„Wir machen erst und reden dann“

Merantix hat für viel Geld einen KI-Campus in Berlin geschaffen. Gründer Adrian Locher (r.) erzählt im Interview, wie es dazu kam, welche Vorteile der Campus hat und warum sie mit ihrer Firma Merantix einen ganz eigenen Weg gehen.
Adrian Locher sticht dann selbst in der Start-up-Szene noch einmal hervor. Der gebürtige Schweizer, Jahrgang 1982, hat unter anderem DeinDeal aufgebaut, verkauft und hat nun mit Merantix ein Investmentvehikel, das weder Company Builder, noch VC-Fonds sein will. Die ersten Projekte der Firma laufen bereits an, doch Locher denkt größer. Deshalb hat Merantix mitten in Berlin ein Bürogebäude gemietet und zum AI Campus umgebaut, bereits am 01. April öffnen die Türen.
Herr Locher, Sie setzen einen eigenen Campus für Künstliche Intelligenz nach Berlin Mitte, ein ziemlich gewagtes Projekt für einen Start-up-Finanzier. Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen?
Die Idee kam uns das erste Mal vor zwei Jahren. Wir sind damals das vierte Mal in drei Jahren umgezogen, einfach, weil wir zu schnell gewachsen sind. Wir haben dann ein Büro mit 600 Quadratmetern gefunden, am Oranienburger Tor und mit Garten. Dort sind all unsere Unternehmen unter einem Dach. Wir haben dort gemerkt, dass die Gemeinschaft zwischen den Teams sehr lebendig war, dass es Treffen gab, viel Austausch und viele Gespräche in der Kaffeeküche, das, was man im US-amerikanischen „Coffee-Bar-Chats“ nennt. Und dann haben wir gedacht: Warum sollten wir das nicht zehn Mal größer denken?
Jetzt sind es 5.200 Quadratmeter geworden. Wie lief die Planung?
Angefangen haben wir Mitte 2019 und dabei sehr stark darauf geschaut, wo wir große Kollaborationsflächen schaffen können. Das klassische Büro, in dem man in Ruhe arbeiten kann, das gibt es überall. Aber wir wollen Zusammenarbeit schaffen und deswegen haben wir das Gebäude auch so mitentwickelt und umgesetzt. Am 01. April eröffnet der AI Campus.

Wie gut sind Sie ausgebucht?
Etwa zu 70 Prozent. Das finde ich, gerade vor dem Hintergrund der andauernden Lockdowns und der Pandemie überhaupt, ein sehr gutes Zeichen: Viele Organisationen und Unternehmen denken trotz der aktuellen Herausforderungen im Sinne des KI-Ökosystems langfristig und groß. Wir haben zudem viele Besichtigungen jede Woche, werden im Laufe des Sommers also die letzten Plätze belegen.
Was haben Sie investiert?
Wir haben eine siebenstellige Summe investiert. Bei 5.200 Quadratmetern und dem durchschnittlichen Quadratmeterpreis in Berlin-Mitte kann man sich das sicherlich ausrechnen. Gemietet haben wir das Gebäude direkt über zehn Jahre und wollen damit das KI-Ökosystem stärken. Wir hätten auch auf Bundes- oder Landesmittel warten können, aber dann stände der AI Campus nicht heute da, nicht in drei und auch nicht in fünf Jahren. Jetzt sind wir in Gesprächen, ob die Politik sich beteiligen mag. Wir machen es also anders als die KI-Strategie der Bundesregierung: Wir machen erst und reden dann.
Bei so einem Investment sollten Start-ups wahrscheinlich auch genug Geld für die Miete mitbringen. Was noch?
Besonders hoch ist die Miete nicht, weil wir den Platz zum Selbstkostenpreis vermieten. Wir wollen keine Immobilieninvestoren sein, sondern vor allen Dingen ein Ökosystem für Künstliche Intelligenz in Berlin schaffen. Deshalb müssen alle Firmen – die in den AI Campus ziehen wollen – natürlich in dem Feld arbeiten und sie müssen daran interessiert sein, sich auszutauschen, bei Treffen, bei Events. Scheu sollten sie auch nicht sein. Es wird auch Flächen geben, bei denen die Besucherinnen und Besucher Künstliche Intelligenz anfassen oder erleben können. Dieses Gebäude soll ein Schaufenster für KI sein.

