„Auch wir machen Fehler bei der Erstauswahl”

Christian Hoppe ist Co-Geschäftsführer der auf Start-up-Finanzierungen spezialisierten Silicon Valley Bank. Im Interview spricht er über überbewertete Fintechs, warum manchmal ein Bierdeckel für die Präsentation reicht und Fehltritte. 

Anders als die großen Geldinstitute hat sich die Silicon Valley Bank (SVB) auf die Finanzierung von Start-up-Akteuren und innovativen Unternehmen fokussiert und setzt dabei vor allem auf Venture Debt. Bei den Deals der SVB schütteln Sparkassen-Chefs die Köpfe, weil Kredite in der Frühphase von Unternehmen oft ein riskantes Unterfangen ist. Hier erklärt Christian Hoppe das Konzept – und warum er bei Firmen wie TradeRepublic oder WeFox Tendenzen einer Überbewertung sieht.

Herr Hoppe, die Silicon Valley Bank will keine normale Bank sein, worauf haben Sie sich spezialisiert? 

Wir haben im Prinzip vier Säulen, die wir bedienen: Das sind zum ersten Start-ups, die wir über Venture Debt finanzieren, gerne auch über fünf Jahre und ab einem Volumen von einer Million Euro. Dazu geben wir ihnen Working-Capital-Linien oder unterstützen bei Akquisitionen. Als zweite Kundengruppe finanzieren wir Venture Capital Fonds mit sogenannten Capital Call Lines. Unser drittes Kundensegment ist die fremdkapitalfinanzierte Übernahme mittels Private Equity, im Englischen auch Leveraged Buyout genannt. Das vierte Segment ist dann die klassische Corporate-Finanzierung von mittelgroßen Unternehmen, die besonders im innovativen und disruptiven Bereich unterwegs sind. 

Was unterscheidet Ihre Arbeit von der klassischen Kreditvergabe? 

Venture Debt, also die Mischung aus Debt und Equity, würde es bei normalen Geldhäusern in diesen Kombinationen eher nicht geben. Wir haben unsere Expertisen in diesen beiden Bereichen über Jahre auf- und ausgebaut, diesen Vorsprung können Großbanken kaum gefährden auch wenn die meisten nun auch langsam bemerken, dass Start-ups die Zukunft und nicht nur Eintagsfliegen sind. 

Wie agieren Sie?

Wir sind sehr aktivistisch unterwegs, wenn auch nicht in dem Sinne, dass wir einen Sitz im Aufsichtsrat fordern oder ähnliches. Wir helfen, indem wir unser breites Netzwerk zur Verfügung stellen, das heißt Zugang zu potentiellen Investoren, Kunden und Produzenten ermöglichen. Wir sind in dem Sinne kein Capital Broker. Mit dem Wachstum unserer Kunden wachsen wir im besten Fall ja auch. Und das Ökosystem ist wiederum die Basis für Innovation. Das wird an Erfolgsbeispielen wie Biontech deutlich. Da sind wir sehr unternehmerisch in unser Denk-, Handels- und Redeweise.

Manchmal reicht ein Bierdeckel, um eine Idee rüberzubringen

Christian Hoppe, SVB

Wie kommen Gründende bei Ihnen denn an Geld? 

Relativ simpel, denn wir haben erst einmal keine Ausschlusskriterien und finanzieren ab der Series-A-Finanzierung. Wir schauen uns nur drei Kriterien an: das Business-Modell, das Gründerteam und die Unternehmen, die das Start-up finanzieren. Von uns aus kann das Start-up auch noch Verluste schreiben, teilweise finanzieren wir es schon bevor es Umsatz macht. Meist investieren wir, wenn gerade eine Finanzierungsrunde abgeschlossen wird, legen also „Debt” auf die „Equity”-Runde oben drauf, maximal im Verhältnis 30 zu 70. 

Was sollten Gründerinnen und Gründer denn zum Gespräch mitbringen?

Ganz ehrlich: Manchmal reicht ein Bierdeckel, um eine Idee rüberzubringen und dafür richtig Feuer anzufachen. Dann gibt es aber wieder Vorträge von 30 PowerPoint-Folien, bei denen ich auf den ersten 20 glaube, dass daraus nichts wird und dann dreht sich das noch. Es gibt da nicht die eine perfekte Lösung. Mein Rat: Schickt mir alles zu, ich schaue drauf und dann bewerten wir das. Aber auch wir machen Fehler bei der Erstauswahl. Mein Bauchgefühl hat mich bei der Einschätzung eines Business-Modells schon falsch geleitet – am Ende ist ein Unicorn daraus geworden. 

Aktuell gibt es ja viele Fintechs, die zu Einhörnern werden. Sind die Bewertungen zu hoch? 

Die Bewertung ist, was die Bewertung ist. Es gibt offenbar Investoren, die bereit sind, bestimmte Preise für Anteile an bestimmten Unternehmen zu bezahlen. Es gibt aber auch aktuelle Fälle wie bei TradeRepublic oder Wefox – da freut es mich auf der einen Seite wahnsinnig, dass die so groß sind, aber wenn man die Bewertung mal mit einer von einer Bank wie der Comdirect vergleicht, dann sind da gewisse Tendenzen der Überbewertung sehr deutlich zu sehen. Aber da können Fintechs nichts für: Wenn so ein US-amerikanischer Fonds kommt und legt ihnen ziemlich viel Geld auf den Tisch und ihm gleichzeitig die Dilution egal ist, dann können sie das heroisch ablehnen, aber warum sollten sie?

Auf lange Sicht wird es ziemlich sicher eine Abkühlung geben

Christian Hoppe, SVB

Werden wir auch wieder eine Abkühlung sehen? 

Von den aktuellen Fundings wird die Szene noch eine ganze Zeit lang zehren und selbst dann könnte es auch weiter bergauf gehen. Wir dachten alle, die Coronapandemie könnte ein Dämpfer sein, doch sie war ein Auftrieb. Aber ja, auf lange Sicht wird es ziemlich sicher eine Abkühlung geben. Wie die allerdings aussieht und wann die kommt, das kann ich nicht sagen. Ich hoffe nur, dass die Banken und Investoren, die Start-ups jetzt als “sexy Ding” sehen, dann auch langfristig am Ball bleiben. Denn Venture Debt ist ein sehr sinnvolles Produkt, das allerdings verantwortungsbewusst eingesetzt werden muss – bestenfalls über alle Konjunkturzyklen hinweg. 

Vielen Dank für das Gespräch. 

zur Person: Christian Hoppe ist Co-Chef der Silicon Valley Bank Deutschland. Angefangen hat er dort 2017. Zuvor war Christian Hoppe Gründer und CEO der Main Incubator GmbH, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft und FinTech-Investmentvehikel der Commerzbank AG.


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