Wie auch Start-ups in die Greenwashing-Falle tappen

Nicht nur die ganz großen Unternehmen, auch Start-ups locken Kunden mit falschen Nachhaltigkeitsversprechen, wie einige prominente Fälle zeigen. Dabei lohnt sich der Mut zur Ehrlichkeit. 

Ein klimaneutrales Konto verspricht das Fintech Tomorrow seinen rund 124.000 Kunden. Anders als kommerzielle Banken – die in der Vergangenheit etwa mit Investitionen in Kohlekraft-Unternehmen aufgefallen sind – würde Tomorrow sich „der Nachhaltigkeit und sozialen Gerechtigkeit“ verpflichten. Etwa indem die Kundeneinlagen nachhaltig angelegt werden. 

Doch ein Blick in die App zeigt: Von den rund 369 Millionen Euro Einlagen wurden bisher nur rund 30 Prozent investiert. Rund 70 Prozent des Geldes liegt also „impactfrei“ bei der Bundesbank. 

Nicht einfach nur gründen, sondern die Welt verbessern. Mehr als drei Viertel aller Gründer in Deutschland wollen mit ihren Start-ups eine positive gesellschaftliche oder ökologische Wirkung erzielen, zeigen Zahlen des Green Startup Monitors. Doch manchmal laufen die Start-ups ihren eigenen guten Vorsätzen hinterher, genau wie Tomorrow. Es sei schwierig, passende Geldanlagen zu finden, sagte Tomorrow-Gründer Jakob Berndt 2021 im Finance-Forward-Podcast. 

Kreditkarte aus Holz vom Green-Fintech Tomorrow (Foto: Tomorrow)

Dass hier ein Fintech einerseits mit Impact Investments wirbt, andererseits aber 70 Prozent der Einlagen „impactfrei“ herumliegen, ist eine Form von Überkommunikation, die kein Einzelfall ist. „Nachhaltigkeit ist für immer mehr Konsumenten ein Kaufgrund und somit ein wichtiges Werbeargument für Unternehmen“, erklärt Green-Marketing-Experte Reinhard Herok, der an der Fachhochschule Wiener Neustadt am Institut für Nachhaltigkeit forscht. In ihrem Eifer würden Unternehmen oft dazu neigen, es beim grünen Marketing zu übertreiben. Ein Klassiker sei etwa die Kommunikation von Selbstverständlichkeiten, etwa „FCKW-frei“, obwohl diese Treibhausgase längst sowieso verboten seien. Es handle sich bei dieser Form des Marketings um Greenwashing.

Mit dem Wort „Greenwashing“ verbinden Verbraucher in der Regel Werbekampagnen großer Unternehmen, deren Geschäft nachgewiesenermaßen negative Auswirkungen auf die Umwelt hat: große Bekleidungsfirmen, die plötzlich mit Öko-Baumwolle werben und dabei nicht aufhören, alle zwei Wochen neue Modekollektionen auf den Markt zu bringen und so Überkonsum zu fördern. Auch Luftfahrtgesellschaften gehören dazu, die ihren Kunden anbieten, etwas mehr zu zahlen, um das auf ihrem Flug ausgestoßene CO2 zu kompensieren. 

Auch Start-ups neigen zum Greenwashing

Doch auch Start-ups neigen dazu, in die Greenwashing-Falle zu tappen – oft nicht mit bösen Absichten, wie Nathan Bonnisseau erklärt. Er hat Plan A gegründet und eine Carbon Accounting Software entwickelt, die Unternehmen dabei helfen soll, ihre Emissionen zu messen und zu reduzieren. „Es gibt viele Unternehmen, die alles richtig machen wollen, aber keine Expertise auf dem Gebiet haben.“ Eine häufige Folge: Sie werben mit vagen Nachhaltigkeitsversprechen, die bisher nirgendwo belegt worden sind. 

Auch dem grünen Fintech Tomorrow ist das passiert: In der Vergangenheit warb der Banking-App-Anbieter für sein Premium-Konto mit dem Versprechen, dass der Kontoinhaber damit seinen eigenen CO2-Fußabdruck kompensieren könne. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg mahnte Tomorrow deshalb wegen irreführender Werbung ab. Die Argumentation: Das Unternehmen sei gar nicht in der Lage, den persönlichen Fußabdruck eines Kunden zu kennen. Mittlerweile hat Tomorrow die Werbeaussage korrigiert. 

