Das steckt hinter dem Hype um Start-ups wie Re:cap

Die jungen Unternehmen wollen wiederkehrende Umsätze bei Firmen vorfinanzieren. Inspiriert ist der Trend von Pipe.com. Die Idee dürfte nur ein Sprungbrett für ganz andere Geschäftsmodelle sein. 

Ob Netflix, Amazon Prime oder Adobe: Moderne Unternehmen wollen den Menschen nicht einmal etwas verkaufen, sondern am liebsten immer wieder, jede Woche, jeden Monat, jedes Jahr. Es ist ein Trend, der gerade im Software-Bereich schon länger anhält und bei dem findige Start-ups nun eine neuen Weg gefunden haben wollen, davon zu profitieren. Darunter sind Namen wie Vitt, Re:cap oder auch Pipe.com, die von Investoren mit Millionen Euro hofiert werden. 

Große Unternehmen wie die Telekom finanzieren solche monatlichen Zahlungen schon lange über Banken vor, um früh das Geld zu haben, was sonst erst über zwölf Monate einlaufen würde. Bei solchen Deals geht es dann meist um eine Größenordnung von 100 Millionen Euro oder mehr. Nur wollen auch die kleinen Unternehmen ganz modern sein, der Passwortmanager 1Password beispielsweise. Nur haben genau die es nicht so leicht, weil ihr monatlich wiederkehrender Umsatz gering ist, sich aber trotzdem über viele Monate oder Jahre streckt. Das macht es schwierig, früh genug Geld für die Expansion zusammenzukratzen und beispielsweise in neue Märkte zu gehen oder groß Werbung zu schalten. 

Re:cap hat bereits einen dreistelligen Millionenbetrag an Eigen- und Fremdkapital eingesammelt

An dieser Stelle nun kommen Start-ups wie Re:cap, Vitt oder in den USA auch Pipe.com zum Zug. Sie heften sich an die Fersen von Unternehmen mit monatlich oder jährlich wiederkehrenden Umsätzen, im Englischen abgekürzt als ARR (Annual Recurring Revenue) oder MRR (Monthly Recurring Revenue). Sie verbuchen und finanzieren ihnen diese jährlichen oder monatlichen Umsätze über ein längeren Zeit im Voraus. Statt also jeden Monat ein paar Euro zu bekommen, erhalten die Firmen einen Großteil des Betrags sofort – natürlich abzüglich einer Gebühr von etwa fünf bis 15 Prozent, den die Finanzierungslösungen wie Re:cap oder Vitt sich davon abzwacken. 

Das Berliner Start-up Re:cap ist der bisher wichtigste deutsche Anbieter und konzentriert sich aktuell auf Software-as-a-Service-Unternehmen (SaaS). Gegründet haben das Start-up vor einigen Monaten Paul Becker und Jonas Tebbe, die in der Vergangenheit den Robo-Advisor Liqid mit aufgebaut haben. Dass die beiden Gründer dazu ein Start-up aus den USA kopiert haben, stört Investoren hierzulande bisher offenbar nicht: Bereits nach kurzer Zeit haben sie die ersten 1,25 Millionen Euro in einer Pre-Seed-Runde bekommen, um nur wenig später weitere 100 Millionen Euro in einer Seedrunde einzusammeln – zusammengesetzt aus Fremd- wie Eigenkapital.

Die Höhe der zweiten Runde ist dabei keinesfalls ungewöhnlich, so sehr gehyped ist das Feld aktuell. Das Start-up Vitt mit Sitzen in Berlin und London hat kürzlich in einer Pre-Seed-Runde rund 15 Millionen US-Dollar eingesammelt und US-Pionier Pipe.com hat es in wenigen Monaten zu einer Bewertung von rund zwei Milliarden US-Dollar gebracht. Die Funding Plattform Hum Capital schätzt das Volumen des weltweiten Marktes für das Jahr 2027 auf 43 Milliarden US-Dollar – eine krasse Steigerung gegenüber den rund 900 Millionen Euro, auf die man die Marktgröße im Jahr 2019 noch taxierte.

Inspiriert ist der Trend von Pipe.com

Es ist ein gewaltiger Markt, in den Becker und Tebbe eintauchen. Dabei wollten sie bei Re:cap eigentlich etwas ganz anderes machen, wie Paul Becker im Gespräch mit Startbase verrät. Ursprünglich saßen er und Mitgründer Tebbe an einer Due Diligence für Private-Equity-Investoren und kamen eher zufällig auf ihr aktuelles Produkt. Dass es von Pipe.com inspiriert ist, stört Becker nicht.

Nach einigen Monaten des Aufbaus wird Re:cap in den nächsten Tagen die ersten Transaktionen vollziehen, fokussieren wollen sie sich auf Unternehmen, die einen ARR von 0,5 bis 15 Millionen Euro erwirtschaften. Diesen wollen sie dann zu zehn bis 50 Prozent vorfinanzieren. 

Um die richtigen Unternehmen zu finden, haben Becker, Tebbe und ihr Team eine Schnittstelle gebaut, mit welcher sie Zugriff auf die wichtigsten Daten eines Unternehmens bekommen, beispielsweise die aktuellen Buchungen auf den Geschäftskonten. Diese anonymisieren sie und errechnen daraus eine Scorecard, also eine Bewertungstafel, die intern aus 25 Faktoren besteht und dem Kunden später in Schulnoten von A bis F präsentiert wird. Daraus ergibt sich, ob sie eine Finanzierung aufgrund der aktuellen finanziellen und geschäftlichen Lage für sinnvoll halten und falls ja, zu welchen Bedingungen. Im Prinzip entscheiden sie bei Re:cap also über die Finanzierungswürdigkeit eines Unternehmens – ähnlich wie die Schufa es bei Verbrauchern macht, nur wesentlich transparenter. 

Die Recap-Gründer Paul Becker (l.) und Jonas Tebbe. (Foto: Recap)

Kurzfristig will Becker zunächst mit der Finanzierungsplattform sein Geld verdienen, langfristig aber wollen sie bei Re:cap die gewonnenen Daten nutzen und damit neue Geschäftsmodelle hochziehen. Eine Möglichkeit zur Monetarisierung: Am Ende des Prozesses mit den Unternehmen die einzelnen Kennzahlen zu diskutieren und zu erläutern, wo gegebenenfalls Schwachstellen liegen, die es auszubessern gilt, wenn das Unternehmen künftig eine günstige Finanzierung haben will. Auch dabei zu helfen, eine passende Lösung für die Finanzprobleme von Unternehmen zu finden, könne einen Mehrwert schaffen – und für Re:cap und andere die Kassen klingeln lassen.


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