„Der Trend hin zu mehr Nachhaltigkeit geht gerade erst los“

Sara Stichnote verkauft mit ihrem Start-up Goodgive nachhaltige Geschenkverpackungen. Bisher steckt darin viel Aufwand und noch wenig Ertrag. 

In Sara Stichnotes Welt dreht sich vieles um Nachhaltigkeit. Das fing schon bei ihren Eltern an, die auf Biokleidung setzen und eher im Ökoladen Lebensmittel einkaufen gehen als im Discounter. So erscheint es nur folgerichtig, dass sie bei ihren Start-ups ebenfalls auf Nachhaltigkeit setzt. Stichnote ist Teil des Gründerteams von Good24, einem nachhaltigen Versicherungsmakler. In diesem Interview soll es aber um ihr 2019 gegründetes Unternehmen Goodgive gehen, mit dem sie wiederverwendbare Geschenkverpackungen aus Stoff vertreibt. 

Frau Stichnote, mit Goodgive haben Sie nachhaltige Geschenkverpackungen entwickelt, die Sie vertreiben. Wie haben Sie eigentlich vorher Ihre Geschenke umweltfreundlich eingepackt? 

Ich habe häufiger Handtücher genommen, die ich damit gleich mitgeschenkt habe. Auch kleine Stoffsäckchen, die sich mit einer Kordel zuschnüren lassen, habe ich öfter verwendet. Manchmal habe ich die Geschenke auch gar nicht verpackt. 

Warum sind Sie nicht dabei geblieben und haben stattdessen Goodgive gegründet?

Das mit den Geschenkverpackungen waren bei uns in der Familie immer ein Running Gag. Ich habe das schon in jungen Jahren als Verschwendung empfunden. Alle anderen haben sich bei der Übergabe des Geschenks immer entschuldigt, dass sie gerade doch nichts anderes zur Hand hatten als die übliche, teils umweltschädliche Verpackung. Da wurde mir irgendwann klar: Vielleicht fehlt es ja wirklich nur an einer Alternative. 

Sie haben 2018 an einem Gründerworkshop teilgenommen und 2019 mit Goodgive den Verkauf gestartet, wie lief das?

Ich habe damals ganz alleine gestartet, heute würde ich mir zuerst ein Team suchen. Wer gemeinsam mit anderen gründet, ist viel produktiver. 2019 habe ich dann die ersten 350 Verpackungen nach meinen Vorstellungen produzieren lassen. Die konnte ich im Weihnachtsgeschäft komplett verkaufen. 

Ihre Familie ist seitdem also vollständig mit nachhaltigen Verpackungen ausgerüstet? 

Die ersten Käuferinnen und Käufer hatte ich tatsächlich auf Weihnachtsmärkten. Ich war damals vor allem in Köln unterwegs, auch in Düsseldorf. Zudem hatte ich bereits einen Onlineshop gestartet. Auf einem Weihnachtsmarkt habe ich dann über eine gemeinsame Freundin mit Alex Lange auch noch jemanden gefunden, der mir beim Aufbau meines Start-ups helfen wollte und der gewissermaßen noch Mitgründer geworden ist. 

Nachhaltigkeit ist ein großes Wort, mit dem sich heute viele Unternehmen schmücken. Wie nachhaltig sind denn Ihre Verpackungen? 

Ich denke es gibt immer Verbesserungspotenzial. Ich wollte bei den Stoffen zum Beispiel ein 100-prozentiges Abfallprodukt verwenden. Da gibt es zwar schon erste Ansätze zum Beispiel aus Citrus- oder Milchabfällen, als wir unsere Materialien gesourced haben, waren diese aber noch nicht kooperationsfähig. Deshalb setzen wir aktuell auf bio-zertifizierte Stoffe, aus deutscher Produktion. Hinzu kommt ein recyceltes Geschenkband aus PET, das in Deutschland hergestellt wird.

Wo produzieren Sie ihre Verpackungen? 

Wir haben uns aus dem Sourcing von 350 Werkstätten für insgesamt acht Produktionsstätten entschieden, mit denen wir final zusammenarbeiten. Das sind teilweise auch Werkstätten für angepasstes Arbeiten, Menschen mit Beeinträchtigungen oder Behinderungen. Jede Werkstatt, mit der wir zusammen arbeiten habe ich persönlich kennengelernt.

Das hat sicher viel Zeit gekostet. Wo kommen Ihre Materialien denn her?

Es ist grundsätzlich sehr wichtig bei allen Materialien die Lieferkette zu betrachten, um zu verstehen, wo die Einzelteile herkommen. Bei unseren Stoffen kommt die Baumwolle aus biologisch zertifiziertem Anbau aus Indien, da in Deutschland keine Baumwolle wächst. Das recycelte PET als Rohstoff für unsere Bänder und Garne kommt aus Italien. Aktuell gibt es auf dem Markt keine recycelten PET Bänder oder Garne mit deutschem Rohstoff.

Ihre Verpackungen beinhalten zudem einen QR-Code, wozu dient der?

