Milliardendeals, Skandale und ein Zehnfacheinhorn: Der Jahresrückblick 2021

Vom deutschen Decacorn bis hin zum sexistischen Start-up. Das Jahr hatte einiges zu bieten. Ein Rückblick auf die größten Erfolgsmeldungen und Aufreger.

Was waren wir alle optimistisch zum Jahresbeginn. Schlimmer als 2020 könne 2021 doch nun wirklich nicht werden. Ob sich das bestätigt hat, liegt wohl im Auge des Betrachters, aber besonders gut lief das Jahr gesamtgesellschaftlich betrachtet eher nicht: Coronapandemie inklusive  Impfgegner-Problem, das Afghanistan-Desaster und die Flutkatastrophe – das Jahr hätte sich einige Ereignisse durchaus schenken können.

Immerhin in der deutschen Start-up-Welt gab es einige gute Meldungen. Ein Fundingrekord jagte den nächsten, einige Start-ups konnten sich dieses Jahr den Einhorn-Status sichern. Die neue Bundesregierung, im Herbst frisch gewählt, plant zudem, einiges für den Gründerstandort zu tun. Das ewige Klagen über die deutsche Unlust am Unternehmertum hat vielleicht endlich ausgedient.

Was nicht heißt, dass es nichts zu kritisieren gäbe. Ob nun sexistische Produkte bei Die Höhle der Löwen, der ewige Streit zwischen Gorillas und seinen Mitarbeitern und das Crowdfunding-Chaos bei Volocopter: Für einen gepflegten Skandal ist die Szene nach wie vor gut, ein Rückblick auf ein turbulentes Start-up-Jahr.

Das Jahr der Lieferdienste

Den größten Hype erlebten dieses Jahr eindeutig Lebensmittellieferdienste. Mit Gorillas und Flink schafften es gleich zwei erst kurz zuvor gegründete Unternehmen zur Milliardenbewertung. Weitere Anbieter wie Getir und Picnic starteten ebenfalls in Deutschland. Jahrelang galt das Konzept hierzulande als nicht umsetzbar, vor allem, weil das Lohnniveau in der Bundesrepublik zu hoch sei. Fairerweise sei gesagt, dass bisher auch die neuen Anbieter in der Regel nicht profitabel arbeiten. Zum Glück gibt es reichlich prominente Geldgeber, die langfristig an das Geschäftsmodell glauben.

Dazu zählt unter anderem Delivery Hero. Die Berliner, selbst in einem ähnlichen Bereich unterwegs, steckten Geld in Gorillas. Eine nette Fußnote dabei bleibt, dass Delivery-Hero-Gründer Niklas Östberg die Lebensmittellieferdienste einst als „vernetzte Spätis“ verspottet hatte. Nicht das einzige, was dieses Jahr aus Sicht des Dax-Unternehmens eher peinlich wirkte: Das Comeback auf dem Heimatmarkt mit der Marke Foodpanda dauerte nur wenige Monate, kurz vor Weihnachten stampfte Delivery Hero das Geschäft wieder ein.

Aber das sind wahrscheinlich Probleme, die sie bei Gorillas gerne hätten. Denn das Unternehmen kämpft schon das ganze Jahr über mit einigen seiner Mitarbeiter. Es gab wilde Streiks, blockierte Warenlager und Entlassungen, die Atmosphäre zwischen Management und Arbeitnehmern schien vor allem in Berlin völlig vergiftet. Zuletzt gab es aber eine Betriebsratswahl, Gorillas kündigte außerdem eine Lohnerhöhung an. Ob damit alles beigelegt ist? 2022 wird es zeigen.

Schöne neue Fintech-Welt

Eine Mega-Finanzierungsrunde verbuchte dieses Jahr der Neobroker Trade Republic. 900 Millionen US-Dollar waren es in der Series-C-Runde – da war der Einhornstatus natürlich nur noch Formsache. In einem Jahr, in dem Menschen zum einen viel Zeit und zum anderen Geld übrig hatten, profitierten Trading-Apps weltweit. Ärger gab es aber durch den Aufstieg der Meme-Stock-Bewegung. Als sich im Frühjahr Anleger auf der Plattform Reddit zusammentaten, um mithilfe der Gamestop-Aktie Hedgefonds in die Bredouille zu bringen, setzte Trade Republic den Handel mit ebendieser kurzzeitig aus. Die Folge waren ein Shitstorm und eine Bafin-Untersuchung, die allerdings glimpflich ausging. 

Auch ein anderes neues Fintech-Einhorn, die Neobank N26, kam 2021 nicht ohne Kontroversen aus. Die Vorwürfe waren dabei altbekannt: Die Compliance des jungen Geldhauses sei unzureichend, so hieß es von Aufseherseite. Das Resultat war Ende des Jahres eine Beschränkung für das Neukundengeschäft. Trotzdem darf sich N26 aktuell „wertvollstes Fintech Deutschlands“ nennen.

Stiller Held

Ein Start-up überflügelte bezüglich der Bewertung aber alle. Celonis wurde dieses Jahr zunächst zum ersten deutschen Decacorn, also zum zehnfachen Einhorn. Mittlerweile kam bereits eine weitere Milliarde hinzu. Die Münchener Softwarefirma schafft das alles angenehm unaufgeregt, große Skandale gab es nicht, nur viel Anerkennung. Zudem gibt das Start-up Grund zur  Hoffnung, dass Jahrzehnte nach SAP mal wieder ein deutscher Technologiegigant entstehen könnte. 

Kleine Gemeinheiten

Eher boulevardesk, aber trotzdem ein großes Thema, waren die Pinky Gloves. Der Einweghandschuh zur Entsorgung von Tampons wurde in der Höhle der Löwen vorgestellt. Ralf Dümmel wollte investieren, allerdings war der Shitstorm am Ende so groß, dass die Gründer schnell aufgaben. Der Vorwurf: Sexismus, so ein Produkt bräuchte keine Frau. 

Ob irgendwer Flugtaxis braucht, das sei dahingestellt. Im Gegensatz zu dem Tamponhandschuh ist das Thema noch nicht tot, bekam allerdings einen schweren Schlag, als Volocopter den geplanten Börsengang absagte. Die Gelackmeierten dabei waren die Kleinanleger, die das Unternehmen anfangs per Crowdfunding unterstützt hatten. Sie bekommen nun deutlich weniger Geld als im Falle des Gangs an den Kapitalmarkt

Zusammengefasst: Ein turbulentes Jahr geht zu Ende. Ob 2022 ruhiger wird? Eher nicht. Solange die Zentralbanken an ihrer ultralockeren Geldpolitik festhalten, werden weiterhin große Finanzierungsrunden anstehen. Und für einen gepflegten Griff ins Klo sind Teile der deutschen Start-up-Szene immer gut. Was sonst so ansteht, dass steht kommende Woche im Startbase-Jahresausblick.


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