetzt. Bei Dearest will sie gemeinsam mit ihrem Mitgründer Lukas Weisheit deshalb so einiges anders machen als klassische Paartherapeuten. Dabei helfen soll auch die Tatsache, dass das alles per App oder Online stattfindet, denn das, so das Gründerduo nehme bereits setze einen deutlich weniger unter Druck.

Bestenfalls sollen Start-ups Probleme lösen, welches löst Dearest?

Lukas Weisheit: Wer Beziehungsprobleme hat und professionelle Hilfe sucht, dem bleibt eigentlich nur der Weg zum Paartherapeuten. Der ist aber teuer und man muss lange auf Termine warten. Auch wird ein Gang zu einer Therapie immer noch ziemlich stigmatisiert. Wir bieten ein digitales Angebot für Alleinstehende und Paare an, sich mit sich selbst und den Beziehungen auseinanderzusetzen.

Katharina Wäschenbach: Uns ist aufgefallen, dass Paare, die Hilfe benötigen, immer jünger werden. Sie sind oftmals Anfang bis Mitte zwanzig. Aber auch Einzelpersonen möchten häufiger einen Coach in Anspruch nehmen, um über Herausforderungen in ihrem Beziehungsleben zu sprechen. Wenn soziale Beziehungen nicht laufen, macht das langfristig krank. Wir fokussieren uns besonders auf Probleme rund um Einsamkeit und Verlustangst und beschäftigen uns damit, wie sich langfristig gesunde Beziehungen aufbauen lassen.

Sie schreiben auf Ihrer eigenen Webseite, dass die Partnersuche durch Dating-Apps besonders leicht geworden ist. Macht das unsere Beziehungen kaputt?

Wäschenbach: Die Schnelllebigkeit begünstigt in jedem Fall einen ängstlichen Bindungsstil. Online können wir einfach immer weiter daten, wenn es in einer Beziehung schlecht läuft. Wir beschäftigen uns nicht mit uns selbst und den Problemen, die während einer Beziehung aufkommen. Was viele einfach nicht sehen: Beziehungsprobleme entstehen oft aus persönlichen Problemen der Individuen in einer Beziehung. Man muss an sich selbst arbeiten, um an der Beziehung arbeiten zu können.

Wie genau funktioniert Dearest?

Weisheit: Mit unserem Online-Angebot und vor allem unserer App helfen wir Nutzern dabei, ihre Beziehungen Schritt für Schritt zu verbessern. Wir haben die App in drei Bereiche gegliedert: Im Growth-Bereich können Nutzer mit Lerninhalten wie Artikel und Videos arbeiten und im Talk-Bereich mit einem unserer Coaches sprechen. Vorab gibt es meist ein Erstgespräch, um herausfinden, welche Beziehungsthemen sie gerade umtreiben. Damit können wir besser entscheiden, welcher unserer Coaches am besten helfen kann. Zuletzt haben wir noch einen Reflect-Bereich gelauncht, in dem unsere Nutzer reflektieren können welche Fortschritte sie bereits gemacht haben. 30 Prozent der Lernerfolge kommt unserer Erfahrung nach aus den Sessions mit den Coaches, der Rest durch Lernerfolge.

Wäschenbach: Wir verstehen uns als ein präventives Produkt und wollen dabei helfen, frühzeitig an Herausforderungen und Problemen zu arbeiten, um einen langen „Leidensweg“ zu vermeiden. In jeder Beziehung kommt es früher oder später zu Unstimmigkeiten und Streiten kann sogar sehr gesund sein, wenn es in der richtigen Form geschieht. Wir wollen den Menschen dieses Wissen an die Hand geben.

Neben den Beratungsgesprächen sind auch einige Inhalte kostenpflichtig – andere wiederum sind umsonst. Wovon machen Sie das abhängig?

Wäschenbach: Inhalte, die Einstiegsthemen betreffen sind prinzipiell kostenfrei. Komplexere Themen, bei denen Nutzer eine richtige Anleitung brauchen, bieten wir nur kostenpflichtig an.  Manche Lerninhalte können sehr vielschichtig sein und Nutzer zunächst vor Fragen stellen. Wir haben eine Verpflichtung, dass es ihnen mit unserem Angebot gut geht, daher wollen wir sicherstellen, dass gewisse Inhalte nur in Verbindung mit einem Coaching möglich sind.

Wie viele Sitzungen buchen Ihre Nutzer im Durchschnitt?

Weisheit: Es sind definitiv mehrere Stunden. Meistens liegen ein bis zwei Wochen Pause zwischen den Coachings, in denen unsere Nutzer das Gelernte verarbeiten und versuchen in der eigenen Beziehung anzuwenden. In der Spitze werden bis zu zehn Sitzungen gebucht. Das hängt von der Bereitschaft der Nutzer ab, wie tief sie in das Thema einsteigen wollen.

Nehmen Sie derzeit mehr Geld mit Ihren kostenpflichtigen Texten ein, oder mit der Beratung?

