„Die Server sind in den ersten Minuten abgerauscht“

Das Fintech Tomorrow hat innerhalb von nur fünf Stunden rund drei Millionen Euro von seinen Kunden eingesammelt. Im Interview erklärt Gründer Michael Schweikart, was sich das Start-up davon verspricht, ob Venture Capital damit überflüssig wird und warum es um weit mehr als nur Geld ging. 

Herr Schweikart, Sie haben in Ihrer Fundingrunde im November 2020 nicht nur Geld von professionellen Investoren eingesammelt, sondern auch von Kunden ihrer Bank. Hat es an professionellen Geldgebern gefehlt? 

Auf keinen Fall. Nun liegt auch das Geld aus dem Bereich Venture Capital nicht auf der Straße, aber wir hätte uns gut und gerne eine Finanzierung von rein professionellen Investoren holen können. Die Runde auch für Privatinvestoren zu öffnen, war also keinesfalls eine Entscheidung aus der Not. 

Professionelle Investoren bringen mehr mit als nur Geld. Missen Sie nicht einige Vorteile? 

Der Vorteil an professionellen Investoren ist relativ leicht ausgemacht. Sie bringen Geld mit, klar, und dazu auch ein Netzwerk und Fachwissen. Ein solches Investment bringt einem Start-up wie uns also Renommee und gute Kontakte. All das haben wir aber bereits durch die Series A gehabt. Wir sind froh, dass unsere Bestandsinvestoren mitgezogen sind, wollten aber in dieser Zwischenrunde auch die Menschen beteiligen und an Bord holen, die uns tagtäglich begleiten. Sie sind investiert – im wahrsten Sinne des Wortes.

Das ist in Deutschland nicht so einfach, wenn man keine Aktiengesellschaft ist. 

In der Tat gibt es in Deutschland keine digitalen Anteile oder digitalen Beteiligungen an GmbHs, weshalb wir lange überlegt haben, wie wir die privaten Investoren trotzdem so beteiligen können, dass sie die gleichen Rechte wie andere Gesellschafter haben. Wandelanleihen fielen für uns raus, weil die Menschen dort nur Zinsen bekommen, aber nichts verdienen, wenn die Firma mal an die Börse geht oder verkauft wird. 

Wie hoch war der Andrang? 

Die Server sind in den ersten Minuten abgerauscht, so viele Menschen wollten investieren. Wir haben also die ersten zwei Stunden damit verbracht, das zu fixen. Nach zwei weiteren Stunden hatten wir zwei Millionen Euro eingesammelt, also eigentlich unser Ziel. Aber weil noch so viele Anfragen offen waren, haben wir die Grenze auf drei Millionen gesetzt. Nach insgesamt fünf Stunden waren alle drei Millionen Euro vergeben, dabei waren wir eigentlich noch im Pre-Sale für Kundinnen und Kunden von Tomorrow. 

Was bekommen die Investoren für drei Millionen Euro?

Die Runde war mit 50 Millionen Euro bewertet. Das heißt, den 2.000 Investoren gehören grob überschlagen sechs Prozent der Firma. Das ist schön des Geldes wegen, keine Frage. Aber das ist natürlich auch ein riesiger Schatz, den wir heben wollen. 

Welcher Schatz soll das sein?

Diese 2.000 Investoren sind für uns wie Botschafter. Wir hatten schon vorher eine Kerngruppe, die uns tagtäglich mit Feedback überhäuft hat, was uns sehr hilft. Durch ihr Investment sind sie nun noch viel engagierter, werden uns empfehlen und womöglich auch gegen Kritik verteidigen. Gleichzeitig können wir von ihnen lernen, weil das alles Menschen sind, die Tomorrow sehr schätzen. Welches Feature soll kommen? Was läuft schief aktuell? Wie ist die Lage im Unternehmen, wie die Zahlen? Diese Frage wollen wir offen diskutieren, in digitalen Townhall-Meetings und auch über ein Trello-Board, in dem die Nutzer aktuelle Pläne kommentieren können. Wir schaffen uns damit eine loyale Fanbasis, was neben dem eingesammelten Geld ein großer Pluspunkt ist. 

Auch N26 hatte eine große Fangemeinde, von der in letzter Zeit aber jedoch oft Kritik kommt. Haben Sie Angst, dass die enge Bindung auch Nachteile mit sich bringt? 

N26 ist sehr erfolgreich gewachsen, weil sie anfangs gute Produkte hatten und die Menschen davon begeistern konnten. Doch die Kommunikation war oft in eine Richtung, nur vom Unternehmen zur „Community“. Wir wollen darauf achten, dass die Kommunikation in beide Richtung funktioniert, wir also neue Produkte vorstellen, aber auch Feedback von unseren privaten Investoren mitnehmen. 

So ein Start-up-Investment ist bestimmt für viele Menschen verlockend, weil es nach großem Geld klingt. Dabei geht damit auch ein großes Risiko ein. Wissen die 2.000 Investoren auf was sie sich da eingelassen haben?

Wir haben das sehr doll diskutiert, teils auch kontrovers. Natürlich ist das ein Hochrisikoinvestment und das Geld kann jederzeit weg sein. Die Zeichen sehen nicht danach aus und wir glauben das auch nicht, aber die Möglichkeit besteht. Genau das haben wir auch unseren Investoren oft gesagt, bei digitalen Konferenzen im Vorfeld und auch während des Prozess. An vielen Stellen gab es Disclaimer und auf der Crowdfunding-Plattform, die wir genutzt haben, mussten die Investoren mehr als 15 Häkchen klicken, von denen viele auf einen möglichen Verlust hingewiesen haben. Das war uns wichtig. Am Ende des Tages ist das eine Verantwortung, mit der wir leben und schlafen müssen. 

Nachdem sich der erste Staub gelegt hat. Werden Sie eine solche hybride Finanzierung wiederholen? 

Ich glaube, es ist kein Geheimnis, wenn ich das bejahe. Das ‘Wann’ und ‘Wie’ müssen wir noch klären, aber es wird auch eine zweite Runde dieser Hybridform geben. Vielleicht gibt es aber vor uns noch andere Start-ups, die es uns nachmachen, was uns freuen würde. Wir sehen uns da als Vorbild und haben auch gezeigt, dass es nicht nur die eine Möglichkeit der Finanzierung gibt. Das soll jetzt keine Kampfansage an die VC-Branche sein, aber es gibt offenbar auch andere Wege an Geld zu kommen für junge Firmen. 

Vielen Dank für das Gespräch. 

Zur Person: Michael Schweikart (39) ist Mitgründer des nachhaltigen Banking-Anbieters Tomorrow. Zuvor war er CEO bei MigrantHire und Jobs 4 refugees. Die beiden gemeinnützigen Organisationen erleichtern Geflüchteten mittels einer Online-Plattform den Einstieg in den Arbeitsmarkt. Vorher war Schweikart als Wirtschaftsingenieur „Corporate Finance Consultant“ bei der Unternehmensberatung „Concentro Management AG“ tätig.


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