„Wir sind vom schlimmsten Fall ausgegangen“


Tamaz Georgadze expandierte mit seinem Start-up Raisin in Zeiten des Brexits bewusst auf die Nachbarinsel. Das dauerte nicht Monate, sondern Jahre. 

Der Schock saß noch tief in Europa, in Großbritannien sowieso, da entschieden sie bei Raisin die nächste Expansion. Als die Briten gerade erst beschlossen hatten, dass sie die Europäische Union verlassen werden, sich abzuschotten und die wirtschaftlichen Beziehungen zu den Mitgliedern der EU aufs Spiel zu setzen, da verfiel das Führungsteam von Raisin in Berlin in Aktionismus und traf eine folgenschwere Entscheidung: Jetzt wollen wir nach Großbritannien. 

Vier Jahre gab es das Start-up Raisin zu diesem Zeitpunkt schon, das hierzulande vor allen Dingen unter der Marke „Weltsparen“ bekannt ist. Das Fintech bringt auf seiner Plattform Banken aus ganz Europa, die Geld suchen und Zinsen bieten, mit Sparern zusammen, die gerne noch ein paar Prozentpunkte an Rendite für ihr Erspartes hätten. Bis zu 1,8 Prozent bekommen Sparer aktuell beispielsweise, wenn sie ihr Geld für zehn Jahre anlegen. Kürzere Laufzeiten bringen auch weniger Rendite. Gesichert sind die Einlagen bis zu 100.000 Euro über die europäische Einlagensicherung, wie Raisin versichert. Mehr als 27 Milliarden Euro hat das Start-up aus Berlin zwischen Banken und Sparern schon vermittelt. 2016, im Jahr der Brexit-Abstimmung waren es noch knapp zwei Milliarden Euro. Raisin selbst verdient an den vermittelten Einlagen eine Provision. 

„Der britische Markt ist neben Deutschland der wichtigste für uns.“ 

Tamaz Georgadze, Co-Gründer Raisin

Auf die Insel gelockt, so sagt es der Gründer Tamaz Georgadze heute, hat ihn, dass Großbritannien zwei Vorteile hat: „Zum einen sind die Leute dort an Vergleichsportale gewöhnt, was uns den Einstieg erleichtert. Und zum anderen ist Großbritannien ein riesiger Markt mit viel Potenzial für eine Vermittlerplattform wie unsere.“ Was er meint: Die meisten Menschen sehen Großbritannien als Sektor mit wenigen großen Banken wie Barclays, HSBC und Lloyds. Dabei gebe es aberdutzende kleinere Geldhäuser mit Einzellizenzen, Spezialbanken, die Konsumenten nur wenig kennen und Auslandsbanken mit Lizenz im Vereinigten Königreich, die sich refinanzieren müssen. „All diese Geldhäuser haben wir als potenzielle Kunden gesehen“, sagt Georgadze heute, vier Jahre später. 

Großbritannien war Neuland für Raisin. Nahezu alle Banken gaben ihre Angebote bisher in Euro aus. Im Vereinigten Königreich aber geben die Banken die Einlagen logischerweise in Pfund aus, einer Währung, die sonst in der Welt weniger wichtig ist als beispielsweise der US-Dollar. „Das erste Mal in einen geschlossenen Währungsraum zu gehen, war natürlich eine große Herausforderung“, sagt Georgadze heute. 

Das Team von Raisin. Foto: Lukas Schramm/Raisin.
Das Team von Raisin. Foto: Lukas Schramm/Raisin.

Und dann war da noch eine Sache, die niemand kalkulieren konnte: der Brexit. Was, wenn Großbritannien ohne Handelsvertrag aus der EU austritt? Was, wenn die wirtschaftlichen Beziehungen bis auf ein Mindestmaß heruntergefahren werden? Und was, wenn es grenzüberschreitende Dienstleister plötzlich schwerer haben sollten? Georgadze erinnert sich gut an die Sorgen, die sie hatten. Zu lösen war das nur mit einer Taktik, so der Gründer: „Wir sind vom schlimmsten Fall ausgegangen. So konnten wir sicher sein, dass das Projekt auch klappt, wenn Großbritannien sich komplett abschottet.“

2017 schlug Georgadze deshalb direkt zu. Raisin kaufte für einen mutmaßlich siebenstelligen Betrag den Finanzdienstleister PBF Solutions und damit ein Team von 15 Leuten in Manchester, inklusiver aller nötiger Lizenzen. Er wollte sich absichern, sollte Großbritannien die Beziehung zum Festland größtenteils einschränken oder es für Unternehmen aus Europa erschweren auf der Insel tätig zu sein. Kurz darauf folgte 2018 ein sogenannter „Slow Start“ in Großbritannien und spätestens seit 2019 ist Raisin auf Wachstumskurs.

20 Banken sind aktuell angeschlossen, ein bis zwei kommen nach Angaben des Start-ups jeden Monat dazu und Ende 2021 sollen es knapp 40 bis 50 Geldhäuser sein, die über die UK-Plattform die Einlagen der Sparer annehmen.  Wie viel Umsatz oder gar Gewinn aber Raisin dort generiert, darüber schweigt Georgadze. Nur so viel: „Der britische Markt ist neben Deutschland der wichtigste für uns und wird auch künftig noch wichtiger.“ 


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