Weisheit: Derzeit gibt es die Möglichkeit sich alle Lerninhalte freizuschalten und dann gibt es zusätzlich noch die Möglichkeit, Coachings dazu zu buchen. Was wir bald einführen wollen, ist eine Option, in der beides möglich ist, weil das den meisten Mehrwert bringt. In Zukunft werden sich Kunden auch Content freischalten können und mit demselben Abo Coaching Minuten buchen. Das Freischalten der Inhalte ist eher für die Leute geeignet, die noch nicht ganz so tief ins Thema einsteigen wollen. Aktuell ist das die Mehrheit unserer Nutzer, wobei immer mehr zusätzliche Coaching Sessions buchen.

Wer derzeit neun Euro im Monat bezahlt, kann zusätzlich Beratungs-Sessions für je 99 Euro buchen. Wird das eigentlich von der Krankenkasse unterstützt?

Weisheit: Nutzer zahlen die Kosten selbst, weil Paartherapien grundsätzlich nicht von den Krankenkassen übernommen werden. Wir würden uns aber gerne über die Zentrale Prüfstelle Prävention zertifizieren lassen, sodass man die Kosten erstattet bekommt. Der finanzielle Aspekt sollte kein Grund sein, warum sich jemand nicht mit diesen Themen beschäftigen kann. Wir sind mit unseren Preisen bereits erschwinglicher als viele klassische Paartherapeuten, die teilweise bis zu 250 Euro pro Sitzung nehmen.

Wäschenbach: Damit die Krankenkasse für eine Paartherapie zahlt, müssten Klienten nachweisen, dass sie ein psychisches Problem haben, was zu der gestörten Beziehung führt. Das macht aber kaum jemand.

Sie wollen niedrigschwelliger sein als klassische Paartherapien und junge Leute ansprechen. Haben Sie eine Altersgrenze für Ihre eigenen Coaches?

Wäschenbach: Nein, eine Altersgrenze haben wir nicht. Wir haben einen Qualitätsstandard für die Auswahl unserer Therapeuten: Alle müssen eine psychologische Grundausbildung, sprich ein abgeschlossenes Psychologiestudium haben, damit sie sich als Coach zertifizieren lassen können. In unserem Team sind auch einige Psychotherapeuten, die auch klinische Fälle übernehmen können.

Was ist Ihr größtes Learning aus der Gründungszeit?

Wäschenbach: Für mich war die größte Herausforderung das Thema Fundraising, wo ich bei uns den aktiven Part übernehme. Ich bin in solchen Runden oft die einzige Frau im Raum, was für mich zu Anfang eine komplett neue Erfahrung war. Das größte Learning war für mich daher eine gute eigene mentale Gesundheit zu entwickeln. Wenn 99 von 100 Investoren Nein sagen, kann man auf diesen einen besonders stolz sein. Viele Neins sind völlig normal. Auf sich selbst achtgeben, ist unglaublich wichtig, denn nur wenn es mir gut geht, kann es auch meinem Unternehmen gut gehen.

Wo sehen Sie Ihr Start-up in fünf Jahren?

Wäschenbach: Aktuell beschäftigen wir uns hauptsächlich mit romantischen Beziehungen und bieten schnelle Hilfe bei Problemen in diesem Bereich. In Zukunft wollen wir alle soziale Beziehungen abdecken, egal ob zum Beispiel berufliche oder familiäre. In fünf Jahren sehen wir uns als der vertrauensvolle Ort, wohin jeder gehen kann, der Fragen zu jeglicher Form von Beziehungen hat.

Haben Sie ein Vorbild?

Weisheit: Unser Vorbild kommt aus einem anderen Bereich. Wir fanden Headspace immer faszinierend. Das Start-up hat es geschafft, ein eigentlich ‘nichiges’ Thema, nämlich Meditation, zu entstigmatisieren und zu einem globalen Business aufzubauen, dass unglaublich viele Menschen inspiriert.

Zu den Personen:

Katharina Wäschenbach hat Dearest gemeinsam mit Lukas Weisheit gegründet. Beide arbeiten seit Jahren in führenden Positionen in schnell wachsenden Unternehmen. Wäschenbach verantwortete als Head of People & Culture die Skalierung bei Heycar und Foodspring auf, Weisheit war unter andrem bei Fab, Hy! und baute den Company Builder der Beumer Gruppe, Beam, auf.


FYI: English edition available

Hello my friend, have you been stranded on the German edition of Startbase? At least your browser tells us, that you do not speak German - so maybe you would like to switch to the English edition instead?

Go to English edition

FYI: Deutsche Edition verfügbar

Hallo mein Freund, du befindest dich auf der Englischen Edition der Startbase und laut deinem Browser sprichst du eigentlich auch Deutsch. Magst du die Sprache wechseln?

Deutsche Edition öffnen

Vielleicht auch interessant:

Ähnliche Beiträge