„Die Großen haben Anwälte, die Kleinen haben Hoffnung"

Auf die deutsche Wirtschaft könnte bald eine Insolvenzwelle zurollen, auch, weil viele Unternehmen Frühindikatoren ignorieren. Ein Fintech aus Worms will Firmen dabei helfen, Schieflagen schon zu erkennen, bevor diese akut werden.

Frank Horvaths und Werner Königs Idee klingt im ersten Moment ein bisschen wie ein SAP light. Im Herbst 2020 sind sie mit ihrer App Finanzgeek an den Markt gegangen, einem Tool, dass es vor allem Kleinunternehmen ermöglichen soll, ihre Finanzen, ihre Buchhaltung und ihr Projektmanagement zentral zu verwalten.

Doch was Horvath und König sich ausgedacht haben, soll weit mehr sein als nur ein weiteres Management-Tool. Ihre App soll drohende Insolvenzen so frühzeitig erkennen und anzeigen, dass Firmen noch gegensteuern können – eine Funktion, mit der sie wohl genau zur richtigen Zeit kommen.

Das Institut der deutschen Wirtschaft sah im März diesen Jahres rund 5.000 sogenannte Zombiefirmen in Deutschland, also Unternehmen, die nur noch nicht offiziell pleite sind, auch weil sie auf Grund der Coronakrise keine Insolvenz beantragen müssen. Vor allem bei kleinen Unternehmen und Einzelunternehmern droht laut dem Institut eine verzögerte Welle, lagen die Insolvenzen 2020 bei ihnen doch satte 29 Prozent unter dem Vorjahr. 

Sowohl Horvath als auch König sind erfahrene Unternehmensberater, Horvath für den Bereich Daten und Restrukturierung, König im Bereich Software. Die beiden sind seit Herbst mit ihrer App Finanzgeek am Markt, einem Tool, dass es vor allem Kleinunternehmen ermöglichen soll, ihre Finanzen, ihre Buchhaltung und ihr Projektmanagement zentral zu verwalten. „Wir zielen vor allem auf Firmen mit bis zu 49 Mitarbeitern, also zum Beispiel Handwerks- oder Reinigungsbetriebe“, sagt Horvath. Denn gerade Unternehmen dieser Größe seien oft nicht sehr digitalisiert und wenn, würden sie sehr viele verschiedene Lösungen nutzen. „Wir wollen für die ein One-Stop-Shop werden“, so Horvath. 

Der besondere Dreh an Finanzgeek ist aber der Smartguide: Das Werkzeug, das Unternehmen frühzeitig warnt, wenn sich Schwierigkeiten abzeichnen: „Ich habe 17 Jahre lang Daten von Insolvenzen analysiert, die Frühindikatoren für eine solche sind eigentlich immer die Gleichen“, erklärt Horvath. Oft gebe es erste Anzeichen schon Jahre vor der eigentlichen Insolvenz, entsprechend könne man auch rechtzeitig gegenlenken, wenn diese Zeichen erkannt werden. 

Finanzgeek setzt dafür auf Künstliche Intelligenz, die diverse Zahlen sammelt und diese in einer Risikogewichtung analysiert. Welche Zahlen wichtig sind, das unterscheide sich von Branche zu Branche, meint Horvath: „Beim Einzelhandel ist es zum Beispiel der Umsatz pro Quadratmeter, andernorts eher das Verhältnis von Produktivität zu Wareneinsatz.“ Auch die Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit spiele eine Rolle.
Er ist davon überzeugt, dass gerade kleine Firmen ein solches Frühwarnsystem gebrauchen können, da ihnen oft die professionelle Beratung fehle, die große Konzerne haben: „Die Großen haben Anwälte und Steuerberater, die Kleinen haben vor allem Hoffnung.“ 

Die Idee trug Horvath lange mit sich herum, am Ende war es eine lange Autofahrt mit seinem Mitgründer, die die Initialzündung gab. „Werner König und ich sind Nachbarn, wir wollten beide zu einer Blockchain-Konferenz nach Freiburg“, erinnert er sich: „Da habe ich ihm die Idee geschildert, er war sofort dabei.“ Anfangs habe man noch zwei Developer im Boot gehabt, die seien allerdings zwischenzeitlich ausgestiegen, nach Horvaths Erinnerung völlig überraschend: „Da standen wir plötzlich vor vollendeten Tatsachen und haben schon kurz überlegt, ob wir weitermachen.“ Am Ende beendeten die zwei das Projekt dann trotzdem, ohne die ursprünglichen Partner und auch ohne Fremdfinanzierung. Lediglich eigenes Geld floss in die Gründung.

Die Finanzgeek-App ist kostenlos, zeitnah soll aber auch eine Desktopversion dazukommen, die dann nach dem Freemium-Modell funktioniert: Prinzipiell kostenlos nutzbar, doch wer alle Funktionen der KI haben will, der muss ein Abo abschließen. Aktuell plane man mit drei Stufen, zwischen 9,99 Euro und 29,99 Euro pro Monat, so Horvath. Ob sie damit zeitnah das Ziel Profitabilität anstreben oder ob Finanzgeek doch erst einmal wachsen möchte, da ist er sich noch nicht sicher. „Wir sprechen aktuell mit Investoren. Wenn da einer sagen würde: ‚Wachst erstmal, Gewinn ist mir nicht so wichtig‛, dann fänden wir das schon gut.“ 

Bis Ende des Jahres will Horvath das Finanzgeek-Angebot um weitere Tools erweitern. Und auch wenn der Gründer sich sehr bemüht, nicht als Krisenprofiteur dazustehen, so ist er sich doch sicher, dass die Auswirkungen der Pandemie viele Unternehmen zu seinen Kunden machen werden. Gerade, weil Finanzgeek an und für sich günstig sei: „Da greifen Unternehmen in Krisenzeiten gerne drauf zurück.“ 


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