Vom Ehrgeiz gestochen

Die Apic.ai Gründerin Katharina Schmidt will mit künstlicher Intelligenz Insekten retten – und gewinnt damit den Digital Female Leader Award in der Kategorie Nachhaltigkeit. Dabei wollte sich Schmidt eigentlich mit einer ganz anderen Idee selbstständig machen.

Katharina Schmidt wollte nicht zu den Leuten gehören, die sich all die Probleme nur aus der Ferne ansehen und dann doch nichts tun. Nach ihrem Master in International Management beschloss sie, etwas in einer Branche zu verändern, wo wohl weniger zu holen ist als in der Kredit- oder Getränkebranche: im Naturschutz.

Denn besonders um Insekten steht es schlecht. Manche Populationen sind in den vergangenen 30 Jahren um mehr als 80 Prozent zurückgegangen. Vor allem Bienen sind betroffen. Laut der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft führt das sogar zu einem ernsten Problem für die Welternährung: wichtige Nahrungsmittel wie Kaffee, Äpfel oder Tomaten könnten dadurch aus den Regalen verschwinden.

Gemeinsam mit dem Informatiker Frederic Tausch und dem Elektrotechniker Matthias Diehl gründete Schmidt 2018 Apic.ai. Das Start-up entwickelte ein System, das Bienen beim Rein- und Rausfliegen ihrer Bienenstöcke mit Kameras beobachtet. Das System wertet die Bilder anschließend mit künstlicher Intelligenz aus. Durch bestimmtes Flugverhalten der Bienen, beispielsweise durch die Farbe und Anzahl der Pollen, die sie in den Stock tragen, lassen sich Rückschlüsse auf die Umweltbedingungen ziehen.

Die KI überprüft die Bilder permanent und kann sich so nach und nach verbessern. „Wir haben dadurch robuste Daten“, sagt Schmidt. Trotz wachsender technischer Möglichkeiten orientieren sich Forschende laut der Gründerin auch heute noch eher an Momentaufnahmen, kleinen Stichproben oder subjektiven Einschätzungen.

Den Grundstein für die Idee legte Schmidt bereits nach ihrem Master-Studium an der Hochschule Karlsruhe 2016. Dort arbeitete sie für eine 70-Prozent-Stelle in der Gründungsförderung. „Ich langweile mich schnell“, sagt Schmidt. So fand sie ein Hobby, das bereits seit über einem Jahrhundert in der eigenen Familie liegt: das Imkern. Auch ihr Opa und Ur-Opa züchteten die pelzigen Insekten. „Die ersten Berührungspunkte mit dem Insektensterben hatte ich, als die Völker meines Großvaters in den 90er-Jahren zusammenbrachen“, sagt Schmidt.

Doch die Gründerin hatte mit ihrem selbst geernteten Honig erst andere Pläne: mit witzigen Marketing-Ideen wollte sie Menschen überzeugen. Im Gespräch mit Startbase hält Schmidt etwas in die Kamera, was noch weit weg von künstlicher Intelligenz und Datenbanken ist. Denn sie warf ihre Honiggläser in Kostüme. So trägt der „Einhornhonig“ ein kleines Einhorn auf dem Glas, andere sind mit handgemachten Doktoranden- oder traditionellen Bollenhütchen aus dem Schwarzwald bestückt.

Mit der Idee bewarb sich Schmidt für ein Accelerator-Programm. Und durfte dort als junge Entrepreneurin auf der Bühne sprechen. Doch inmitten von Gründern, die mit Künstlicher  Intelligenz, virtueller Realität und anderen Daten arbeiteten, war ihr die ursprüngliche Idee plötzlich peinlich. „Als ich über den Kern des Problems nachgedacht habe erkannte ich, dass hinter dem Insektensterben in erster Linie ein Mangel an Wissen über die Ursachen und Zusammenhänge liegt”, sagt sie. „Da habe ich mich das erste Mal gefragt, ob man Bienen und Daten nicht verbinden könnte.” So entstand die Idee der Biene als Biosensor.

Das Unternehmen versucht mit der Technik auch der Frage auf den Grund zu gehen, wer und was für das Insektensterben verantwortlich ist. Lichtverschmutzung, der Einsatz von Pestiziden oder die Monokulturen der modernen Landwirtschaft stehen zwar im Verdacht, das Artensterben auszulösen, zweifelsfrei bewiesen ist das aber noch nicht. „Ich will all diese Hypothesen überprüfbar machen”, sagt Schmidt.

Wer nur mit dem Finger auf die Agrarkonzerne zeige mache es sich leicht, sagt Schmidt. Dadurch würde sich nichts ändern. Mit Apic.ai will sie einen anderen Weg gehen. Der größte Hebel sei, mit jenen zusammenzuarbeiten, die einen massiven Einfluss auf die Gestaltung des Problems haben.

Mit der Technologie des Start-ups können Unternehmen erkennen, welche Einflüsse ihre Arbeit auf die Insekten hat. Das müssen sie angesichts von Regulierungsvorschriften voraussichtlich im nächsten Jahr auch. Strengere Regeln auf EU Ebene seien laut Schmidt auch ein Ergebnis des öffentlichen Drucks. So müssen Pflanzenschutzmittel vor ihrer Marktzulassung intensiver getestet werden.

Apic.ai nutzt für seine Studien Honigbienen stellvertretend für Wildbienen oder Hummeln. Das Unternehmen untersucht dabei, ob Völker, die mit einer Substanz in Kontakt gekommen sind, sich anders entwickeln. Schmidt ist selbst überrascht, wie schnell sie in dem Marktsegment eine der führenden Anbieterinnen geworden ist. „Seit diesem Jahr begleiten wir auch Studien mit Saatgutproduzenten“, sagt sie. Darin wird untersucht, was die Bestäubung der Bienen beeinflusst und was getan werden kann, um mit dem Wissen landwirtschaftliche Erträge zu steigern.

Am Digital Female Leader Award gefällt Schmidt, dass er Frauen als Vorbilder zeigt, die ihre eigenen Wege gehen. Allerdings unterstütze sie die Bewegung der Förderung von Frauen im Speziellen nicht. „Kampagnen, die so tun als ob es uns Frauen nur an Mut fehle um zu Gründen, finde ich lächerlich”, sagt sie. Sie glaubt, dass es vielen Frauen bei der Wahl ihres Studiums und Berufs wichtig sei, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. „Gerade im Tech-Feld gibt es dafür aber kaum Möglichkeiten”, sagt sie.

In der Gründerzene stehe oft der Profit an vorderster Stelle. „Kein Wunder, dass es da so wenige Frauen gibt, ich finde das auch nicht attraktiv", sagt Schmidt. Geht es nach ihr sollte der Fokus nicht auf Frauen, sondern auf dem gesellschaftlichen Mehrwert liegen, den neue Technologien leisten können.


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