Warum Deutschland Gründer mit Migrationshintergrund stärker fördern sollte

Gründer mit Einwanderungsbiografie haben es hierzulande immer noch schwer. Dabei bringen sie vieles mit, was die deutsche Start-up-Landschaft bereichern würde.

Nehmen wir den großen Gründer-Erfolgsgeschichten der vergangenen Jahre. Da war zunächst Biontech: Das Biotech-Start-up aus Mainz schaffte als erstes westliches Unternehmen die Entwicklung eines zugelassenen mRNA-Corona-Impfstoffes, das Gründerpaar Ugur Sahin und Özlem Türeci wurde daraufhin mit Preisen überhäuft. Nicht mit Auszeichnungen, aber mit viel Geld bedacht wurde Kagan Sümer überschüttet, der seinen Lebensmittellieferdienst Gorillas in kürzester Zeit hochskalierte. Und Delivery Hero war das erste (ehemalige) Start-up, dass es zumindest vorübergehend in den Dax schaffte, angeführt von Niklas Östberg.

All diese Gründer haben etwas gemeinsam: den Migrationshintergrund, wahlweise in den vorherigen Generationen wie Sahin, Türeci und Sümer, oder persönlich, so wie der Schwede Östberg. Diese Beispiele zeigen: Gründer mit Migrationshintergrund sind in der deutschen Start-up-Szene nicht nur präsent, sie sind auch ausgesprochen erfolgreich.

Kann die Branche hier also als Vorbild für den Rest der deutschen Wirtschaft dienen, in dem es solche Persönlichkeiten immer noch oft schwer haben, nach ganz oben aufzusteigen? Ganz so einfach ist es leider nicht. Denn tatsächlich gibt es auch hier noch einiges aufzuholen. 21,5 Prozent der Gründer in Deutschland haben einen Migrationshintergrund, wie der Bundesverband Deutsche Startups in seinem Migrant Founders Report 2022 herausfand, den die Organisation gemeinsam mit der Friedrich-Naumann-Stiftung veröffentlichte. Ein respektabler Wert. Allerdings liegt er immer noch unterhalb der 26 Prozent, die in der Gesamtbevölkerung laut Statistischem Bundesamt einen Migrationshintergrund haben.

Alexander Hirschfeld, Leiter Research beim Startup-Verband, hat drei Probleme ausgemacht, die Gründern mit Migrationshintergrund das Leben in Deutschland noch schwer machen, vor allem solchen, die selbst hierhin immigriert sind. „Die erste Barriere ist die sprachliche, das ist denke ich selbsterklärend“, sagt er: „Dazu kommen zweitens bürokratische Hürden und drittens fehlende Netzwerke.“ Mit bürokratischen Hürden meint er etwa die Beschaffung einer Arbeitserlaubnis oder die Beantragung von Fördergeldern. „Das ist überwiegend nur auf Deutsch möglich, was Menschen, die hierher kommen und gründen wollen, natürlich ausbremst“, erklärt er. Die fehlenden Netzwerke wiederum schlugen sich direkt im Funding der Start-ups von Migrant Founders nieder. „15 Prozent von ihnen haben laut unserer Erhebung Wagniskapital bekommen, im Gegensatz zu 20 Prozent der Start-ups insgesamt“, sagt Hirschfeld.

Durch solche Hürden versäumt es Deutschland, das große Potenzial zu heben, das in dieser Community schlummert. Gründer mit Migrationshintergrund haben nicht nur einen höheren Akademikeranteil, sie sind auch  deutlich risikofreudiger als ihre Gegenparts ohne. Sie wollen eher mit Wagniskapital arbeiten und sie haben ambitioniertere Ziele, was die Exit-Höhe angeht, wie der Migrant Founders Report feststellt. Und sie werben in der Regel ihre Arbeitskräfte auch internationaler an als andere Gründer. Rund 50 Prozent kommen im Schnitt aus dem Ausland. Der potenzielle Talentpool für Unternehmen von Migrant Founders ist also größer, die Chance auf hochqualifizierte Fachkräfte höher.

Gerade angehende Gründer, die auf der Suche nach einem möglichen Standort in Europa sind, aber keine besondere Beziehung zu Deutschland haben, könnten so verloren gehen. London etwa sei für diese Gruppe deutlich attraktiver, meint Hirschfeld. „Da geht alles auf Englisch, das macht den Einstieg leichter“, sagt er. Starke Start-up-Standorte wie Berlin oder München, die international oben mitspielen, müssten hier ihre Angebote anpassen, wenn sie konkurrenzfähig bleiben wollen. Also: Anträge vereinfachen und nach Möglichkeit auch auf Englisch anbieten.

Auch die Szene selbst kann etwas tun, etwa durch Unterstützungsangebote und Netzwerke. Erste Projekte gibt es: das Vision Lab vom Wagniskapitalgeber Earlybird etwa, ein sechsmonatiges Programm, das Earlybird gemeinsam mit Partnern nutzt, um Gründer mit Migrationshintergrund zu fördern, oder 2Hearts, ein Netzwerk, das europaweit Tech-Unternehmer zusammenbringt.

Das Bewusstsein scheint also da zu sein. Die Lücke zwischen Gründern und Gesamtbevölkerung, sie wird vielleicht geschlossen. Und wer weiß schon, ob sich in den verbliebenen knapp fünf Prozent nicht das neue Biontech verbirgt.


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