„Unternehmen sollten nicht mit Nachhaltigkeitsversprechen werben, die sie nicht oder erst in der Zukunft erfüllen können“

Plan A - Gründer Nathan Bonniseau

„Unternehmen sollten nicht mit Nachhaltigkeitsversprechen werben, die sie nicht oder erst in der Zukunft erfüllen können“, rät Bonnisseau. Besser sei es, wenn Gründer klar kommunizieren, „auf welchem Teil ihrer Nachhaltigkeitsreise sie sich befinden.“ Denn würden Kunden erst einmal begreifen, dass ihnen falsche Versprechen gemacht worden seien, würde es lange dauern, bis sie wieder Vertrauen in das Unternehmen fassen. „Wenn Kunden herausfinden, dass ein Unternehmen weniger für das Thema Nachhaltigkeit macht als es vorgibt, fühlen sie sich betrogen – und das ist eine starke Emotion.“

Welche Wellen es schlagen kann, wenn ein Unternehmen falsche Versprechungen macht, zeigt das Beispiel Air-up. Gemeinsam mit dem Spiegel hat das Nachhaltigkeitsportal Flip Anfang April herausgefunden, dass das Start-up, das Trinkflaschen mit Duftringen anbietet, zwar damit wirbt, mit entscheidend weniger Plastik und CO2-Emissionen auszukommen. Doch eine Ökobilanz dazu, ob und wie viel eingespart wird, gibt es laut Flip und Spiegel nicht. Rund fünf Monate nachdem der Artikel erschienen ist, griff nun der ZDF-Satiriker Jan Böhmermann das Thema erneut auf. 

Nathan Bonnisseau (l.) und Lubomila Jordanova haben Plan A gemeinsam gegründet. (Foto: Plan A)

Das zeigt: Wurde ein Unternehmen einmal dabei erwischt, bei der Werbung mit der Nachhaltigkeit zu übertreiben, dauert es, bis sich der Ruf wieder erholt. Und noch schlimmer: Oft wird durch solche Einzelfälle auch die gesamte Branche in Mitleidenschaft gezogen. „Je mehr Greenwashing-Fälle auffliegen, umso mehr sinkt das Vertrauen in den privaten Sektor“, sagt Bonnisseau. Das schade wiederum der Umwelt, da Konsumentscheidungen durchaus beeinflussen würden, wie nachhaltig Unternehmen wirtschaften. 

„Nicht nur Kunden legen immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit, sondern auch Investoren“, so Green-Marketing-Experte Herok. Die Versuchung, mit falschen Nachhaltigkeitsversprechen zu werben, sei hoch. Eine beliebte Methode: „Unternehmen erfinden eigene Siegel, um den Verbrauchern vorzugaukeln, besonders grün zu sein.“ 

Siegel werden manchmal ohne Prüfung vergeben

Hier durchzublicken, wird für Konsumenten immer schwieriger – zumal es auch Anbieter gibt, die Label vergeben, ohne Belege zu den CO2-Emissionen anzufordern. Das zeigte eine Recherche der Zeit, der es gelang, für ein ausgedachtes Start-up „klimaneutral“-Label von drei Anbietern zu ergattern. Belege zur Strom- und Heizkostenabrechnung, um den CO2-Fußabdruck zu berechnen, seien nicht verlangt worden. Auch zum Sparen von CO2-Emissionen sei das fiktive Start-up nicht aufgefordert worden.

Konsumentenfreundlich ist das Werben mit Siegeln also nicht unbedingt. Doch welche Schritte sollten Start-ups gehen, die es mit der Nachhaltigkeit ernst meinen? Bonnisseau rät dazu, die Emissionen von Experten messen zu lassen und dann genau an den Ursachen der Verschmutzung anzusetzen. „Ein Anfang ist zum Beispiel, bei Dienstreisen Flüge durchs Zugfahren zu ersetzen.“ Erst, wenn ein Ziel nachweisbar erreicht worden sei, sollte das Start-up damit werben. 


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