Das sind die familienfreundlichsten deutschen Start-ups

Auf einer neuen Liste der Bewertungsplattform Kununu und des Magazins Freundin stehen auch Start-ups. Wir haben geschaut: Was macht sie so familienfreundlich?

Familienfreundlichkeit wird für deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer wichtiger: Im „Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit“ vom Bundesfamilienministerium und dem Institut der deutschen Wirtschaft aus dem Jahr 2019 gaben 96,1 Prozent der Beschäftigten mit Kindern an, dass ihnen familienfreundliche Maßnahmen im Unternehmen wichtig sind. Dazu gehören zum Beispiel flexible Arbeitszeiten, Elternzeit, Freistellung bei Krankheit der Kinder, betriebliche Kinderbetreuung und Beratungsangebote. Jedoch deckte das Angebot an familienfreundlichen Maßnahmen nur bei 63,5 Prozent der Befragten den tatsächlichen Bedarf.

Auch die Coronapandemie hat gezeigt, dass es bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch viel zu tun gibt. Um Talente anzuziehen,  lohnt es sich für Start-ups, sich damit zu beschäftigen, wie sie familienfreundlicher werden können. Doch wie geht das? Kununu und Freundin haben 1400 Unternehmen aus 30 Branchen auf ihre Familienfreundlichkeit überprüft, wir haben die Liste nach Start-ups durchforstet und stellen euch hier die familienfreundlichsten vor. Je höher aktuelle und ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter  die Arbeitsatmosphäre, die Sozialleistungen, die Work-Life-Balance, das Gehalt, die Gleichberechtigung und die familienfreundlichen Angebote auf Kununu bewerteten, desto höher ist auch die Bewertung im Ranking. 

Auf der Liste trotz Kritik an der Work-Life-Balance: Emma

Emma ist vielen Menschen ein Begriff. Schließlich hat das Frankfurter Start-up im vergangenen Jahr weltweit mehr als vier Millionen Matratzen verkauft. Dennis Schmoltzi und Manuel Müller gründeten das Start-up im Jahr 2015 und beschäftigten mittlerweile über 850 Angestellte. Mit einer Gesamtbewertung von 4,48 von fünf Sternen erreicht Emma den zweiten Platz in der Kategorie „Handel“ im Kununu-Ranking. Startbase hat nachgefragt, was Emma für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Kindern tut - leider blieb die Anfrage unbeantwortet. Auf der Kununu-Seite bestätigten jedoch viele Beschäftigte, dass es flexible Arbeitszeiten und die Option für Homeoffice gäbe. 

Dennoch trügt die Gesamtbewertung etwas. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gaben ohne weitere Bemerkungen fünf Sterne ab. Auffällig ist, dass in keinem Kommentar von den familienfreundlichen Maßnahmen gesprochen wird. In den ausführlichen Bewertungen häuft sich stattdessen Kritik an mangelnder Work-Life-Balance bei dem Matratzen-Start-up – ein Thema, das für ein familienfreundliches Unternehmen essentiell ist. Dazu schreibt ein ehemaliger Angestellter im November 2021: „Vertrauensarbeitszeit bedeutet für manche Kollegen 13h Tage und Wochenendarbeit, viele Kollegen arbeiten auch im Urlaub und bei Krankheit, weil Themen sonst einfach nicht erledigt werden.“ Dennoch gibt es auch Mitarbeitende, die die Work-Life-Balance bei Emma gut bewerten.  „Starke Entwicklungsmöglichkeiten fordern einen dementsprechenden Einsatz; dennoch wird auf einen Ausgleich geachtet, bzw. die Einteilung der Arbeitszeiten ist einem zu großen Teilen selbst überlassen“, so ein PR-Angestellter im September 2020. Auch eine der neuesten Bewertungen aus dem Januar dieses Jahres spricht sich eher positiv aus: „In der aktuellen Situation kann ich sagen, dass meine Balance passt“, schreibt die Person. „Die Covid Situation verzerrt die Bewertung an dieser Stelle, denn aktuell arbeiten sehr viele vermehrt aus dem Homeoffice, was die Work-Life-Balance natürlich verbessert.“ Wie es nach Covid sein würde, könne er jedoch nicht bewerten. So richtig wird aber nicht klar, wieso Emma es auf die Liste der familienfreundlichsten Unternehmen geschafft hat. 

