Welche Marktlücken Camping-Start-ups nutzen können

Lieferkettenprobleme und der Wunsch nach mehr Individualtourismus haben dazu geführt, dass die Wartezeiten für Wohnmobile oft fast ein Jahr betragen. Die perfekte Chance für Miet-und Sharing-Start-ups?

Eine Unterhose und eine Zahnbürste, das ist quasi alles. Mehr müssen ihre Kunden nicht einpacken, wenn sie ein paar Wochen in der Wildnis campen wollen. Das ist das Versprechen von Bastian Gembler, der Ende 2018 gemeinsam mit seiner Freundin Larissa Peters das Camping-Start-up Vantopia gegründet hat. 

Gembler und Peters vermieten Wohnmobile, die sie vorher teilweise selbst ausbauen und alle selbst ausstatten. Mehr als 100 Ausstattungsgegenstände würden sie in den Campingfahrzeugen unterbringen, so Gembler. Neben der Standardausrüstung, die etwa Kochtöpfe und Gewürze enthalte, könnten Kunden auch etwas ausgefallenere Extras hinzubuchen, etwa ein Kaffee-Set mit besonderen Espressobohnen oder ein aufblasbares Kajak.

Campen ohne große Vorbereitung – und ohne ein Problem, das viele Wohnmobilbesitzer nur zu gut kennen: Wohin mit dem Fahrzeug, wenn es gerade nicht für den Urlaub genutzt wird? Das Reisen auf Rädern wird oft als spontan und unkompliziert dargestellt, doch die Wahrheit ist oft eine andere: Vier Wochen wird das Wohnmobil genutzt und die restlichen 48 Wochen des Jahres ärgern sich die Nachbarn, weil ein riesiges Fahrzeug den Weg durch ihre Straße verengt. 

Camping wird immer beliebter

Ein Platzproblem, das eher zu- als abnimmt: Denn Camping wird in Deutschland immer beliebter. Allein 2021 wurden laut Zahlen des Caravaning Industrie Verbands (CIVD) mehr als 81.000 Wohnmobile neu zugelassen. Zwischen 2018 und 2021 haben sich die Reisemobil-Zulassungen mehr als verdoppelt. Der Camping-Hype rief auch viele Start-ups auf den Plan, die in der Branche eine neue Geschäftsgelegenheit sahen. 

So auch Vantopia – obwohl die Idee laut Gründer Bastian Gembler eher aus Zufall entstand. Seine Freundin und Geschäftspartnerin Larissa Peters und er hatten sich während ihrer Arbeit bei British American Tobacco kennengelernt. Dort waren sie beide im Marketing tätig gewesen. Doch ihre Zukunft hätten sie in dem Takabunternehmen nicht mehr gesehen und hätten beide 2016 gekündigt. 

„Danach reisten wir um die Welt“, erzählt Gembler. Erst mit dem VW-Bus durch Europa, dann mit Rucksack durch Asien und zum Abschluss noch nach Nordamerika. „Dort hat uns das Camping-Fieber so richtig gepackt“, sagt der Gründer. Denn anders als in Europa sei die Camping-Kultur in Nordamerika eher von Aktivurlaubern geprägt, die nicht nur am Grill gemütlich ihr Bier trinken, sondern auch wandern gehen wollen. „Diese Camping-Idee wollten wir auch in Deutschland etablieren“, sagt Gembler. 

Vantopia will eher ein aktives Zielpublikum erreichen. (Foto: Vantopia)

Vantopia würde sich nun in seinem dritten richtigen Geschäftsjahr befinden. In den zwei Jahren davor hätten sie noch keine Gewinne eingefahren, so Gembler. Nun hoffe er auf schwarze Zahlen. Das Geschäft mit der Wohnmobil-Vermietung sei kapitalintensiv, schließlich würden sie alle zwei Jahre die Fahrzeuge neu kaufen und die gebrauchten verkaufen. Hinzu kämen nun die Lieferkettenprobleme. 