Sie nennen sich bei Merantix ja ganz bewusst Venture Studio. Warum?
Ich habe mich nach dem Verkauf meines letzten Unternehmens 2015 in Europa, Asien und den USA nach Investorenmodellen umgeschaut und da ist mir das Studio-Modell aufgefallen, das wir dann auch umgesetzt haben. Wir unterscheiden uns zu sehr vom klassischen VC-Fonds und auch vom Company Builder. Was für Start-ups im E-Commerce funktioniert hat, sehen wir für KI-Unternehmen nicht: Es reicht nicht, nur Geld in eine gute Idee zu pumpen. Wir haben über Jahre ein Netzwerk an Partnerinnen und Partnern aufgebaut, welches mit Forschung, Datensätzen und Pilot-Projekten unseren Gründenden zur Seite steht.
Wo liegt dort der Unterschied zu dem, was Sie machen?
Wir investieren schon viel früher, bauen um eine Idee herum aber erst dann ein Team auf, wenn sie in ersten Pilotprojekten erfolgreich erprobt worden ist. Das sich immer weiterentwickelnde Ökosystem ist darauf ausgelegt, den einzelnen Start-ups – und das ist entscheidend – langfristig Zugang zu Know-how, Technologie, Raum und Kapital zu bieten. Wir suchen dann auch nach Partnerinnen und Partner und Unternehmen, die Interesse an einer solchen Idee haben könnten und helfen bei der Anschlussfinanzierung. Wir finanzieren bisher Pre-Seed und Seed aus einem Fonds von 25 Millionen Euro. Ab der Series-A-Finanzierungsrunde holen wir externe Investorinnen und Investoren dazu.
Sie haben 2016 angefangen und gerade einmal sechs Firmen ausgegründet. Wo hakt es?
Wir haben uns in den ersten drei Jahren bewusst viel Zeit gelassen. Wir wollten schauen, was funktioniert und was nicht funktioniert. Wir haben unseren Prozess mehrmals iteriert und erst als wir uns sicher waren, haben wir schneller gegründet. 2020 haben wir zwei Start-ups ausgegründet, dieses Jahr werden es vier oder fünf.

Was machen Sie heute nicht mehr, was Sie anfangs getan haben?
Wir bauen das Team und die Firma erst dann auf, wenn wir die Idee zwölf Monate mit der Gründerin oder dem Gründer diskutiert und validiert haben. Das heißt, wir wissen, dass es konkretes Interesse von potenziellen Kundinnen und Kunden an der Idee gibt. Erst dann fangen wir an, was sehr viel kosteneffizienter ist, als jedes Mal ein großes Team aufzubauen und dann umschwenken zu müssen.
Wie viele Ideen besprechen Sie jedes Jahr?
Mehr als tausend.
Wie viele schaffen es in die Inkubationsphase?
Im vergangenen Jahr waren es vier.
Das sind 0,4 Prozent. Woher kommen die Ideen?
Wir entwickeln Ideen zum einen mit externen Gründenden, die etwa aus ihrer eigenen Forschungsarbeit Impulse mitbringen, aus unserem Netzwerk, wo wir auch eng mit Universitäten zusammenarbeiten und aus unserem Merantix Labs, das KI-Projekte mit mittelständischen und DAX-Unternehmen aufbaut. Die Chance mag klein aussehen, aber wir sind sehr offen für neue Ideen von Gründerinnen und Gründern.
Vielen Dank für das Gespräch.
zur Person: Adrian Locher ist Co-Gründer und CEO des Venture Studios Merantix. Der gebürtige Schweizer hat an der Universität St. Gallen (HSG) studiert und ist seit mehr als 15 Jahren als Serien-Gründer und Angel-Investor in Europa und den USA aktiv. Vor Merantix hat er DeinDeal aufgebaut. Das Investment-Portfolio von Adrian Locher umfasst unter anderem ein Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien, einen Buchungsanbieter und ein Finanzautomatisierungsunternehmen.
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