„Viele Impact-Start-ups werden unterschätzt“

Ina und Ingo Dahm wollen Privatinvestoren ermöglichen, in nachhaltige Start-ups zu investieren. Aber ist das überhaupt sinnvoll? 

Das Gründer-Ehepaar Ina und Ingo Dahm, dass muss man so sagen, hat es sich gemütlich gemacht. Inmitten der Kölner Altstadt, gerade einmal 100 Meter vom Rhein entfernt, hat ihr Start-up Capacura seinen Sitz. Von dort suchen sie mit ihrem Team nach vielversprechenden nachhaltigen Start-ups, investieren in diese und wollen daran anschließend auch kleine Privatinvestoren beteiligen. Doch Kritiker warnen: Solche Investments seien für kleine Anleger mit einem hohen Risiko verbunden. 

Herr Dahm, Sie wollen mit Capacura eine nachhaltige Wirkung, neudeutsch Impact, haben. Warum ist Ihnen das so wichtig? 

Weil wir mit unseren Investitionen einen Beitrag zu einer guten Zukunft leisten wollen. Viele finden diese Einstellung gut, haben aber Sorge vor schlechten Renditen.

Ganz häufig fragen uns Leute, auf wie viel Rendite sie verzichten müssen, wenn sie auf Impact setzen. Ich stelle dann immer die Gegenfrage? Investierst du in Porno, oder in Kinderarbeit oder in Landminen oder Drogen? Uns ist doch klar, dass dies – rein finanziell betrachtet – sehr lukrative Geschäfte sind. Dann sagen die meisten zu mir völlig entrüstet, dass sie das nicht tun. Dann sage ich denen: Und das ist der Grund, warum Du in Impact investieren solltest. Du hast doch einen inneren Kompass, ein inneres Wertesystem. Es geht darum, in das zu investieren, was Du für gut hältst. Da wollten wir eine Abhilfe schaffen, auf der einen Seite für die Impact-Start-ups, damit sie besser an eine Finanzierung kommen und bessergestellt sind als Start-ups, die nicht diesem Wertesystem folgen. Auf der anderen Seite wollten wir allen helfen, die gerne in Start-ups investieren wollen, an diesem Club-Geschäft aber nicht mitmachen können, weil ihnen die großen Summen fehlen. 

Wenn Start-ups kein Geld finden, kann das daran liegen, dass ein Investment schlicht unattraktiv ist.  

Natürlich kann das ein Grund sein. Aber viele Impact-Startups werden auch unterschätzt. Denn die Zahlen deuten darauf hin, dass die Kapitalanlage in Impact-Start-ups viel wertstabiler ist, als klassische Startup-Investments. Wir können uns ja mal überlegen, wie krisenstabil E-Commerce oder Marketing-Start-ups sind. Wenn es einem Unternehmen schlecht geht, kann es meistens bei drei Blöcken sparen: Marketing, Personal- und Sachkosten. Marketing-Start-ups leiden dadurch also sehr stark. Wenn wir im Gegenzug ein Start-up haben, dass Bildung für Kinder voranbringt, dann ist völlig egal, was die Börsen machen.

Ab wann ist ein Start-up nach Ihrer Definition ein Impact-Start-up? 

Es gibt die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (SDGs) und es muss zu einem dieser Ziele passen. Für uns ist darüber hinaus wichtig, dass es in den Bereichen Gesundheit, Bildung oder Umwelt einen Unterschied macht. 

Sie werben auf Ihrer Seite sehr offensiv, dass Sie in die „besten“ Start-ups investieren würden, was bei Ihnen eine Mischung aus Chance, Rendite und Impact ist. Was macht Sie so sicher, dass Sie wirklich die besten Start-ups finden? 