Denn Chinas harter Corona-Lockdown und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine führten dazu, dass den Fahrzeugherstellern wichtiges Material fehlt, etwa Aluminium und Chips. Die Folge: Die Reisemobilhersteller warten auf Fahrzeug-Chassis. Auch Materialien wie Holz oder Klebstoff sind knapp. 

Wie lange diese Lieferkettenkrise anhält, lässt sich schwer einschätzen. Das sagt auch Christian Günther, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Campingwirtschaft (BVCD). Dabei erholt sich die Branche gerade erst von den Auswirkungen der Corona-Lockdowns. „Zwar wurde die Campingbranche in den Medien gerne mal als Coronagewinner bezeichnet, aber um ehrlich zu sein: Es gibt im Tourismus definitiv niemanden, der von Corona profitiert hätte“, betont Günther. Monatelang hätten auch Campingplätze schließen müssen, 2020 gingen die Einnahmen im Vergleich zu 2019 um fünf Prozent zurück. 2021 seien es sogar minus acht Prozent im Vergleich zum Vorkrisenjahr gewesen. 

Wartezeiten von bis zu einem Jahr

Zwar stieg das Interesse an Individualreisen auf Rädern, denn Flüge und Hotels zu buchen, hatte während der Pandemie eher Glücksspielcharakter. Doch wer sich für ein Wohnmobil interessiert, muss zwischen oft neun bis zwölf Monaten warten, bis er das Fahrzeug ausgeliefert bekommen – ein Spontankauf ist das nicht. Und nun kommt die Inflation hinzu, die insbesondere preissensible Interessenten dazu verleitet, ihre Kaufentscheidungen zu überdenken.

Experten sehen darin ein Risiko. So etwa Peter Greischel, der als Professor für Tourismusmanagement an der Hochschule München forscht. „Die beängstigend angestiegene Inflation sorgt dafür, dass einige Wohnmobilinteressenten nun erst einmal ihre Kaufentscheidung auf Eis legen.“ Derzeit würde er Unternehmern, die auf Vermiet- oder Sharing-Modelle setzen, raten, sich noch mehr als sonst mit den Besonderheiten dieses Marktes auseinanderzusetzen. „Viele Marktteilnehmer sehen Sättigungstendenzen im Markt“, sagt er. Der Sharing-Bereich sei zwar für mehrere Anbieter ein interessantes Geschäftsfeld, doch Newscomer sollten sich der wachsenden Risiken bewusst sein, wenn sie noch Marktanteile erobern möchten. Und Freizeitfahrzeug-Vermieter hätten mit hohen Aufwendungen zu kämpfen – hier müsse das Geschäftsmodell durchdacht und ausgeklügelt sein. 

Diese Start-ups für Camping gibt es

Tatsächlich gibt es in Deutschland einige Vermiet- und Sharing-Start-ups, die es geschafft haben, binnen weniger Jahre den Markt zu erobern. So etwa das Sharing-Unternehmen Paulcamper oder der Wohnmobilvermieter Freewaycamper, der jüngst 30 Millionen Euro in einer Finanzierungsrunde eingesammelt hat. Dessen Konkurrent Roadsurfer, Europas größter Campervan-Vermieter, wagt nun die Expansion in die USA. 

Und auch die ausländische Konkurrenz schläft nicht. Das französische Sharing-Start-up Yescapa hat Anfang des vergangenen Jahres den deutschen Wettbewerber Shareacamper übernommen. Seit Beginn dieses Jahres will auch der niederländische Anbieter Goboony den deutschen Markt erobern. Das Start-up ist eine Art Airbnb für Camper: Wohnmobil-Besitzer können dort ihr Fahrzeug inserieren und so an Reisende vermieten. 

Goboony-Mitgründer Mark de Vos ist anders als Tourismusmanagement-Professor Greischel davon überzeugt, dass der Sharing-Trend noch zunehmen wird. Im Schnitt stünde ein Wohnmobil elf Monate pro Jahr still. „Das habe ich selbst gemerkt, als ich nach meinem ersten Camper-Urlaub voller Enthusiasmus gleich ein Reisemobil gekauft habe.“ Also habe er es verliehen und so sei die Idee für Goboony entstanden. 

