„Wir sind kein Vitamin, sondern Medizin“

Viktoria Lindner will mit ihrem Start-up Mindsurance Unternehmen dabei helfen, die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu verbessern und präventiv zu stärken. Im Interview erklärt sie, wie das funktionieren soll – und warum es gefährlich sei, das Thema zu unterschätzen.

Drei Jahre nach der Gründung ihres ersten Start-Ups Driveimpact, eines Marktplatzes zur Vermittlung von HR-Freiberuflern, möchte sich Lindner ihrer großen Passion, der mentalen Gesundheit widmen und gründete zum zweiten Mal. Mit Mindsurance beginnt sie noch einmal von vorne und würde es jederzeit wieder tun.

Frau Lindner, wieso haben Sie Mindsurance gegründet?

Ich habe Psychologie studiert, habe also einen psychologischen Background. Schon während des Studiums merkte ich, dass ich eine Passion für das Thema Mental Health habe. Durch Corona und die Auswirkungen der Pandemie in meinem Umfeld habe ich gesehen, wie wichtig das Thema ist und wie wenig darüber gesprochen wird und noch viel mehr, wie wenig für die mentale Gesundheit getan wird.

Was möchten Sie mit Mindsurance erreichen?

Unsere Vision ist es, eine Platform mit einer qualifizierten Auswahl an Angeboten zu schaffen, die Unternehmen dabei hilft, die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu verbessern. Mit Mindsurance wollen wir eine digitale Praxiserfahrung anbieten, die Nutzer willkommen heißt, wo ihnen zugehört wird, sie leicht die passenden Angebote finden und dann direkt loslegen können

Was unterscheidet Mindsurance von anderen Anbietern?

Es gibt sehr gute Anbieter im B2C-Bereich, denen fehlt aber der Kontakt zum B2B. Wir haben eine Lösung, mit der wir Nischen-Angeboten sowohl auf Anbieter- als auch auf Verbraucherseite eine Plattform geben und den Kontakt zu Mitarbeitenden von Unternehmen herstellen. Alle unsere Angebote kommen von Herstellern, die die Wirksamkeit ihrer Produkte im Rahmen von Studien belegen konnten. Auch unterscheidet uns die Vielfalt und Diversität an Angeboten, von der Nische bis zu verbreiteten Problemen. Unser Matching-Prinzip die Aufklärungsarbeit, die wir hierbei leisten, sind äußerst relevant, es macht uns einzigartig.

Startseite von Mindsurance (Foto: Mindsurance)

Wie hat sich die Einstellung zu psychologischen Angeboten während der Pandemie verändert?

Seit Beginn der Pandemie nehmen wir eine sehr starke Veränderung wahr. Unternehmen sehen Mental Health nicht mehr als Thema an, das sich mit Yoga in der Mittagspause abspeisen lässt, sondern haben verstanden, dass dazu eine Strategie im gesamten Unternehmen gehört. Corona und jetzt auch der Ukrainekrieg heben extrem hervor, welche Auswirkungen solche Ausnahmesituationen auf die mentale Gesundheit haben können.

Sind Sie selbst als Psychologin bei Mindsurance aktiv? Immerhin haben Sie das ja studiert.

Bei Mindsurance bin ich nicht als Psychologin tätig, sondern mit meinem Team im Sales- und B2B-Bereich. Zu meinen täglichen Aufgaben zählt alles rund um Kundenakquise, Aufbau von Kundenbeziehungen, Marketing und Markenaufbau. In den Gesprächen mit Unternehmen und Partnern ist es aber natürlich immer von Vorteil vom Fach zu sein, und zu wissen, worüber man spricht.

Was machen Sie mit den Erkenntnissen, die Sie über all die Menschen gewinnen?

