Wie Wiwin vom Finanzvermittler zum Fintech werden will

Das Mainzer Start-up vermittelt nachhaltige Geldanlagen. Es ist vor allem für seine Crowdinvesting-Kampagnen mit Tomorrow und Lemonaid bekannt. Aber nun will die Firma nicht mehr nur im Hintergrund stehen, sondern selbst zum Fintech werden.

Kein großer Investor, kein Staat, aber trotzdem eine Acht-Millionen-Euro-Finanzierung: Das Geld für Tomorrow im vergangenen Oktober kam von über 6.000 Privatpersonen. Ein Erfolg für die Hamburger Bank mit nachhaltigem Versprechen, doch auch für das Start-up Wiwin. Es hat die Fäden im Hintergrund gezogen. 2021 setzten die Mainzer insgesamt über 20 Millionen Euro über Crowdinvesting um und das soll erst der Anfang sein. Das gesamte vermittelte Volumen von Wiwin soll in diesem Jahr 40 Millionen Euro umfassen, „im nächsten Jahr 75 und ab 2024 dann jedes Jahr 100 Millionen Euro“, erklärt Jonas Klose selbstbewusst. Er leitet seit September 2021 gemeinsam mit Sigrid Niederlintner das operative Geschäft von Wiwin, Gründer Matthias Willenbacher wird sich in diesem Jahr endgültig zurückziehen. Das Geld soll neben dem Crowdinvesting auch aus Immobilienprojekten und Finanzierungsrunden für Start-ups kommen. 

„Wir wollen vom Finanzvermittler zum Fintech werden“, erklärt Niederlintner im Zoom-Gespräch die optimistischen Prognosen und lächelt stolz. Bedeutet: Weg von der White-Label-Lösung hin zu eigener IT-Infrastruktur, auf lange Sicht soll alles intern angesiedelt sein. „Um jetzt schnell starten zu können, haben wir aber einen IT-Dienstleister beauftragt“, erklärt sie. Im besten Fall geht es schon in diesem Jahr los. Dementsprechend ist „eine der größten Herausforderungen 2022, unsere eigene IT-Plattform zu bauen.“ Woran es scheitert, nicht direkt Inhouse damit loszulegen? „Es ist kein Geheimnis, dass es aktuell einen großen Engpass im Bereich IT am Markt gibt“, sagt Niederlintner. Die Konkurrenz ist groß, überzeugen will das Start-up vor allem mit seinem Fokus auf Nachhaltigkeit: „Wir sind sehr positiv. Das Thema Purpose ist gerade bei jungen Leuten sehr wichtig und wird immer wichtiger, damit können wir super punkten“, erklärt Niederlintner.

Wiwin setzt streng auf Nachhaltigkeit

Egal, ob Crowdinvesting oder dann bald Immobilienprojekte, Wiwin bietet nur streng auf Nachhaltigkeit und Impact geprüfte Investitionen an. Am Ende „schaffen es nur ungefähr ein bis zwei Prozent der Anfragen wirklich auf unsere Plattform“, sagt Klose. Das Urteil fällen interne wie externe Expertinnen und Experten, sie legen die Kriterien individuell für die Branche und das Geschäftsmodell des jeweiligen Start-ups fest. Noch liegen dabei die ESG-Kriterien der Vereinten Nationen und eigene Vorgaben zugrunde, außerdem gibt es ein Ausschluss von Investitionen in Bereiche wie Waffen, Gas, Atomenergie oder Tabak. Doch das soll standardisiert werden: Ein Projekt dieses Jahr ist die Erstellung eines Impact-Scorings, das den Kundinnen und Kunden transparent zeigen soll, wie Wiwin seine Investitionen auswählt. Damit soll der Prozess auch verschnellert werden. 

Nur ein bis zwei Prozent der Anfragen schaffen es auf unsere Plattform

Jonas Klose, Prokurist Wiwin

Das Wachstum und die geplante Neuausrichtung fordern personelle wie zeitliche Ressourcen und die strenge Prüfung führt zu gedrosseltem Tempo. Schon im vergangenen Jahr gab es Zeiten, wo Wiwin innerhalb von Stunden seine Projekte finanziert hatte und Privatanlegende leer ausgingen, wenn sie auf der Seite nach Investitionsmöglichkeiten suchten. „Wir waren ein paar Monate ausverkauft und mussten das aushalten“, erzählt Niederlintner. „Aber wir sind konsequent geblieben, haben unsere Kriterien nicht aufgeweicht, sondern weiterhin Projekte ohne Impact abgelehnt.“ Nichts im Angebot zu haben, muss sich allerdings ändern, wenn die Mainzer im Fintech-Dschungel überleben wollen.

Die Konkurrenz ist hart, Wiwin sieht sich jedoch „in vielen Aspekten in der Branche führend, beispielsweise beim Thema digitale Wertpapiere und Blockchain“, sagt Niederlintner. Und die Mainzer füllen ihrer Ansicht nach eine Lücke: „Wenn Unternehmen für Projektfinanzierungen Kapital suchen, das zwischen 500.000 und 1,5 Millionen Euro liegt, ist das für institutionelle Investoren uninteressant, weil das Volumen zu klein ist, und zu viel für deinen Papa, der dir Geld leiht“, erklärt Klose.  Aber Wiwin ermöglicht es durch viele Kleininvestorinnen und -investoren, das Crowdinvesting bleibe Markenkern, sagt der Geschäftsführer.

Wiwin will mit seinem Angebot eine Lücke schließen 

Trotzdem erweitert Wiwin sein Angebot kontinuierlich. Im vergangenen Jahr setzte das Start-up seinen ersten Fonds auf, seit September 2020 baut Klose das Corporate-Finance-Geschäft auf, „das anfängt, wo unser Angebot im Crowd-Bereich aufhört.“ Und „da haben wir gerade einige spannende Mandate in der Umsetzung”, kündigt er an.

Einen Vorteil haben die Mainzer: Ihre Vernetzung und Erfahrung. Schon 2011 startete Willenbacher das Unternehmen unter dem Namen Juwi Invest als Schwester des Energieunternehmens Juwi. 2016 findet die Umbenennung und -firmung in Wiwin statt. Gleichzeitig hat Willenbacher die Stiftung „100 Prozent erneuerbar“ gegründet und ist selbst als Investor tätig, beispielsweise bei Tomorrow. So entstand auch der Kontakt für die Crowdinvesting-Kampagne durch Wiwin. „Wir bekommen viele Mandate über Empfehlungen und über aktive Ansprache durch die Kunden oder aus dem Netzwerk“, erklärt Klose. Eigenakquise ist bisher „noch der kleinste Teil“, mit der Weiterentwicklung „wollen wir das in Zukunft deutlich mehr machen.“

„Wir wollen Wiwin zur führenden Plattform für nachhaltige Geldanlage in Europa entwickeln“, sagt Klose. Gerade startet Wiwin eine Crowdinvesting-Kampagne für sich selbst, Ende vergangenen Jahres sammelten die Mainzer einen sechsstelligen Betrag durch Business Angels ein. Noch steht die Transformation am Anfang, aber an Selbstbewusstsein mangelt es den Mainzern nicht. 


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