Von Spitzenkaffee und Recyclinganlagen
Von einem „ungewöhnlichen Geschäftsmodell“ zu sprechen, wäre noch untertrieben. Das Start-up Plastic 2 Beans vertreibt zum einen Kaffee aus Äthiopien und bietet zum anderen Wissen für den Bau von Recyclinganlagen an. Wie kommt man auf eine solche Idee?
Kalie-Martin Cheng weiß selbst nicht so genau, wie er anfangen soll, wenn er über die Gründungsgeschichte seines Start-ups spricht. Seinen Mitgründer Abiye Dagnew traf er, als der sich für seinen Sohn die Schwimmflügel seiner Tochter ausleihen wollte, beginnt Cheng. Dann setzt er doch nochmal ganz von vorne an und beginnt lieber mit seinem Studium und seinem Doktortitel, denn auch der spielt eine wichtige Rolle für die Gründung von Plastic 2 Beans.
Bei dem Kölner Start-up, das wird schnell deutlich, wenn Cheng zu erzählen beginnt, ist alles ein wenig komplizierter als bei anderen jungen Unternehmen – oder zumindest ungewöhnlicher. Das Start-up konzentriert sich nicht auf ein schickes Produkt, sondern arbeitet in zwei völlig verschiedenen Geschäftsfeldern parallel. Plastic 2 Beans ist zum einen Händler für äthiopischen Kaffee, zum anderen will es die Kreislaufwirtschaft in dem Land stärken. Dazu hat es zum Beispiel schon mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zusammengearbeitet. Aktuell geht es um den Bau einer Recyclinganlage für Plastikflaschen. Das Start-up vermittelt zusätzlich zum Kaffeehandel Investoren, hat auch schonmal eine Machbarkeitsstudie erstellt und bekommt dafür ebenfalls Geld. „Wir finanzieren uns zu 50 Prozent über unseren Kaffeeverkauf und zu 50 Prozent aus Aufträgen für die Entwicklungszusammenarbeit“, sagt Cheng.
Wissensvermittlung gegen Kaffee als Bezahlung
Für die Idee, beide Geschäftsfelder miteinander zu kombinieren, hat das Start-up im vergangenen Jahr den Sonderpreis des Effizienz-Preises NRW erhalten. Der Preis wird von der Effizienz-Agentur NRW verliehen, die im Auftrag des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums arbeitet. Die Kombination der beiden Geschäftsfelder ermöglicht es dem Start-up, Wissen nach Äthiopien für Recycling zu vermitteln, ohne dass äthiopische Firmen es dafür direkt bezahlen müssen. Plastic 2 Beans bezeichnet es daher selbst gerne als eine Vermittlung von Technologie und Wissen im Tausch gegen Kaffee. „Das Konzept ist ein neuer Ansatz, der Wirtschaftszweige zusammendenkt, die auf den ersten Blick nichts gemein haben. Das Businessmodell erhebt Güter zur Währung, um den Devisenmangel [in Äthiopien] zu umschiffen“, erklärte auch der Juryvorsitzende Bernd Draser damals die Auszeichnung für das Start-up.
Wer etwa in Köln den ein oder anderen Rewe-Supermarkt besucht, der kann die Produkte des Start-ups bereits in den Regalen finden. Es gibt ganze Kaffeebohnen oder gemahlene, aus einer Tüte oder gerne auch aus einer Glasflasche. Wer noch nicht im Verkaufsgebiet des Start-ups liegt, kann auch den Onlineshop nutzen, muss auf den ohnehin schon teuren Kaffee aber noch weitere 4,90 Euro Liefergebühr zahlen, wenn er für unter 50 Euro einkauft. Zudem arbeitet das Start-up mit einigen Unternehmen direkt zusammen. Liefert Kaffee nach eigenen Angaben zum Beispiel an Henkel oder die Aktion Mensch.
