„Die Leute wollen nicht alles Online kaufen“

Alexa von Bismarck ist Chefin von Adyen Deutschland. Im Interview spricht sie über Wirecard, Händler in der Pandemie und warum Menschen keine Lust haben, nur bei Amazon oder Zalando einzukaufen. 

Das Berliner Büro von Adyen ist in diesen Tagen zum allergrößten Teil leer. Ein paar Plätze hat der Zahlungsdienstleister aus den Niederlanden freigehalten, sollte jemand nicht zu Hause arbeiten können oder wollen. Doch Alexa von Bismarck hat sich ebenfalls im Home-Office eingerichtet.

Frau von Bismarck, wie hat Adyen als Zahlungsdienstleister die Pandemie bisher erlebt?
Alexa von Bismarck: Als Unternehmen sind wir direkt ins Home-Office umgezogen, was schnell ging, weil wir sowieso viel digital arbeiten und die meisten Tätigkeiten von zu Hause erledigen können. Gleichzeitig haben wir versucht, Kunden, beispielsweise aus der Reisebranche, zu unterstützen, die schnell und viel Geld an ihre eigenen Kunden zurückzahlen mussten. Bei Get Your Guide, einem Start-ups aus Berlin, haben wir da schnell geholfen. Wir selbst haben die Krise in den Umsätzen aber nicht gemerkt. 

Woran liegt das?
Der Großteil der Einkäufe hat sich ins Internet verlagert. Die Kunden sind da kompromisslos umgestiegen und das haben die Händler brutal zu spüren bekommen. 50 Prozent der Händler, die mehrere Kanäle hatten, haben bei uns gar keine Umsatzeinbußen gehabt. Das hat sich 1:1 verlagert. Wer aber keinen Internetshop hatte, den hat die Pandemie hart getroffen. Das ist nicht schön für Firmen, aber könnte Deutschland auch helfen. 

Wie meinen Sie das?
Deutschland ist nicht das Land, das damit glänzt, besonders fortschrittlich und digital zu sein. Die Pandemie zwingt den Einzelhandel und generell viele Unternehmen, Prozesse digitaler zu machen. Das könnte in der Bundesrepublik einen Digitalisierungschub auslösen, der uns aufschließen lässt zu anderen Ländern. 

Sind Start-ups im Vorteil, wenn es um die schnelle Verlagerung auf andere Kanäle geht?
In der Krise sind zwei Dinge entscheidend: Resilienz und Flexibilität. Wir haben einige Kunden gesehen, die waren extrem flexibel, gerade große Ketten und Plattformen. Aber in der Regel sind Start-ups dort natürlich im Vorteil, weil sie schneller reagieren können. 

Sie sind eng vernetzt in der Start-up-Welt und haben einige auch als Kunden, wickeln die Zahlungen ab und sind entsprechend gut informiert. Kommen die meisten jungen Firmen gut durch die Krise?
Nicht besser und nicht schlechter als andere Unternehmen, würde ich sagen. Wir haben keine Erhebung dazu durchgeführt, aber ich kenne nicht viele, die „belly up“ waren, also dessen Geschäft komplett ruiniert wurde. Das ist vielleicht ein gutes Zeichen. 

Im Adyen Retail Report haben Sie sich angeschaut, wie sich durch die Pandemie das Einkaufs- und Bezahlverhalten verändert hat. Wird also jetzt alles Online?
Genau das sehen wir nicht. Im Gegenteil: Die Menschen wollen nicht alles Online kaufen. 58 Prozent der deutschen Kunden sehnen sich danach, wieder im Geschäft um die Ecke einzukaufen. In Zukunft wird das Online-Geschäft zwar wachsen, aber nicht dominieren. Vielmehr wollen die Kunden den Mix aus Beidem und die Vorteile aus beiden Welten.  

Machen Sie mal ein Beispiel.
Ich kann beispielsweise meinen Kaffee Online kaufen und im Geschäft Morgens nur noch abholen. Im besten Fall erkennt das Terminal, also die Kasse im Geschäft, meine Kreditkarte und sagt: ‘Hey, du warst jetzt fünf Mal da, dieser Kaffee geht aufs Haus’. Oder auch bei Schuhen: Einer unserer Kunden hat einen Online-Shop, bei dem man sich die die Schuhe in den Store liefern lassen kann, um sie dort bei einer Runde Basketball zu testen. Solche Hybridmodelle sind wichtig und Läden bleiben deshalb ein hoch relevanter Berührungspunkt, um die Kunden abzuholen. Eine enge Verzahnung aus Online und Offline ist elementar, um die Loyalität der Kunden zu gewinnen und zu stärken.

Loyalitätskarten haben die meisten Menschen. Was ist daran neu?
Das geht darüber hinaus. Händler müssen wissen, was der Kunde Online und was er Offline einkauft. Nur dann können Sie beispielsweise entscheiden, ob der Kunde das nächste Mal einen Online-Gutschein bekommen soll, weil er auf diesem Kanal vielleicht mehr Geld ausgibt. Ohne solch ein Wissen ist es schwierig, ein Erlebnis zu bieten. 

Das beeinflusst auch, wie wir bezahlen werden. Stirbt das Bargeld aus?
Meine Daumen sind gedrückt (lacht). Aber ernsthaft: Wir sehen, dass viel mehr Menschen kontaktlos bezahlen, die etwas älteren mit Kreditkarten und die jüngeren auch mit Wallets, also ApplePay, GooglePay oder Paypal. Das Angebot wird auch besser. Sogar der Bäcker bei uns gegenüber vom Büro bietet jetzt Kartenzahlung an. Sterben wird das Bargeld wahrscheinlich nicht, aber es wird weniger. 

Unabhängig von der Pandemie wurde die Branche der Zahlungsdienstleister zuletzt auch durch den Wirecard-Skandal erschüttert. Mussten Sie in letzter Zeit oft erklären, dass Sie keine Betrüger sind?
Die witzigste Reaktion kam von Freunden meiner Schwiegermutter, die sowas sagten wie: Och, das ist ja schlimm, wo die Alexa doch bei Wirecard ist. Wir mussten das dann mal schnell aufklären. Ansonsten verstehen die allermeisten, dass Wirecard ein einzigartiger Betrug war und wir als Zahlungsdienstleister damit nichts zu tun haben. 

Haben Sie als Konkurrent von der Insolvenz profitiert?
Eher nicht. Ich muss zunächst sagen, dass wir eine solche Insolvenz schlimm finden. Das ist für die Mitarbeiter und für den Ruf der Branche nicht gut. Natürlich haben wir bei ein oder zwei Deals einen Wettbewerber weniger gesehen in den vergangenen Monaten. Aber Wirecard hat sich in anderen Industrien bewegt und auch die Bewerbungen von ehemaligen Mitarbeitern sind zum Großteil ausgeblieben. Wir haben das Ganze also mehr auf Medienebene verfolgt und weniger auf einer kommerziellen. 

Vielen Dank.

Zur Person: Alexa von Bismarck hat ihren Abschluss als Diplomkauffrau in Berlin gemacht, dann in verschiedenen Unternehmen gearbeitet, bevor sie 2013 die erste Mitarbeiterin von Adyen in Deutschland wurde. Dort startete sie als Account Managerin, bevor sie 2018 zur Deutschland-Chefin des niederländischen Zahlungsdienstleisters befördert wurde. Mittlerweile führt sie dort mehr als 30 Mitarbeiter. Sie ist 38 Jahre alt. 


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