Staffbase: Flexibles Arbeiten und eine 4-Tage-Woche im August

Mit einer Gesamtbewertung von 4,57 von fünf liegt Staffbase auf dem dritten Platz in der Kategorie „Internet“. Schon 2020 belegte das Software-Startup den sechsten Platz im Kununu-Ranking. Die Chemnitzer bieten Apps und Plattformen an, mit denen Unternehmen besser mit ihren Mitarbeitenden kommunizieren können. Vor Kurzem knackte das von Frank Wolf, Lutz Gerlach und Martin Böhringer gegründete Start-up sogar die Eine-Milliarden-Euro-Bewertung und gehört damit zur Riege der deutschen Unicorns. Seit der Gründung im Jahr 2014 hat das Unternehmen stark expandiert und ist neben Chemnitz auch in Köln, Leipzig, Dresden, Berlin, München, New York, Amsterdam und London vertreten.

Doch was macht Staffbase so familienfreundlich? In ihren Bewertungen heben derzeitige Mitarbeitende und ehemalige Angestellte immer wieder einen Punkt hervor: Die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit flexibel einzuteilen und auch im Homeoffice zu arbeiten. Ein Angestellter, der das Unternehmen mit 4,9 von fünf Sternen bewertet hat, lobt die „flexible Arbeitszeit für Eltern“ und die „tolle Ausstattung fürs Homeoffice.“ Ein anderer Angestellter schreibt: “Ich kann jederzeit Pausen einlegen, anfangen und aufhören wie es für mich und meine Teamkollegen passt und wichtige Termine wie Arztbesuche oder Familien Angelegenheiten finden eigentlich immer einen Platz im Kalender.“ Kritische Stimmen gibt es nur wenige auf dem Bewertungsportal. Zum Thema Work-Life-Balance kommentierte ein Ex-Angestellter: „Als Familienmensch musste man sich diese erkämpfen, obwohl die Chefs seltsamerweise selbst Kinder haben.“ Insgesamt schneidet das Start-up in der Kategorie Work-Life-Balance mit 4,6 von fünf Sternen sehr gut ab.

Und welche Vorteile bietet Staffbase seinen Mitarbeitenden noch an? Auf seiner Webseite wirbt das Start-up mit verschiedenen Optionen für Elternzeit. So können Mütter und Väter während der Elternzeit weiter bei Staffbase in Teilzeit arbeiten und sich die Elternzeit flexibel einteilen. An allen Standorten richtet sich die Dauer dabei nach den gesetzlichen Regeln, jedoch bezahlt das Unternehmen überall bis zu zwölf Wochen. Außerdem bietet das Start-up im August standortübergreifend „Feel Good Fridays“ an. Den ganzen Monat über haben die Angestellten Freitags frei – Staffbase bezahlt den vollen Lohn. „Mit diesem dauerhaften Benefit für alle Standorte wollen wir einen Ausgleich zum Arbeitsalltag bieten und mehr Zeit für Familie und Freizeit schaffen“, schreibt Staffbase-Personalleiterin Marie Friedrich. 

Zuschüsse zu den Kinderbetreuungskosten und Vertrauensarbeitszeit bei Kinexon

Kinexon ist schon über seine Start-up-Phase hinaus: Das 2012 in München gegründete Unternehmen skaliert gerade und beschäftigt mittlerweile mehr als 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Gründer Maximilian Schmidt und Oliver Trinchera starteten mit einer Technologie durch, die Bewegungsdaten von Sportlerinnen und Sportler erfassen kann. Nun wagt Kinexon sich auch in die Industrie vor, wie das Scale-up uns hier erzählt hat. Auf dem Kununu-Ranking erreicht Kinexon Platz sechs in der Kategorie “Internet”. Die Gesamtbewertung liegt bei 4,5 von fünf Sternen.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gewährt das Unternehmen Zuschüsse zu den Kinderbetreuungskosten. Auch die Arbeitszeiten sind familienfreundlich: Die Beschäftigten können von Zuhause aus arbeiten und können anfangen und aufhören, wann sie möchten. Das Stichwort, das dabei in den Bewertungen immer wieder fällt und die Geister scheidet, ist die Vertrauensarbeitszeit. “Absolut flexible Arbeitszeiten und Homeoffice sorgen für eine sehr gute Work-Life-Balance”, schreibt ein Angestellter im Februar dieses Jahres und verleiht vier von fünf Sternen für die Work-Life-Balance. “Natürlich gibt es Phasen in denen mehr Arbeit anfällt, jedoch wird das in ruhigeren Phasen honoriert und ausgeglichen.” Auch die nächste Bewertung von einem Beschäftigten mit kleinem Kind spricht sich positiv für die Vertrauensarbeitszeit aus: “Sich mal bei Bedarf einen Tag frei nehmen und die Zeit wann anders wieder reinholen ist gar kein Problem. Wie das letzte Jahr mit Kita usw. gelaufen ist, bin ich echt froh, bei Kinexon gewesen zu sein und die Flexibilität genossen zu haben.” Auch Urlaub könne man ein bis zwei Tage vorher einreichen und keiner würde auch nur annähernd gezwungen, Überstunden zu machen. 

