Warum viele erfolgreiche Start-ups aus München kommen

In der bayrischen Landeshauptstadt ist es zwei Universitäten gelungen, eine erfolgreiche Start-up-Schmiede hochzuziehen – dabei war das streng genommen gar nicht beabsichtigt. 

2021, das wird immer deutlicher, war für die deutsche Start-up-Landschaft ein Jahr der Rekorde. Das Volumen der Investitionen schnellte von 5,2 Milliarden Euro auf satte 17,6 Milliarden Euro hoch. Von sechs auf 24 stieg zudem die Zahl der Einhörner in der Bundesrepublik laut einer Studie der Unternehmensberatung EY. Es ist eine Entwicklung, die für viel Jubel in Start-up-Szene sorgte und angesichts der nun wieder zurückgehenden Investitionen den ein oder anderen Gründer wehmütig zurückblicken lässt, der gerade vor einer Finanzierungsrunde steht. 

Doch hinter diesen Zahlen versteckt sich noch eine ganz andere Besonderheit: Gleich sieben Einhörner haben ihren Ursprung im Center for Digital Technology and Management (CDTM) in München. Es ist ein Anteil, der zu groß ist, um einfach nur Zufall zu sein. Was also machen sie dort anders, als im Rest des Landes – und gibt es so etwas wie eine Zauberformel für die Einhornbeschwörung? 

Das CDTM ist ein Joint Venture der Technischen Universität München (TUM) und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Und allein diese Konstruktion ist in Deutschland so bereits einzigartig. Gut 360 Studierende bewerben sich je Semester, fertigen auch ein Motivationsschreiben an. 60 kommen davon in die engere Auswahl, durchlaufen ein kleines Assessment Center in dem sie ihre Motivation und ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen müssen. 25 werden am Ende genommen – zusätzlich zu ihrem eigentlichen Studium lernen sie dann in verschiedenen Kursen unter anderem was es braucht, um ein guter Manager zu werden und wie sich ein Unternehmen aufbauen oder ein Produkt vermarkten lässt. 

Die Idee kam im Flugzeug

Entstanden ist das CDTM auf einer Reise. Jörg Eberspächer von der TUM und Professor Arnold Picot von der LMU reisten 1997 in die USA, um herauszufinden, was falsch läuft in der deutschen Lehre. Ihre Erkenntnis nach einem Besuch beim MIT: Zu traditionell seien die Denkweisen in den Ingenieurs- und Wirtschaftswissenschaften, um der Digitalisierung begegnen zu können. Es brauche daher einen Ort, an dem Studenten unterschiedlicher Disziplinien miteinandern lernen konnten, der gleichzeitig eine Plattform für Unternehmen darstellte, um neue Talente zu finden, der ein echtes Campus-Gefühl vermittelte und der mit dem MIT zusammenarbeitete. 

Klaus Diepold, Inhaber des Lehrstuhls für Datenverarbeitung an der TUM ist seit 2004 mit dabei. „Das Programm ist auf jeden Fall ein Herzensprojekt von mir“, sagt er. Die TUM stellt inzwischen die Räumlichkeiten, die LMU organisiert die Verwaltung. „Beim CDTM gibt es keine Vorlesungen, es wird stark projektorientiert gearbeitet“, erklärt Diepold und stellt gleich mal klar: „Wir sind eigentlich keine Start-up-Schmiede.“ Ist das mit den Einhörnern also nur ein Versehen? 

„Ingenieure alleine reißen es nicht, Kaufleute alleine nicht und Juristen alleine auch nicht“, sagt Diepold. Es brauche immer diverse Teams. „Das versuchen wir möglichst früh an die Studierenden zu vermitteln.“ Den Professorinnen und Professoren ginge es darum, Studierende auszuwählen, die mehr als nur einen Abschluss machen möchten. „Wir suchen nach exzellenten Studierenden, auch wenn ich die Formulierung so nicht mag, weil sie schnell nach einer Eliteausbildung klingt“, sagt Diepold.

