„Wir sind drei Jahre in die falsche Richtung gelaufen"

Robin Sudermann hat mit seinem Start-up talentsconnect einen Pivot hingelegt. Wie das lief und warum er sich gegen einen Neuanfang entschieden hat, erzählt er im Interview.

Vor rund fünf Jahren hätte Robin Sudermann aufgeben können. Stattdessen hat er sich dazu entschieden, das gesamte Unternehmen neu auszurichten und profitiert davon heute. Zuerst war das Start-up eine Job-Plattform, wie es vermutlich viele gibt. Heute bieten sie diesen Service als Software-as-a-Service an, sprich Unternehmen können die Technologie in ihre bestehende Infrastruktur einbauen. Rückblickend sagt er, waren es vier Dinge, die falsch gelaufen sind: fehlende Erfahrung, zu wenig Guidance, persönliches Scheitern und anfängliche Planlosigkeit. Die große Herausforderung kam danach: der Neustart. Hier erzählt er, was er davon mitgenommen hat.

Herr Sudermann, Sie haben einen Pivot hingelegt. Was ging schief und was haben Sie daraus gelernt? 

Wenn man Mitgründer oder Mitgründerin und gleichzeitig CEO ist, liegt der Hauptgrund für einen Pivot meist bei einem selbst. Mir fehlte damals die nötige Erfahrung und auch ein Stück weit die Expertise. Da talentsconnect meine erste Gründung war, konnte ich das einfach noch nicht mitbringen. Dazu kamen fehlende Guidance und zu wenig kritisches Hinterfragen durch unsere damaligen Investorinnen und Investoren. Wenn ich auf unsere Anfänge 2013 zurückschaue, waren die Rückfragen in den ersten Finanzierungsrunden mit Business Angels eher oberflächlich, ein tieferer analytischer Blick, den beispielsweise ein VC reinbringt, hat gefehlt.

In der Kombination sind wir dann drei Jahre in die falsche Richtung gelaufen – so sehe ich das heute mit ein paar Jahren Abstand. Wenn man selbst in der Situation ist, will man das nicht wahrhaben, weil man natürlich total motiviert ist, den Knoten zu lösen und die Hoffnung hat, dass nur wenige Stellschrauben zu drehen sind. Das Positive ist rückblickend, dass diese Phase unglaublich hilfreich war, mich persönlich und talentsconnect dahin zu entwickeln, wo wir heute stehen: Mit der nötigen Erfahrung, Expertise und Fokus im Gepäck. Mir macht es super viel Freude, genau dieses Learning an junge Gründerinnen und Gründer weiterzugeben.

Sie mussten auch mit dem persönlichen Scheitern umgehen. Wie ging das?

Ein Pivot ist immer ein Symbol dafür, dass man – und in unserem Fall natürlich ganz besonders ich als CEO – nicht wach genug war für viele kleine Fehler und sich vielleicht nicht getraut hat, frühzeitig den unbequemen Weg eines Richtungswechsels zu gehen. Sich durchzubeißen gilt ja oftmals als etwas Positives und ist unter Umständen auch schlichtweg notwendig – in unserem Fall war es jedoch nicht die richtige Wahl. In der Frage „Wann ziehe ich durch und wann gestehe ich mir ein, dass es so nicht weitergeht?“ steckt aus meiner Sicht eine ganz schmale Gratwanderung. 

Eine offene Feedbackkultur und ein konstruktiver Umgang mit Fehlern ist beim Gründen, für einen Pivot und im Kontext einer starken Innovationsorientierung unerlässlich

Robin Sudermann, CEO talentsconnect

Meine Take-Aways: Eine offene Feedbackkultur und ein konstruktiver Umgang mit Fehlern ist beim Gründen, für einen Pivot und im Kontext einer starken Innovationsorientierung unerlässlich. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass ein Pivot die „große Version“ von Fail Forward ist. Ich versuche daher heute, Fehler frühestmöglich zu identifizieren, um sie dann schnell korrigieren zu können. Ein Fehler ist kein Misserfolg, sondern gerade im Start-up- oder Innovations-Kontext unerlässlich und daher die Basis etwas zu entwickeln. 

Sie haben sich dann für den Pivot entschieden. Warum nicht einfach den Ballast abwerfen und neu starten?

„Warum fährst du das Ganze nicht einfach vor die Wand und startest danach mit deinen Learnings neu? Warum tust du dir einen Pivot an und nimmst dabei alle Aktionäre und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit?” Diese Fragen habe ich 2016 häufiger zu hören bekommen. Was mir immer wichtig war: Verantwortung zu übernehmen. Denn faktisch haben wir bis zum Pivot viel zu lange an unserem Geschäftsmodell festgehalten, obwohl es offensichtlich nicht mehr funktionierte. Und auch, wenn wir dabei natürlich nur die besten Absichten hatten, war es im Endeffekt nicht verantwortungsvoll. Schließlich ging es nicht nur um uns Gründer, sondern auch um Gelder von Investorinnen und Investoren und Arbeitsplätze.

Der Pivot war definitiv der schwierigere Weg, aber der für mich einzig richtige. So konnten der absolute Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Investorinnen und Investoren und Business Angels an Bord bleiben. Die Verantwortung, einen funktionierenden Case zu bauen, ist mir durch den Pivot noch bewusster geworden – sie treibt mich jeden Tag an. Mit Abstand kann ich sagen, dass der Pivot mich als Gründer und Unternehmer essenziell zum Positiven verändert hat, Entscheidungen treffe ich heute im vollsten Verantwortungsbewusstsein. 

Sie haben auch Planlosigkeit als Herausforderung genannt. Wie meinen Sie das?

Das ist tatsächlich ein weiterer Aspekt, der seinen Beitrag zum Pivot geleistet hat! Wir haben mangels Erfahrung kurz nach der Gründung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt, ohne genau zu wissen, wie wir das Team als Ganzes strategisch entwickeln wollen – der Entwicklungsplan für die Mitarbeitenden und ebenso die Organisation fehlte. Das hat uns einerseits viel Lehrgeld gekostet und gleichzeitig haben wir zu spät die richtigen Key Player an Bord geholt, also Menschen mit viel Erfahrung in zentralen Bereichen wie Technologie, Produkt und Sales. Ähnlich sah es beim Gründerkreis und im C-Level aus. Heute ist der gesamte Prozess strategisch genau durchdacht – wir sind genau hier extrem fokussiert geworden und investieren gezielt in Expertise.

Dann der Neustart: Wie geht das?

Es war definitiv kein „Phönix aus der Asche“-Moment. Ein Pivot ist ein Neuanfang, ja – aber bis sich das Gefühl eines Neustarts auch wirklich einstellt, steht zunächst einmal viel Arbeit an. Einem Pivot müssen Taten folgen. Aufräumen, umstellen, neu machen. Der ganze Prozess ist wenig glamourös, dafür aber eine Chance, die richtigen Schlüsse zu ziehen und das Vertrauen aller Beteiligten wieder zurückzugewinnen – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich auf den gemeinsamen weiteren Weg eingelassen haben und die Investorinnen und Investoren, die vielleicht sogar nochmal mit einer Überbrückungsfinanzierung dafür sorgen müssen, dass der Plan mit dem Neuanfang überhaupt aufgeht. 

Vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person: Robin Sudermann ist Co-Gründer und CEO von talentsconnect, einem Kölner HR-Tech-Start-up.


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