„Teams sollten sich die kreativen Freiheiten nehmen“

Johannes von Hoyos will Menschen zum Arbeiten in eine Ferienanlage zusammenbringen. Wie soll das klappen?

Flipcharts zwischen Efeu-berankten Mauern, Schreibtische mit Blick auf die Berge positioniert, Coworking-Spaces inmitten der Natur: In der italienischen Alpenregion Piemont entsteht ein Campus, auf dem sich Menschen zum gemeinsamen Arbeiten treffen - ein so genanntes „Workation Village“. Startbase hat mit Johannes von Hoyos, Chef und Ideengeber des Unternehmens „New Work in Nature Projects“, gesprochen.

Herr von Hoyos, Sie wollen mit ihrem neuen Projekt „The Workation Village“ einen Ort zum Arbeiten erschaffen, wo andere Urlaub machen. Warum?

Sehr viele Menschen in meinem Netzwerk haben privat immer nach Möglichkeiten gesucht, um in der Natur zu arbeiten, mich selbst eingeschlossen. Corona hat das ganze verstärkt. Die Pandemie hat zwar hervorragend arbeitende Remote-Teams gebildet. Aber der persönliche Austausch fehlt, wodurch zunehmend die Firmenkultur entgleitet.

Glauben Sie, dass so ein Konzept erfolgreich sein kann?

Wir haben mit Freunden und Bekannten aus der Start-up- und Scale-up-Welt zwei Pop-ups getestet. Dabei haben wir uns größere Anwesen gemietet und ein bis zwei Wochen zusammen gearbeitet. Das erste Mal im Osten von Frankreich. Dort haben wir das französisches Landleben ausgekostet. Und das zweite Mal waren wir in Piemont in Italien. Das waren magische Wochen, in denen wir unglaublich produktiv waren.

Wie konnten Sie so produktiv sein, wenn die Verführung des Urlaubs permanent so nah ist?

Wenn man fremde Leute zusammen in die Natur bringt und für Austausch, gutes Internet und Essen sorgt, läuft die Produktivität von allein. Einige Teilnehmer haben neben der Arbeit Yoga-Sessions oder Laufgruppen in den Hügeln veranstaltet. Man sollte sich die kreativen Freiheiten nehmen. Ich würde daher nicht empfehlen, sich den ganzen Tag mit virtuellen Meetings und festen Terminen vollzuschütten. Kontakte knüpfen und sich gegenseitig inspirieren ist schließlich auch indirekt Arbeit. Ich sehe es an den Teilnehmern des Probelaufs im Juni, die nun teils zusammen Geschäfte machen, weil sie sich auf dem Campus gegenseitig bereichert haben.

Für die gemeinsame Inspiration sollen vor allem große, offene Räume, so genannte Coworking-Spaces entstehen. Diese werden in der neuen Arbeitswelt vor allem von Freiberuflerinnen und Freiberuflern oder kleineren Start-ups genutzt. Ist das auch Ihre Zielgruppe?

Bisher waren 80 bis 90 Prozent der Teilnehmer Unternehmer oder Selbständige. Grundsätzlich kann aber jeder mitmachen. Hauptziel ist es einen Ort entstehen zu lassen, wo Gemeinschaften entstehen. Wenn zum Beispiel von 100 angemeldeten Menschen acht bestehende Teams und noch 20 Freelancer zusammenkommen, durchmischen sie sich schnell automatisch und bereichern sich. Aber wir möchten auch Firmen aus der Start-up- oder Tech-Branche vernetzen. So bieten wir im Mai Themenwochen zu Cleantech oder Food-Technology an.

Was kostet die Teilnahme?

Die Preise bewegen sich pro Person je nach Saison zwischen 125 bis 145 Euro am Tag. Darin enthalten sind die Übernachtung, eine vegetarische Vollpension und die Nutzung der Coworking-Spaces. Wir geben aber Stipendien für Menschen, die das nicht aufbringen können oder für Firmen, die im Impact-Bereich arbeiten. Und wenn man länger bleibt, wird es günstiger.

Das alles zu organisieren wird sicher viel Zeit in Anspruch nehmen. Wie wollen Sie das Projekt mit Ihrer aktuellen Arbeit als Coach für Scale-up-Unternehmen vereinbaren?

Es entsteht ein super Team, unter anderem ist mein Bruder mit an Bord gekommen. Ich bin zudem auch bereit, alte Projekte hinter mir zu lassen und mich voll auf die neue Unternehmung zu konzentrieren. Ich sehe darin eine persönliche, neue Herausforderung in Kombination mit Dingen, die ich in der Vergangenheit aufgebaut habe. Ich möchte damit auch meinen eigenen Lebensstil neu erschaffen.

Haben Sie Angst, dass die Coronapandemie das Projekt wieder kaputtmachen könnte?

Ich bin nicht naiv und glaube, dass ein weiterer Lockdown möglich ist. Aber wir operieren einfach mit voller Kraft unter der Annahme, dass es stattfinden kann. Selbst wenn das Projekt nach hinten geschoben werden sollte, wird unsere Energie dafür nicht verschwinden, sondern nur eingefroren.Und ich bin auch überzeugt, dass sich solche Arbeitsmodelle in fünf bis zehn Jahren ohnehin massiv durchgesetzt haben werden.

Besteht bei Ihnen die Sorge vor Konkurrenz?

Es ist kein „The winner takes it all“-Markt. Es wird keine starken Netzwerkeffekte geben, viele Projekte können Co-existieren. Generell denke ich, dass solche Projekte ambitionierte Leute anziehen. Weil darüber gesprochen wird, wie die Arbeitswelt der Zukunft aussehen könnte und weil versucht wird eine gute Verbindung zur Natur und Gemeinschaft zu finden.

Wie finanzieren sie den Spaß?

Bis dato habe ich alles aus eigener Tasche finanziert. Aber so ein Projekt generiert relativ schnell Cashflows, man muss es also nicht jahrelang vorfinanzieren.

Bleibt es bei einem Arbeitsdorf in Italien oder kommen neue hinzu?

Europa hat zum Weinen schöne Landschaften, die oftmals brach liegen, während wir uns alle in den Städten die Füße eintreten. Es wäre schön, wenn durch unser Projekt möglichst viele solcher Dörfer entstehen. Wenn wir Landstriche wiederbeleben oder auch neue Strukturen entwickeln. Ich könnte mir zum Beispiel Tiny-House-Dörfer vorstellen. Oder auch gemischte Strukturen, wo einige zentrale Häuser wie in Piemont stehen, aber dazu noch ein paar coole Hütten oder Baumhäuser aufgebaut werden. Die Umgebung soll schon ein bisschen „fancy“ sein. Nicht luxuriös, sondern minimalistisch.

Vielen Dank für das Gespräch.

zur Person: Johannes von Hoyos ist Coach für Start-up und Scale-up Unternehmen. Bereits nach dem Abitur und während seines BWL-Studiums gründete er seine ersten Unternehmen im Food- und Retailbereich, dabei brachte er unter anderem den Frozen Yoghurt nach Deutschland. Seine Zukunft will der Münchner nun ganz seinem neuen Projekt widmen.


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