„Den Anlegern fehlt die Expertise“

Crowdinvesting klingt für einige Start-ups reizvoll, doch viele, die es versuchen, scheitern. Finanzprofessor Markus Petry erklärt, woran das liegt.

Mit einer kleinen Summe in ein Start-up investieren und so vielleicht vom nächsten Google oder Facebook profitieren: Davon träumen Nutzer von Crowdinvesting-Plattformen. 100 Millionen Euro sind bis 2019 allein in Deutschland in diese Finanzierungsform geflossen. Doch der Erfolg ist mäßig: Jedes dritte der entsprechenden Start-ups geht Pleite, wie Markus Petry von der Wiesbaden Business School in einer Studie herausfand. Im Interview spricht er über die Gründe für die hohe Ausfallquote, die Risiken für Anleger und was die Plattformen besser machen können.

Herr Petry, laut Ihrer Erhebung geht ein Drittel aller Crowdinvesting-Start-ups Pleite. Liegt das an den Firmen oder an dem Finanzierungsinstrument?

Gegen Crowdinvesting an sich ist eigentlich nichts zu sagen. Der größte Markt ist die Finanzierung von Immobilien, der sich sehr positiv entwickelt hat und erfreulich wenige Ausfälle zu verzeichnen hat, was unter anderem auch an den positiven ökonomischen Rahmenbedingungen von Immobilien liegt. Aber bei Start-ups greift das, was ich adverse Selektion nenne.

Das müssen Sie erklären.

Damit meine ich, dass die Gründer, die auf das Geld der Crowd zurückgreifen, in der Regel bei allen anderen Kapitalgebern schon abgeblitzt sind. Wenn Banken und Risikokapitalgeber sagen, dass ein Start-up nicht vielversprechend ist, dann verlassen sie sich auf ihre Expertise. Eine Expertise, die die Anleger auf Crowdinvesting-Plattformen meist nicht haben.

Aber könnten Gründer nicht bewusst auf diese basisdemokratische Form der Finanzierung setzen?

Möglich ist das, aber nicht vernünftig. Business Angels und VC-Fonds bringen ja nicht nur Geld mit, sondern auch Know-how, das den Start-ups helfen kann. Die können den Entwicklungsprozess begleiten und Kontakte herstellen. Beim Crowdinvesting fällt das alles weg.

Finanzexperte Markus Petry sieht beim Crowdinvesting Risiken für Unternehmen und Anleger. Foto: Markus Petry

Also finden Anleger und Investoren das nächste Google eher nicht auf Crowdfunding-Plattform?

Es gibt nur sehr wenige Unicorns, die auf Crowdinvesting gesetzt haben. In jüngster Zeit war das zum Beispiel Revolut, das britische Fintech. Die haben das aber als Ergänzung zu ihren Risikokapitalgebern genutzt. Meiner Meinung nach ging es dabei vor allem um Marketing, so konnte man die Kunden einbinden und die eigene Bekanntheit erhöhen.

Solche herausragenden Fälle gibt es in Deutschland nicht?

In dieser Größenordnung nicht, und das ist auch das Problem. VC-Fonds arbeiten ja nach dem Prinzip: Ich unterstütze zehn Start-ups, wenn nur eins davon außergewöhnlich gut funktioniert, gleicht es die Verluste bei den anderen aus. Theoretisch könnten auch die Anleger auf solchen Plattformen so vorgehen und in mehrere Start-ups investieren. Aber den einen Durchstarter, der neun Verlustgeschäfte ausgleicht, den finden sie gar nicht erst. Ich habe das mal durchgerechnet: Bei sämtlichen Crowdinvesting-Start-ups in Deutschland sind seit 2011 26 Millionen Euro an Investitionsgeldern ausgefallen, im Gegenzug sind nur zehn Millionen Euro wieder an die Investoren zurückgeflossen. Selbst wenn Sie also extrem diversifiziert angelegt hätten, hätten sie viel Geld verloren.

Selbst wenn Crowdinvestoren extrem diversifiziert angelegt hätten, hätten sie viel Geld verloren.

Markus Petry

Sollten Anleger sich also komplett davon fernhalten?

Sie sollten sich zumindest im Klaren darüber sein, dass Crowdinvesting extrem risikobehaftet ist. Studien haben gezeigt, dass sich die meisten Investoren der Risiken bewusst sind und diese sehenden Auges eingehen. Die meisten sind das, was wir heute salopp „alte, weiße Männer“ nennen und die über signifikante finanzielle Mittel verfügen. Für die ist das eine Art Spielgeld, die betrachten Crowdinvesting ein wenig wie ein Casino.

Müssten die Plattformen besser filtern, um die Ausfallquote zu drücken?

Die Plattformen stecken in einem Zwiespalt: Einerseits wollen sie möglichst viele Unternehmen auf ihre Seiten locken, denn sie verdienen an den Transaktionsgebühren. Andererseits können sie sich auch nicht zu viele Ausfälle leisten, denn dann bleiben die Kunden weg. Einige Ausfälle nehmen sie aber wohl in Kauf, anders lässt sich die Quote nicht erklären. Zumindest die gröbsten Fälle könnten die Anbieter aber schon durch bessere Vertragsbedingungen abfangen.

Sie meinen Betrüger?

Nicht nur. Betrug war zum Beispiel bei Unyte Yoga im Spiel, wo die Crowdplattform das Geld der Investoren bereits an das Start-up überwiesen hatte, dann aber nichts damit passierte. Veruntreuung von Geldern kann die Plattform kaum verhindern.

Was ich hier meine zeigt das Beispiel Protonet, die wollten eine Cloud für jedermann anbieten. Da wurden Assets von einer Gesellschaft in die andere verschoben, die Investoren haben in die Röhre geschaut. Laut den Plattformbedingungen war das aber legal. Wenn man hier ansetzt, könnte das die Quote vielleicht drücken.

Vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person:
Markus Petry ist Professor für Finanzdienstleistungscontrolling an der Wiesbaden Business School. Er forscht unter anderem zu Crowdinvesting, Robo-Advisor-Angeboten und digitaler Geldanlage. Zuvor war er bei der Deutschen Pfandbriefbank, der Aareal Bank und der Unternehmensberatung McKinsey beschäftigt. Er hat an der Universität Frankfurt, am College of New Jersey und der Sorbonne Betriebswirtschaftslehre studiert und in Wirtschaftswissenschaften promoviert.


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