Viele „Schnupper-Camper"

Derzeit würden in Deutschland nur ein Prozent der Wohnmobile geteilt werden, so de Vos. Viel Potenzial, also. Zudem sei das Unternehmen nicht von Lieferkettenproblemen betroffen, da über Goboony Wohnmobile geteilt würden, die bereits auf den Markt seien. Auch von der Pandemie hätte Gobooby stark profitiert, da viele Kunden zu „Schnupper-Campern“ wurden – also das Fahrzeug nicht gleich kaufen wollten. Die Plattformeinnahmen seien 2020 und 2021 um 200 Prozent gestiegen. 

Ebenfalls aus den Niederlanden kommt das Start-up Campspace, das im April den deutschen Mitbewerber Pop-up Camps übernommen hat. Campspace setzt auf ein ganz anderes Geschäftsmodell: Eine Buchungsplattform, über die Privatpersonen Flächen an Camper vermieten können. „Jeder, der ein schönes Stück Land, einen Mini-Campingplatz, ein Baumhaus oder eine Jurte hat, kann sich gerne als Gastgeber bei Campspace anmelden“, sagt Campspace-Chef Hugo van Donselaar. Sein Ziel: Campspace soll die größte Buchungsplattform für Outdoor-Übernachtungen in Europa werden. 

Um in dieser Zeit noch einen freien Platz in einer attraktiven Region zu ergattern, empfiehlt es sich immer mehr, bereits vormittags beim nächsten Campingplatz anzukommen.“

Peter Greischel, Professor für Tourismusmanagement an der Hochschule München

Eine Idee, in der Tourismusmanagementprofessor Greischel Potenzial sieht. „Stellplätze sind derzeit knapp“, sagt er. „Um in dieser Zeit noch einen freien Platz in einer attraktiven Region zu ergattern, empfiehlt es sich immer mehr, bereits vormittags beim nächsten Campingplatz anzukommen.”

Spontanes, individuelles Reisen sieht anders aus. Doch genau das ist das Bedürfnis vieler jüngere Reisender, die sich vom „Vanlife“-Trend auf Instagram inspirieren lassen. Dort laden unzählige Millennials Bilder von ihren Campervans hoch, immer perfekt belichtet, Strand und Sonnenuntergang inklusive. 

„Camping hat in den letzten Jahren, und besonders während der Pandemie viel mediale Aufmerksamkeit erhalten“, sagt BVCD-Geschäftsführer Günther. Durch die Urbanisierung sei zudem der Wunsch gewachsen, mehr Freizeit in der Natur zu verbringen. 

Unsere Zielgruppe hat ein hohes Bedürfnis nach Individualismus und Freiheit“

Vantopia-Mitgründer Bastian Gembler

Auch Vantopia richtet sich besonders an diejenigen Kunden, die in der Natur entspannen wollen. „Unsere Zielgruppe hat ein hohes Bedürfnis nach Individualismus und Freiheit“, sagt Gembler. Vom Klischee der Gartenzwerge auf dem festen Stellplatz will Vantopia weg – und sich deshalb mittelfristig ein zweites Geschäftsfeld erschließen: einen eigenen Campingplatzbetrieb.

Doch erst einmal freut sich das Gründerpaar auf den Sommerurlaub. „Da sind wir natürlich unsere eigenen Kunden“, sagt Gembler. In einem der ausgebauten Wohnmobile geht es nach Slowenien und Albanien.


Like it? Please spread the word:

FYI: English edition available

Hello my friend, have you been stranded on the German edition of Startbase? At least your browser tells us, that you do not speak German - so maybe you would like to switch to the English edition instead?

Go to English edition

FYI: Deutsche Edition verfügbar

Hallo mein Freund, du befindest dich auf der Englischen Edition der Startbase und laut deinem Browser sprichst du eigentlich auch Deutsch. Magst du die Sprache wechseln?

Deutsche Edition öffnen

Vielleicht auch interessant:

Ähnliche Beiträge