„Äpfel oder Bier innerhalb von wenigen Minuten liefern zu lassen, halte ich für verrückt”

Benedikt Stolze will mit Urbify eine faire Logistik etablieren. Im Interview spricht er über die Bedingungen bei manchen Lieferdiensten, wie sein Start-up Fahrer zusätzlich belohnt und warum er eine Verantwortung bei sich sieht. 

Benedikt Stolze wollte eigentlich nie etwas mit Logistik machen. Ursprünglich hat er BWL studiert und sich auf den Bereich Finance konzentriert, landete erst bei Volkswagen, darauf bei Porsche Consulting und darüber im Aufbau von Start-ups. Dann merkte er, dass er doch etwas eigenes gründen wollte und begann mit Urbify einen Logistikdienstleister aufzubauen, der dieses Jahr den zweistelligen Millionenumsatz knacken könnte. Einen zweistelligen Millionenbetrag ist seine Firma mittlerweile wert, erzählt er, ohne Neid auf die Milliardenbewertungen von Gorillas oder Flink. Sie machen das eben etwas anders bei Urbify. 

Herr Stolze, Sie liefern noch am gleichen Tag oder am nächsten. Was unterscheidet sie von dem, was viele unter Quick Commerce verstehen? 

Benedikt Stolze: Wir sind klar positioniert. Instant Delivery wie es die Player im Quick Commerce Bereich machen, gibt es bei uns nicht und trägt meiner Meinung nach auch nicht zu guten Arbeitsbedingungen in der Logistikbranche bei. Offensichtlich scheint es ja dafür einen Markt zu geben, sich Äpfel oder Bier innerhalb von wenigen Minuten liefern zu lassen, aber ich halte das für verrückt. Das Konzept des Quick Commerce ist für mich in dieser Art äußerst fragwürdig. Wir stehen zwar für schnellen, aber effizienten Versand, das heißt, mehrere Pakete werden immer in einem Lieferfahrzeug gebündelt. Damit befinden wir uns sozusagen zwischen dem Quick Commerce und dem klassischen Paketversand.

Aber am selben Tag zu liefern, ist jetzt auch nicht gerade Schneckenpost. Warum überhaupt so schnell liefern? 

Klar, am besten wäre es, wenn alle in ihre Innenstädte gehen würden und dort einkaufen. Das wäre für die Umwelt am besten und für die Logistik sowieso, weil es dort schon bestehende Infrastruktur gibt. Aber die Menschen verlangen eben schnelle Lieferung heute und da ist es mir wichtig, dass wir das anbieten. Wir wollen aber auch aktiv mitgestalten, dafür sorgen, dass auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit geachtet wird. Wir können den Trend nicht umkehren, aber wir können ihn positiv gestalten.

Gorillas ist mehrere Milliarden Euro wert. Wie ist es bei Urbify

Unsere letzte Finanzierunsrunde hat gezeigt, dass wir einen zweistelligen Millionenbetrag wert sind, aber das ist mir völlig egal. Anders als Gorillas oder Flink sind wir profitabel und das nicht schöngerechnet, sondern nach Abzug aller Kosten und Investitionen. Wir wachsen also nachhaltig und sind nicht angewiesen auf Geldgeber, deshalb sind auch unsere Umsätze nicht aufgebläht. Wir nehmen normale Preise und dumpen nicht. Das ist mir lieber so. 

Wie sieht das normale Geschäft aus?

Wir liefern ausschließlich gebündelt, also niemals einzelne Sendungen, und das entweder am nächsten Tag zwischen 16 und 21 Uhr oder am selben Tag in den Abendstunden. Das heißt, unsere Logistiker haben Zeit, die Pakete zu sammeln, zu sortieren und dann mit Hilfe unserer Software möglichst effizient auszuliefern. Dabei achten wir auf gute Arbeitsbedigungen, faire Bezahlung und möglichst wenig Emissionen. Damit unterscheiden wir uns schon von vielen anderen Wettbewerbern.

Haben Sie selbst Fahrer angestellt? 

Nein, wir sind quasi die Spinne im Netz. Wir nehmen Aufträge von großen Firmen wie Rewe, Dunkin Donuts oder Asos an, die uns damit beauftragen, ihre Kunden zu beliefern. Wir haben wiederum ein Partnernetzwerk aufgebaut, die bei uns angeschlossen sind und die die Ware dann ausliefern. 

Wie wollen Sie dann die Arbeitsbedingungen kontrollieren? 

Hierfür haben wir einige Maßnahmen ergriffen, um vernünftige Arbeitsbedingungen sicherstellen zu können. Wir arbeiten beispielsweise nahezu ausschließlich mit PQ-zertifizierten Transportpartnern. Das bedeutet, diese Unternehmen sind unabhängig geprüft und von der DAkkS (Deutsche Akkreditierungsstelle) zertifiziert. Wir machen regelmäßige Audits bei unseren Partnern und wenn es Auffälligkeiten gibt, muss man auch mal sagen: Das passt für uns so leider nicht. Bei diesen Audits sehen wir, dass alle den Mindestlohn zahlen, die meisten sogar ein ganzes Stück mehr. Wenn nun die Erhöhung des Mindestlohns auf 12,50 Euro kommt, dann kommen natürlich neue Kosten auf die Logistiker zu. Da sagen wir dann aber: Wir übernehmen diese Mehrkosten und geben die Preise lieber an unsere Kunden weiter. Wir haben keine Lust da immer weiter zu drücken. Das Gleiche auch bei den Diesel-/Strompreisen, die wir kompensieren, jetzt wo sie so hoch sind. Wir wollen nicht, dass das letzte Glied der Kette darunter leidet und wir wollen den Fahrern sogar etwas zurückgeben, selbst wenn die nicht bei uns angestellt sind. 

Das klingt schön, aber was bedeutet das in der Praxis? 

Wir nennen das „Blue Collar Miles & More“ bei uns und das ist ein Punktesystem für Fahrer. Fahrer, die ihre Routen gut und effizient machen, können sich diese Bonuspunkte erhalten. Das geht beispielsweise, wenn sie es schaffen, alle Pakete auszuliefern oder noch besser, besonders pünktlich auszuliefern. Jeder Punkt entspricht einem geringen geldwerten Betrag und mit ein wenig sparen ist da mal eine Wochenendreise oder teure Technik als Geschenk drin. Die Punkte können dann bei uns eingelöst werden. 

Führt das nicht zur Selbstausbeutung?

Im Gegenteil. Es ist systemseitig geblockt, dass jemand zu viele Stunden arbeitet, nur um an Bonuspunkte zu kommen. Auch reduziert es das Abgeben von Schichten, was in der Branche üblich ist, weil der andere Fahrer einem womöglich den Score kaputt machen würde. 

Vielen Dank für das Gespräch. 

Zur Person: Ben Stolze ist promovierter Betriebswirt und begann seine berufliche Laufbahn in der Automobilindustrie ehe er zuletzt als Unternehmensberater Corporate-Start-ups für Großkonzerne aufbaute. Im Jahr 2020 gründete er Urbify.


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