In beiden Welten geht es den Gründern um das Thema Impact. „Schlürfen for a better world“, nennen sie das Motto ihres Unternehmens. Plastic 2 Beans setzt auf die beiden Kaffeesorten Wallaga Henna und Limmu aus Äthiopien, die für einige Kaffeetrinkern zu den weltbesten Sorten gehören und zudem laut dem Start-up als besonders nachhaltig gelten. Sie stammten aus dem äthiopischen Hochland und würden dort nach jahrhundertealter Tradition schonend angebaut, verspricht das Start-up auf seiner Seite.
Kaffee ist teurer als Fair Trade
Plastic 2 Beans bezieht den Kaffee von Kooperativen, also Genossenschaften, in denen Kaffeebäuerinnen und Bauern vereinigt sind. „Fairtrade-Händler zahlen den Bauern vor Ort meist um die zehn Prozent über dem Marktpreis, wir zahlen inzwischen mindesten 6,50 Euro bis 7,30 Euro pro Kilo, vor dem rapiden Preisanstieg im Kaffeesektor war das zwei bis dreimal so viel wie der Börsenpreis, aktuell ist es etwa das 1,5-fache“, sagt Cheng.
Am Ende ist es aber die äthiopische Welt des Recyclings, in der das Start-up so richtig viel bewegen möchte. Recycling dürfte für Äthiopien ein immer wichtigeres Thema werden. Denn zum einen leide das Land unter einem generellen Mangel an Rohstoffen wie Plastik, Metall oder Papier, weil dafür Ressourcen fehlen, wie die das Beratungsunternehmen Global Business Network analysiert. Zum anderen führe die hohe Abhängigkeit von Rohstoffimporten in Verbindung mit einer Knappheit an Devisen sowie hohen Transportkosten zu Preisen, die zwei- bis dreimal höher seien als auf dem internationalen Markt.
Da passt es gut, dass Cheng Polymerchemiker ist und in dem Bereich studiert hat. Sein Wissen will er möglichst für das Thema Nachhaltigkeit einsetzen. „Als meine Tochter geboren wurde, habe ich begonnen mich zu fragen, wie ich ihr unsere Welt hinterlassen möchte“, sagt er. Zwar wächst laut Cheng die Kunststoffindustrie in Äthiopien inzwischen rasant, das so wichtige Recycling wachse aber nicht mit. Plastikflaschen in dem Land würden zumeist nur geschreddert, dann nach Europa verschifft und nach dem Recycling als teure PET-Flasche wieder eingeführt. Die eigentliche Wertschöpfung findet damit also noch im Ausland statt.
Gespräche mit Investoren laufen
Laut dem Gründer fehlt es bisher schlicht an Wissen und Zugang zu Technologie, um das Recycling in Äthiopien selbst durchzuführen. Dass das Land dies bisher nicht aufbauen konnte, liegt wiederum am Devisenmangel. Äthiopische Unternehmer können ihre Handelspartner nur schwer in US-Dollar oder Euro bezahlen. Das schrecke viele ab. Plastic 2 Beans setzt sich daher unter anderem für den Bau einer entsprechenden Recycling-Anlage in Äthiopien ein. Als potenziellen Impact des Projekts gibt es die Einsparung von 30.000 Tonnen CO2 pro Jahr an.
Das Start-up ist dazu in der Projektplanung aktiv, macht zudem laut Gründer Cheng Investoren auf die geplante Anlage aufmerksam. Am Ende solle diese Anlage ein Joint Venture aus einem äthiopischen Investor und einem deutschen betreiben. „Wir haben unsere Machbarkeitsstudie inmitten des Tigray-Konflikts durchgeführt“, sagt der Gründer. „Wir hatten für unser erstes Projekt, eine Recyclinganlage, bereits einen europäischen Investor gefunden, der sich wegen des Konflikts aber leider wieder zurückgezogen hat.“
Seit sich die Lage in Äthiopien aber wieder gebessert hat, hofft Cheng, dass es mit den Planungen der Anlage nun schnell weitergehen kann. Mit einem neuen Investor aus Deutschland sei man bereits im Gespräch, sagt er. Bereits Ende 2023 könnte es mit dem Recycling vor Ort losgehen.
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