In anderen Bewertungen bemängeln Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dass sie zu wenig Freizeit und zu viele Überstunden machen müssen. “Es wird erwartet, dass man 10 Stunden und mehr am Stück durcharbeitet. Arbeit an Samstagen und Sonntagen werden vorausgesetzt”, steht in einer der neuesten Bewertungen. Kinexon hat auf den Kommentar geantwortet: “Wir setzen hier sehr stark auf die Eigenverantwortung eines jeden Mitarbeiters, der sich seinen Arbeitstag selbst einteilen kann und eher nicht auf Kontrollmechanismen oder harte Arbeitszeitvorgaben.”

Flexible Arbeitszeiten, Überstunden im Vertrieb: Audibene

Ebenfalls auf der Liste steht Audibene. Das Start-up nimmt den siebten Platz in der Kategorie “Medizintechnik” ein und hat einen Kununu-Score von 4,0. Das 2012 von Marco Vietor und Paul Crusius gegründete Berliner Unternehmen betreibt eine Plattform für Hörakustik. Die Audibene-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter informieren und beraten die Kundinnen und Kunden per Telefon bei der Wahl eines Hörgeräts und helfen bei der Krankenkassenabwicklung. Audibenes Partnerunternehmen passen die Geräte dann vor Ort für die Kundinnen und Kunden an. Unter dem Namen “hear.com” ist Audibene inzwischen weltweit aktiv und beschäftigt laut eigenen Angaben 1.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

“Durch flexible Arbeitszeiten, Homeoffice-Möglichkeiten, bezahlte Kinder-Krankheitstage und individuelle Elternzeitmodelle mit flexiblem Wiedereinstieg wollen wir unseren Beitrag leisten und es Mitarbeiter:innen so einfach wie möglich machen, Beruf und Familie zu vereinbaren”, sagt Audibene-Gründer und Geschäftsführer Marco Vietor. Viele der Bewertungen sprechen sich positiv über die Work-Life-Balance aus. So auch dieser Kommentar eines Angestellten aus dem Vertrieb aus dem April dieses Jahres:  “Ich kann mich um die Familie kümmern und gleichzeitig tolle Leistungen bringen aufgrund des flexiblen Systems und Homeoffice.” Andere Bewertungen klingen kritischer. Zum Beispiel diese aus dem Februar 2022: “Es gibt die Möglichkeit flexibel zu arbeiten und auch in den vertraglich festgehaltenen Stunden zu bleiben. Wichtig ist aber zu wissen, dass grundsätzlich der Druck ausgeübt wird mehr zu machen um die ‘Familie nicht hängen zu lassen’”. Mit der Familie ist die Audibene-Familie gemeint - denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschreiben ihren Zusammenhalt immer wieder wie den einer Familie.

Auffällig ist, dass die Kritik zu mangelnder Work-Life-Balance vor allem aus dem Vertrieb kommt. “Man muss mindestens von 9-18 Uhr anwesend sein. Und selbst dann wirst du schief angeschaut wenn du pünktlich gehst - man könnte für die Familie ja mal die Extrameile gehen. Dass zu Hause eine andere Familie wartet ist dabei egal, vor allem im Vertrieb”, lautet eine der negativen Bewertungen. 

Take-Home-Message: Ermöglicht euren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Flexibilität und genug Zeit für die Familie!

Wie unsere Analyse zeigt, gibt es selbst bei den familienfreundlichsten Start-ups noch etwas zu tun. Auffällig war: Besonders bei Vertrauensarbeitszeit-Modellen kritisierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Kindern oft mangelnde Work-Life-Balance. Start-ups sollten ihren Talenten also nicht nur darin vertrauen, dass sie ihre Stunden erfüllen, sondern sich auch darum kümmern, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht viel mehr arbeiten als vereinbart. Schließlich ist Zeit mit der Familie zu verbringen genauso wichtig.


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