Wie Spryker trotz Fachkräftemangel an Tech-Talente kommen will

Der Kampf um Mitarbeiter eskaliert, auch weil der Mittelstand den Start-ups die Mitarbeiter wegschnappt. Wie das Multimillionen-Start-up Spryker damit umgeht – und was andere lernen können. 

500 Millionen US-Dollar wert, Expansion in die USA: Für das Berliner E-Commerce-Start-up Spryker waren die vergangenen Jahre zunehmend von Erfolgen geprägt. Mit seinem Baukasten für Onlineshops hat das Start-up es geschafft, große Namen wie die Equity-Firma TCV auf sich aufmerksam zu machen und später in die USA zu expandieren. Es könnten Tage der Freude sein, doch für Elise Müller bedeutet das starke Wachstum vor allen Dingen Druck: Denn die Personalchefin des 2014 gegründeten Start-ups muss bei immer mehr Aufträgen eben auch immer mehr Mitarbeiter an Bord holen – und die sind schwieriger zu bekommen als jemals zuvor. 

Die Great Resignation kommt auch bei deutschen Start-ups an

Denn die Start-up-Szene leidet, wie einige Branche auch, stark unter gleich mehreren Entwicklungen, die zu einem großen Problem führen. Zum ersten spüren sie die sogenannte “Great Resignation”, die sich in den USA heute schon besser messen lässt als in Deutschland. Der Begriff beschreibt die freiwillige Kündigung von Mitarbeitern, die in der Pandemie gemerkt haben, dass sie ihr Leben doch noch einmal umkrempeln wollen und keine Lust mehr auf ihren aktuellen Job haben. In den USA soll das dazu geführt haben, dass allein zwischen Januar 2021 und Februar 2022 fast 60 Millionen Angestellte ihren Job gekündigt haben.

Dazu kommt die größere Konkurrenz, die sich gerade bei Start-ups bemerkbar machen dürfte. Zum einen ist das der Wettbewerb untereinander, zum anderen ist es der deutsche Mittelstand oder es sind große Dax-Konzerne, die um die wenigen Programmierer und Fachkräfte buhlen. Das verstärkt den Fachkräftemangel bei Start-ups enorm und treibt so ihre Kosten für die Suche wie auch das Halten von Talenten nach oben. 

„Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften entwickelt sich zum Wachstumshemmnis Nummer eins.”

Achim Berg, Bitkom

Die Folge: Junge Unternehmen suchen händeringend nach Mitarbeitern. So zeigte eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom zuletzt, dass Tech-Start-ups in Deutschland sehr gerne neue Mitarbeiter einstellen würden, acht von zehn Unternehmen sind auf der Suche, zwei Drittel der Befragten Start-ups haben vakante Stellen. „Das kann zum Problem werden, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg: „Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften entwickelt sich zum Wachstumshemmnis Nummer eins.”

Boni, Benefits und Basisgehalt: Die Angebote von Firmen werden immer üppiger

Elise Müller von Spryker kennt all diese Probleme nur zu gut. Als sie 2017 anfing, für ihr Start-up auf die Suche nach Mitarbeitern zu gehen, zahlte sie noch 50.000 bis 60.000 Euro für einen guten Programmierer, heute kann das auch schon einmal das Doppelte sein. Dazu kommen immer mehr „Benefits”, zu deutsch Vorteile, die ein Start-up jungen Bewerbern bieten muss. Das fängt beim Dienstauto oder Dienstfahrrad an, geht über eine moderne Büroausstattung fürs Home-Office und bis hin zum Angebot, von überall und zu flexiblen Zeiten zu arbeiten oder mehr Urlaubstage zu versprechen. “Die Benefitpakete sind heute viel üppiger als früher”, sagt Müller.

Bei Spryker ist zwar das Kernteam vom Anfang größtenteils geblieben, doch ist die Fluktuation in den vergangenen Monaten angezogen, berichtet die Personalchefin des Start-ups. Die Fluktuationsrate sei im Durchschnitt auf 18 Prozent geklettert und gerade im Bereich des Vertriebs auch nochmal höher. “Im Salesbereich die Leute lange zu halten, ist schwierig. Gerade große Firmen bieten neben hohen Gehältern immer noch mehr Benefits, immer noch höhere Boni und so weiter. Das treibt natürlich Anforderungen von Kandidatinnen und Kandidaten in die Höhe”, sagt Müller. 

Spryker-Gründer Alexander Graf und Boris Lokschin haben zuletzt viel Geld eingesammelt. (Foto: Spryker)

Der Kampf um die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlt sich für Elise Müller mittlerweile an wie ein großes Haifischbecken: Alle kreisen um wenige Talente. Besonders in Deutschland sei das deutlich zu spüren, weil auch wenige neue qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nachrücken würden, gerade im Tech-Bereich. Entsprechend groß ist die Konkurrenz auf dem heimischen Markt, was Spryker zu einem – im Nachhinein klugen – Schritt veranlasst hat: Statt nur im DACH-Raum sucht das Start-up auch in den USA, UK, im gesamten asiatischen Raum oder anderen Ländern, die viele erst einmal nicht auf dem Schirm haben. Immerhin können Entwickler theoretisch von überall und zu jeder Zeit arbeiten. „Wir haben unsere Talent-Funnel quasi größer gemacht”, sagt Müller. 

Die Entlassungswelle bei Start-ups bietet Chancen für Unternehmen, die gut durch die Krise kommen

Zwar seien die Kosten für internationale Rekrutierung natürlich größer, weil man vielleicht auch Headhunter brauche, Leute, die die Bürokratie im Griff haben und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auch von Zeit zu Zeit ins Hauptquartier einfliegen müsse. Doch habe sich der Schritt gelohnt, glaubt Müller. Zudem bringe die internationale Suche auch den Vorteil, dass unbesetzte Stellen womöglich schneller durch Abwerben nachbesetzen könne. Anders als in Deutschland gibt es nicht immer eine drei- oder sechsmonatige Kündigungsfrist, sodass neue Mitarbeiter schneller im neue Job anfangen können. 

Positiv für das Start-up ist die aktuelle Situation bei anderen Unternehmen, die aktuell ihre Mitarbeiter kündigen müssen. So kommen wieder mehr Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf den Markt, die vorher an ein Unternehmen gebunden waren. „Hier schauen wir uns ganz gezielt um, auch auf Plattformen wie Linkedin”, sagt Spryker-Personalchefin Müller. Immer wieder würden Bekannte, Personalchefs oder Unternehmen im Netzwerk auf gerade frei gewordene Talente verweisen oder man würde von Kündigungen lesen. Nicht selten stellen Mitarbeiter dann Listen Online, wer gerade einen Job sucht. „Wir schreiben die Mitarbeiter dann direkt an oder schicken Ihnen einen Link zur Karriereseite. Das sind neue Wege, aber die müssen wir natürlich gehen”, sagt Müller. 


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