Wir nutzen ein Biolabel aus den Niederlanden. Wer den Code scannt, kann damit nachverfolgen, wo die Verpackung bereits überall gewesen ist und auch seine eigene Stadt dort hinterlegen. Wir haben ausgerechnet, dass pro Geschenk rund 100 Gramm Abfall produziert werden. Wir können also, von einem statischen Wert ausgehend hochrechnen und damit zeigen, wie viel Müll mit jeder einzelnen Verpackung gespart wird. 

Wie viele Ihrer Kunden scannen ihre Geschenkverpackung aus Stoff denn auch?

Da könnten wir noch an der Kommunikation arbeiten, damit es noch mehr Kundinnen und Kunden nutzen. Aktuell scannen etwa zehn Prozent den Code ihrer Geschenkverpackung.

Mit Marketing scheinen Sie sich ohnehin etwas schwer zu tun. In den sozialen Kanälen werben Sie immer nur zur Weihnachtszeit. 

Ich glaube nicht, dass wir uns damit schwer tun, wir haben aber 2021 das Marketing auf unsere Hauptsaison „die Weihnachtszeit“ fokussiert, da wir Goodgive aktuell als Nebentätigkeit ausführen. Eigentlich wäre es aber wichtig auch unterjährig mehr Marketing zu machen, gerade weil unsere Verpackung so gestaltet ist, dass man sie auch zum Beispiel bei einem Geburtstag oder einer Hochzeit nutzen kann.

Wie viele Verpackungen haben Sie im Jahr 2020 verkauft?

Das waren so bis zu 4.000 Stück. Unsere Produktionskosten sind relativ hoch, das reicht noch lange nicht, um davon zu leben, erst recht nicht, um Mitarbeiter zu bezahlen. Viele Konsumentinnen und Konsumenten sind durch die Gewohnheit von zum Beispiel Fast Fashion Artikeln viel zu günstige Preise gewohnt und es Bedarf einer Aufklärungsarbeit über die tatsächlichen Herstellungs- und Vertriebskosten für nachhaltige Artikel. Was wir in dem Jahr aber dennoch erreicht haben: Wir konnten unsere Marke deutlich bekannter machen – und von unseren Kunden haben wir viel positives Feedback erhalten. Um Goodgive im Haupterwerb führen zu können, müssten wir neben der Geschenkverpackung weitere Produkte entwickeln. Aktuell haben wir uns erstmal dagegen entschieden, was aber nicht heißt, dass wir das in Zukunft nicht nochmal angehen könnten. Wir waren Ende 2020 alle ziemlich ausgebrannt, haben nicht nachproduziert und verkaufen derzeit unsere Lagerbestände, um mit gefüllter Kasse in eine Neuproduktion starten zu können.

Warum haben Sie bisher nicht auf Fremdkapital gesetzt, um ihr Start-up schneller wachsen zu lassen?

Die Höhle der Löwen hatte ganz am Anfang tatsächlich bei uns angefragt. Wir waren aber einfach noch nicht so weit. Später haben wir uns dann doch beworben, da wurden wir aber bisher noch nicht aufgenommen. Unsere Verpackungen sind ein sehr erklärungsbedürftiges Produkt, da Geschenkverpackung aktuell in den meisten Köpfen immer noch als Einwegprodukt verankert ist.

Das klingt alles ziemlich nach Aufgabe. War es das schon mit Goodgive?

Auf keinen Fall! Die Idee einer nachhaltigen Verpackung ist nicht tot. Übrigens erst recht nicht, wenn Einwegverpackungen verboten werden sollten. Ich glaube nach wie vor an das Produkt. Im Übrigen geht der Trend hin zu mehr Nachhaltigkeit ja gerade erst so richtig los. 

Ihre günstigste und damit kleinste Geschenkverpackung kostet aktuell 17,90 Euro und ist laut Beschreibung Ihrer Webseite für einen Tee oder ein Parfüm geeignet. Das klingt sehr teuer.

Ich verstehe total, dass der Preis sehr hoch erscheint. Aber wer ehrlich für sich hochrechnet, wie viel Geld er jährlich für Verpackungen ausgibt, kommt schnell darauf, dass er mit einer unserer wiederverwendbaren nachhaltigen Verpackungen die Kosten schnell wieder amortisiert haben wird. Die Idee ist ja, dass Familien oder Freundeskreise untereinander diese Verpackungen nutzen und so einzelne kleine Kreisläufe entstehen. Damit können sie dann schnell Geld sparen, und zudem etwas für die Umwelt tun. Viele, die bei uns bestellen, machen das gleich in großer Stückzahl, um die Verpackungen unter die Leute zu kriegen. Das freut uns natürlich sehr. 

Vielen Dank für das Gespräch. 

Zur Person: 

Bereits in ihrer Kindheit hat Sara Stichnote von ihren Eltern vorgelebt bekommen, wie wichtig Nachhaltigkeit ist. Als sie 2011 ein Auslandssemester in Kalifornien gemacht hat, fiel ihr auf, dass die USA in einigen Bereichen schon deutlich weiter sind als Deutschland. Plastiktüten waren auf dem Campus zum Beispiel verboten. Stichnote hat trotzdem zuerst etwas anderes gemacht, arbeitete eine Zeit lang als Webproduzentin. 2018 schmiss sie ihren alten Job hin und startete Goodgive. Außerdem ist Stichnote Teil des Gründerteams von Good24. 


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