Beispielhafter Mental-Health-Index (Foto: Mindsurance)

Auf der persönlichen Seite ist bei uns alles anonymisiert. Die Kunden sollen und können uns vollkommen vertrauen. Das Einzige, das wir erfassen, ist die Aktivität und welche Themen am häufigsten aufgetreten sind. Auf Basis dessen erstellen wir einen Mental-Health-Index, das ist eine Meta-Analyse der mentalen Gesundheit der Mitarbeitenden und welche Themen sie beschäftigen. Unsere Customer-Care-Spezialisten setzten sich dann auch mit den HR-Teams der Unternehmen zusammen und entwickeln gemeinsam Workshops und Module, um Mitarbeitende noch besser zu unterstützen. Wir lösen Probleme nicht nur auf Individualebene sondern auch auf Teamebene.

Welche Probleme sind unter den Mitarbeitern am meisten vertreten?

Stress ist weit oben im Ranking. Das Thema Isolation und Einsamkeit war durch Corona und die Wintermonate wieder sehr präsent. Und viele beschäftigen auch Beziehungsthemen. FOMO („Fear of missing out“) war wir in letzter Zeit auch stark vertreten, denn während des Lockdowns hatten viele das Gefühl etwas zu verpassen, das sie jetzt nachholen wollen.

Wo möchten Sie mit Mindsurance in fünf Jahren stehen?

Unsere Vision ist es, eine Online Mental-Health-Praxis zu sein, bei der jeder einfachen Zugang und Hilfe bekommen und dauerhaft an seiner mentalen Gesundheit arbeiten kann - am besten schon präventiv und nicht erst, wenn die Beschwerden akut werden und es schwer ist, wieder rauszukommen. Unser Ziel ist es, europaweit eine Anlaufstelle für Menschen mit verschiedenen mentalen Herausforderungen und Bedürfnissen zu sein. Auch wollen wir unser Angebot auf Familienangehörige ausweiten, weil wir merken, dass sehr häufig eine Person indirekt durch das Mental-Health-Problem einer nahestehenden Person betroffen ist.

Was war die größte Herausforderung bei der Gründung?

Aufmerksamkeit für das Thema Mental Health zu schaffen, war für uns ein großes Thema. Es ist immer noch sehr stigmatisiert. Wir müssen noch viel Aufklärungsarbeit in Unternehmen leisten und ihnen verständlich machen, dass wir kein Vitamin, sondern Medizin sind und mentale Probleme real sind. Auch der Teamaufbau war am Anfang nicht einfach. Das Team ist unglaublich wichtig und gerade die frühen Mitarbeitenden prägen die Unternehmenskultur signifikant.

Was ist ihr größtes Learning aus der Zeit des Gründens?

Es gibt Millionen von Büchern zur Start-up-Gründung, aber es gibt keins, das sich für jedes Unternehmen anwenden lässt. Man kann nicht einfach von anderen Unternehmen kopieren und es gibt kein Template, dass einem vorgibt was man machen soll. Gründen bedeutet, viel auszuprobieren. Einige Dinge klappen, andere nicht. Es ist ein bisschen wie Schiffe versenken, irgendwann wird klar, wo die Schiffe liegen. Für mich persönlich waren die Unterschiede zwischen Bootstrap- und Venture Capital Finanzierung ein weiteres wichtiges Learning. Beim Bootstrap kann man sich mehr Zeit lassen und hat weniger Druck. Bei einer Finanzierung mit Venture Capital hat man einen Art Deadline, bis wann bestimmte Dinge geschafft sein müssen, es entsteht also Zeitdruck.

Vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person: Viktoria Lindner, studierte Psychologin, hat nach Driveimpact innerhalb von drei Jahren mit Mindsurance ihr zweites Start-up gegründet. 


Like it? Please spread the word:

FYI: English edition available

Hello my friend, have you been stranded on the German edition of Startbase? At least your browser tells us, that you do not speak German - so maybe you would like to switch to the English edition instead?

Go to English edition

FYI: Deutsche Edition verfügbar

Hallo mein Freund, du befindest dich auf der Englischen Edition der Startbase und laut deinem Browser sprichst du eigentlich auch Deutsch. Magst du die Sprache wechseln?

Deutsche Edition öffnen

Ähnliche Beiträge