Dass das mit elitären Gehabe nicht viel zu tun hat, bekommen die Studierenden direkt zu Anfang zu spüren. Denn sie müssen nahezu alles selbst organisieren. Die Innenausstattung haben sie sich selbst aus Holz zusammengebaut. Marketing, IT und Co. all das müssen sie selbst organisieren, auch die Abschiedsparty. „Die Professor:innen sind diejenigen, die die Rahmenbedingungen für das CDTM schaffen und den Studierenden als Mentor:innen mit Rat und Tat zur Seite stehen.“, sagt Diepold. 

Nur ein Drittel gründet ein eigenes Unternehmen

Rund ein Drittel beschließt laut dem Professor am Ende tatsächlich, ein Unternehmen zu gründen, ein weiteres Drittel geht in die Industrie oder ins Consulting, der Rest wechselt in die akademische Welt. „Wir wollen, dass Studierende hier an realen Problemen arbeiten und Lösungen entwickeln, auch in Zusammenarbeit mit Unternehmen“, schildert Diepold. 

Und das mit der Zauberformel? „Meiner Meinung nach müssen wir die Leute, die es wirklich in sich haben, frühzeitig ausbilden“, sagt Diepold. Wer erst klassisch seinen Doktor macht, der stecke viel zu sehr in der akademischen Welt fest – und komme womöglich gar nicht auf die Idee, eine Firma zu gründen. „Das ist ein großes Problem, das viele Universitäten haben“, findet Diepold. Das CDTM soll sie frühzeitig mit unternehmerischen Denkweisen vertraut machen. 

Die Zahlen geben dieser Methode durchaus recht: Über 240 Unternehmen wurden von Alumni inzwischen gegründet, mehr als 5,4 Milliarden Euro haben sie an Finanzierungen eingenommen. Mehr als 1.000 Studierende wurden in den 24 Jahren ausgebildet und über 220 Projekte mit Partnerunternehmen durchgezogen. 

Kann ein CDTM auch in anderen Städten funktionieren?

Sebastian Schuon, Co-Gründer des Proptechs Alasco, ist einer der Absolventen, die in die Start-up-Welt gegangen sind. Schon 2008 hat er gemeinsam mit Benjamin Günther, Anselm Bauer und Max Meier, alle ebenfalls von CDTM, das Start-up Stylight gegründet, das sie für 80 Millionen Euro an ProSiebenSat.1 verkauft hatten. Zudem war er früh als Business Angel beim heutigen Einhorn Personio dabei – das natürlich auch aus den Reihen vom CDTM kommt. 

Laut Schuon ist das wichtigste Gut des CDTM das Netzwerk. „Sich gemeinsam durch die Kurse zu kämpfen, auch vieles selbst zu organisieren, das schweißt einfach zusammen“, sagt er. Schuon studierte damals Elektrotechnik an TUM und bewarb sich auf Empfehlung anderer Studenten auf einen Platz in CDTM. „Die Kernidee des CDTM ist es, die richtigen Leute zusammenzubringen“, beschreibt er es. Schuon ist wie viele andere Alumni im Netzwerk noch immer sehr aktiv. Er erzählt selbst in einem kleinen Kurs, wie man sein Unternehmen agil aufstellen kann. 

Ginge es nach Diepold, bräuchte es eigentlich viel mehr CDTMs in Deutschland. Das kann sich zwar auch Schuon vorstellen, warnt aber gleichzeitig: „Wenn wir die Kurse vergrößern und auf einen Schlag 100 Leute aufnehmen, verliert das CDTM seinen Charakter. Und wenn wir es auf andere Universitäten ausweiten, könnte auch das Netzwerk schwerer zu pflegen sein.“ Es gebe immer mal wieder Pläne, gerade unter den Absolventen, wie sich das Konzept übertragen lässt, verrät Schuon. Zu einem richtigen Ergebnis ist dort offenbar noch keiner gekommen. „Wir müssen uns immer noch darüber klar werden, was genau unsere Erfolgsfaktoren sind“, sagt Schuon. Geeignete Städte mit mehreren großen Universitäten gibt es in Deutschland jedenfalls. 


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