Wir haben ein anderes Screening-Modell als viele andere Investoren. Die meisten Business Angel schaffen es vielleicht, sich jeden Tag ein potenzielles Start-up anzuschauen, schaffen also maximal 300 bis 400 im Jahr. Wir schauen uns im Jahr über 4.000 mit Hilfe eines Algorithmus an. Der hilft uns, die Start-ups zu klassifizieren und besteht im Grunde aus einer Datenkrake und einer Zeitmaschine. Um den Kraken zu trainieren, haben wir uns 100.000 Start-ups aus öffentlichen Quellen angeschaut und sie mit weiteren zugänglichen Daten angereichert. Im nächsten Schritt lassen wir unser Programm alle Informationen herausfiltern, die zu einem bestimmten Zeitpunkt existiert hätten, zu denen ein Investor reingegangen wäre. Heute wissen wir ja, ob diese Unternehmen attraktiv gewesen wären. So können wir nachträglich Investments bewerten und anschließend Vorhersagen über aktuelle Start-ups treffen. Das ist natürlich kein Versprechen für die Zukunft, weil wir Daten aus der Vergangenheit heranziehen, dennoch stimmt uns dieses Verfahren sehr zuversichtlich. Zudem spart uns dieser digitale Prozess viel Zeit und Arbeitskräfte. Bei uns dauert die Ersteinschätzung, ob wir uns ein Start-up überhaupt näher anschauen wollen, 39 Sekunden. 

Sie sind unter anderem in Start-up Everwave investiert, das Plastik aus dem Meer fischt, wo der Impact ja sehr deutlich zu sehen ist. Sie sind aber auch in den digitalen Klavierspiellehrer Skoove investiert. Warum fällt das für Sie auch unter Impact? 

Man darf nicht vergessen, dass Skoove auch außerhalb Deutschlands aktiv ist. Es gibt viele Kinder auf der ganzen Welt, die keinen Zugang zu Klavierlehrern haben, weil sich die Eltern das nicht leisten können. 

Ist das Klavier teurer, oder der Lehrer? 

Es kann ja auch ein Keyboard sein und das ist mit Sicherheit in vielen Ländern günstiger als ein Klavierlehrer. Und zum anderen sind wir schon der Meinung, dass nicht nur das ABC und Mathematik die einzigen Punkte sind, die zur Bildung zählen. Musikalisches Verständnis ist ein super wichtiger Punkt. Dass wir vielen Menschen auf der ganzen Welt ermöglichen können, Klavier zu lernen, finde ich sehr wichtig. 

Sie unterscheiden sich ja von klassischen Wagniskapitalgebern, weil sich Privatanleger an Ihren Investitionen über Genussrechte beteiligen können. Wie genau funktioniert das? 

Wir sind eine operativ tätige Gesellschaft, die in Start-ups investiert. Wenn jetzt jemand sagt, dass er sich auch am wirtschaftlichen Erfolg eines Start-ups beteiligen möchte, dann kann er zu uns kommen. Wenn wir zum Beispiel 100.000 Euro in ein Start-up investieren und ein Privatanleger möchte gerne 2.000 Euro über uns in diverse Start-ups investieren, dann kriegt er genau diese Anteile. Dann wird ein Genussrecht erzeugt, das ist genauso geschnitten, dass er bei einer Ausschüttung entsprechend seiner Investition ausgezahlt wird. Bekommen wir also später eine Million ausgezahlt, erhält der Privatinvestor 20.000 Euro  

Das geht natürlich auch in die andere Richtung. Steigt die Start-up-Bewertung nicht, macht der Privatinvestor bei Ihnen Verlust.

Es kann auch sein, dass er sein eingesetztes Kapital verliert. Und es kann auch sein, dass er sein Kapital verliert, wenn Capacura insolvent geht. Darauf weisen wir hin. Start-up-Investitionen sind eher nicht das Fundament für eine sichere Altersvorsorge. Wenn aber ein Privatanleger Geld übrighat und etwas Positives tun möchte, dann kann ein Start-up-Investment über uns genau das Richtige für ihn sein.  

Wie viel Geld investiert Capacura selbst?

Wir beteiligen uns in der Regel zwischen 250.000 Euro und 300.000 Euro. Dort haben wir eine Lücke ausgemacht. Es ist meist zu viel Geld für einen Business Angel, aber noch zu wenig für einen Venture-Capital-Fonds. 90 Prozent unseres Investments schalten wir dann für Privatanleger frei. Zehn Prozent halten wir selbst. Wenn sich kein Privatinvestor interessiert, dann halten wir einfach weiter unsere Anteile. Und das ist auch der Grund, warum wir so sehr auf nachhaltige Start-ups setzen. Das Geschäftsmodell muss so gut sein, dass wir unsere Investition auch allein durchziehen würden. 

Vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person: Ingo Dahm forschte und promovierte im Bereich maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz. Er war unter anderem für Microsoft und die Deutsche Telekom unterwegs und wurde Professor für Technologie- und Innovationsmanagement an der Hochschule Bad Honnef. Gemeinsam mit seiner Frau gründete er 2017 Capacura.


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