Warum die Enra-Gründerinnen gegen Vorurteile kämpfen müssen

Lara und Lena Farwick haben ihr Start-up Enra gemeinsam mit ihrem Bruder Arne gegründet. Im Gründen als Geschwister sehen sie viele Vorteile – auch wenn so mancher über ihre Rollenaufteilung verwundert ist.

Es gibt Momente, die vergisst man als Gründerin oder Gründer nicht so schnell. Der erste Kundenauftrag etwa gehört dazu, der erste Pitch vor einem Geldgeber ebenfalls. Bei den Zwillingsschwestern Lara und Lena Farwick kommen noch ein paar andere hinzu. „Da war zum Beispiel der eine Mann, der bei uns am Büro geklingelt hat, ich öffnete die Türe und er bat mich als erstes, meinen Chef zu holen“, sagt Lena Farwick . „Ein anderes Mal wurde mein Bruder zu meinem Mann erklärt, weil Leute sich nicht vorstellen konnten, dass wir Geschwister sind.“ Und bei Linkedin erhält sie gerne mal Nachrichten, in denen sie als „Herr Farwick “, angeschrieben wird. „Die Leute schauen sich nicht einmal das Profil an, sie gehen fest davon aus, dass sie es mit einen Mann zu tun haben, wenn sie dem Technikverantwortlichen eines Start-ups schreiben.“

Zwar müssen Lara und Lena Farwick selbst ein bisschen schmunzeln, wenn sie solche Geschichten erzählen – aber es sind dennoch genau solche Fälle, die deutlich machen, dass in der Start-up-Welt noch immer einiges schief läuft. Schon der Female Founders Report 2021 zeigt, dass weniger als zwölf Prozent aller Gründenden weiblich sind. Zudem gelingt es Frauen deutlich seltener, eine Finanzierungsrunde abzuschließen. Bis zu einer diversen Start-up-Szene ist es also noch immer ein weiter Weg. 

Profitabilität bereits nach einem Jahr erreicht

Lena Farwick ist CTO des Paderborner Start-ups Enra, ihre Schwester Lara ist als CMO unter anderem für das Marketing verantwortlich. Ihr Bruder Arne ist CEO. Ursprünglich wollten sie mit ihrem Start-up Messen digitaler und effizienter gestalten. Maschinen versahen sie etwa mit einem Barcode, mit dem Kunden weitere Informationen einsehen konnten. Außerdem entwickelten sie ein System, um den Kontakt mit den Standbesuchern zu automatisieren. Denn die sogenannte Leaderfassung, also das Aufnehmen und die strategische Einordnung neu gewonnener Kontakte, lief oft noch über Zettel und Stift ab. „Ich musste dazu früher Bögen, an die eine Visitenkarte getackert war, in eine Excel-Tabelle eintragen“, erinnert sich Lara an ihre Zeit in der Marketingabteilung eines Mittelständlers zurück.

Bereits ein Jahr nach dem Start war Enra profitabel. Dann kam Corona, die Wirtschaft fuhr herunter, Messen wurde abgesagt – und den Geschwistern blieb nichts anderes übrig, als ihr Start-up einmal neu zu erfinden. Enra ist nun eine digitale Plattform zur Vermarktung. Unternehmen können in einem virtuellen Raum ihre Produkte vorstellen, und anschließend digital die Kontakte nachbearbeiten. Das erspart einem Vertriebler Reisezeit und -kosten. Sechs verschiedene Versionen seiner Plattform bietet Enra an. Je mehr ein Unternehmen zahlt, desto mehr Funktionen bekommt es freigeschaltet. 

Kampf gegen veraltete Denkweisen

Für die kommenden Jahre haben die Geschwister drei große Trends ausgemacht, mit denen sie sich intensiv befassen wollen. Das Metaverse sei in der Technikwelt bereits ein absolutes Hype-Thema, sagt Lara Farwick . „Unsere Kunden haben davon oft aber noch gar nichts gehört oder können damit nichts anfangen.“ Außerdem wollen sie mit ihrem digitalen Vertrieb Firmen helfen, CO2 einzusparen. „Zukünftig werden auch No-Code-Plattformen immer wichtiger. Anwender sollten ihre digitale Arbeitsfläche ohne Programmierfähigkeit so anpassen können, wie sie die brauchen“, sagt Lara Farwick .

Es ist eine Welt, in die man tief eintauchen muss, um die für Unternehmen passenden digitalen Vermarktungstools zu entwickeln, zudem braucht es eine ordentliche Portion an Programmierkenntnissen. Bruder Arne Farwick übernimmt als Wirtschaftsingenieur und Steuerfachangestellter die kaufmännische Leitung. Lara Farwick hat die notwendigen Kenntnisse im Marketing und Lena Farwick bringt als ehemalige Maschinenbaustudentin das technische Wissen mit.

Dass ihre Geschichte in der Start-up-Welt ungewöhnlich ist, war ihnen lange gar nicht bewusst. „Seitdem ich mich erinnern kann, bin ich technikbegeistert, ich wollte schon als Kind verstehen, warum etwas wie funktioniert. Ich wollte unter die Haube schauen und nicht einfach akzeptieren, dass es funktioniert“, sagt Lena Farwick. Erst als sie von vielen auf Linkedin automatisch als „Herr“ angesprochen worden sei, wurde ihr das klar. „Diese Denkweise ist doch absurd, das Geschlecht hat doch nichts damit zu tun, welchen Beruf man ausführt“, sagt sie. 

Die Schwestern hoffen, dass sich andere Gründerinnen von solchen Erlebnissen nicht beeinflussen lassen. „Macht das, was euch Spaß macht, denn nur dann wird es gut“, rät Lara Farwick . Sie selbst wolle gerne dazu beitragen, andere Gründerinnen zu empowern, auch wenn sie das Wort so nicht mag. „Wir brauchen nicht nur mehr Frauen in Technikberufen, wir brauchen auch mehr Frauen, die ein Unternehmen gründen und führen.“


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