„N26 ist für mich überbewertet“

Zu hohe Bewertungen, schlechte Stimmung an den Börsen, geplatzte IPOs: Die rosigen Zeiten sind für Start-up laut Fabian J. Fischer erst einmal vorbei. Im Interview erklärt der VC-Investor, warum Continuation Fonds nun eine Lösung sein könnten.

Fabian J. Fischer ist ein wenig im Stress. 30 Minuten hat er Zeit bis das Taxi kommt. Neben seiner Zeit als Investor über Picea Capital, einer Risikokapitalgesellschaft, die er selbst mitgegründet hat, ist er auch noch CEO der Digitalberatung Etribes. Doch wenn es einmal um realistische und unrealistische Bewertungen von Start-ups geht, um geplatzte oder verschobene Börsengänge und die aktuelle Marktstimmung, hat Fischer viel zu erzählen. Denn mindestens die nächste drei Jahre werden hart für die Start-up-Welt, sagt er. 

Herr Fischer, Sie sehen ein Missverhältnis zwischen zu hohen Start-up-Bewertungen und den Chancen auf einen guten Börsengang. Was meinen Sie damit?

Wir hatten an der Börse nun einen langen Zeitraum, in dem es mit den Tech-Werten immer nur nach oben ging. Für Investoren war das Potenzial der Unternehmen teils wichtiger als harte Kennzahlen. Diese Phase ist nun endgültig vorbei. In der zur Zeit angespannten Phase auf den Märkten sind Anleger an den Börsen zurückhaltender. Die Erwartungen, die viele VCs an Start-ups haben, lassen sich daher aktuell nicht erfüllen. 

Können Sie ein Beispiel geben?

Stand jetzt ist N26 für mich überbewertet. Im Oktober 2021 sah das noch anders aus. Da hieß es nach einer Finanzierungsrunde sogar, dass N26 mehr Wert sei als die Commerzbank. Diese Bewertung mag damals aufgrund des Zusammenspiels von Angebot und Nachfrage gepasst haben. Ich kann mir das derzeit beim besten Willen aber so nicht mehr vorstellen.

Warum halten Sie solche Bewertungen derzeit nicht für haltbar?

Wir erleben derzeit, dass Liquidität aus dem Markt herausgezogen wird. Das passiert im VC-Bereich, wo ja immer in Finanzierungsrunden gedacht wird, zwar etwas langsamer. An der Börse geht das aber schon ganz schnell. Sowohl Shareholder von Start-ups als auch mögliche neue Investoren halten sich aktuell zurück. Investoren, die gerade Anteile an sehr hoch bewerteten Firmen halten, versuchen diese weiterzuverkaufen und auch das geht aktuell nur mit erheblichen Einbußen. Um die aktuelle eingetrübte Stimmung an der Börse auszugleichen, starten nun immer mehr VCs einen Continuation Fonds.

Was hat es damit auf sich? 

Continuation Fonds kommen aus dem Private-Equity-Bereich. Wenn ein Asset in den Verkauf gehen müsste, weil die Private-Equity-Gesellschaft ihre Anleger bezahlen muss, sie aber davon ausgeht, dass ihre Beteiligung an einem Unternehmen in absehbarer noch wertvoller sein wird, dann schiebt sie dieses Asset in einen Continuation Fonds. Der übernimmt gewissermaßen die Beteiligungen an den Unternehmen aus dem alten Fonds. Daran beteiligen können sich dann Shareholder oder welche, die neu einsteigen. Das eröffnet Investoren also erneut die Chance von dem Wachstum eines Unternehmens zu profitieren. 

Sehr viel dummes Geld wird aus dem Markt verschwinden

Fabian J. Fischer, CEO von Etribes

Das klingt jetzt aber stark nach einem drohenden Schneeballsystem. 

Das kommt drauf an, wie transparent dieser ganze Prozess passiert. Wenn immer nur ein neues Vehikel gebaut, um Anteile zu halten und Anleger auszuzahlen, ohne das wirklich die Chance auf einen guten Exit besteht, dann könnte man von einem Schneeballsystem sprechen. Ich finde Continuation Fonds gut, wenn der Wert des Unternehmens dabei realistisch eingeschätzt wird und professionelle Investoren sich erneut entscheiden können, ob sie investieren wollen oder nicht. Für Privatanleger ist das natürlich nichts.

Droht nicht die Gefahr, dass Continuation Fonds nur zur Resterampe für Start-ups werden?

Continuation Fonds müssen ganz klar für Gewinner gemacht werden. Start-ups werden dabei ja auch erneut eingeschätzt. Junge Unternehmen, die eine hohe Burn Rate haben, nur geringe Wachstumsaussichten und kein realistisches Szenario für einen Börsengang, werden es schwer haben, in einen Continuation Fonds zu kommen. Solche Fonds sollten der Auslese dienen und nicht, um lebensverlängernde Maßnahmen an Start-ups durchzuführen.   

Sie gaben vorhin an, dass N26 derzeit an der Börse wohl keine so hohe Bewertungen bekommen würde, wie viele VCs es im vergangenen Jahr noch eingeschätzt hatten. Würde das Start-up in einem Continuation Fonds landen? 

Ich glaube bei N26 müssen sich alle darauf einstellen, dass es zu Bewertungskorrekturen kommt. Mit diesen Korrekturen kann es auf jeden Fall in einem Continuation Fonds landen. Wenn ich jetzt Fondsinvestor wäre, würde ich mich daran nur beteiligen, wenn es zu einer fairen Bewertungsrunde kommt. 

Wie werden sich Ihrer Meinung nach die finanziellen Möglichkeiten für Start-ups angesichts der aktuellen Lage entwickeln?

Wir werden eine ganze Reihe von Continuation Fonds beobachten können, damit VCs wie Start-ups diese Phase überdauern können. Das wird jetzt wohl mindestens drei Jahre anhalten. Gründer sind gut beraten, so viel Liquidität wie möglich zusammenzuhalten und Kosten zu senken. Sie können aktuell nicht auf große Finanzierungsrunden oder Börsengänge hoffen. Sehr viel dummes Geld wird aus dem Markt verschwinden, da harte Kennzahlen wieder wichtiger werden. Das hat auch was Gutes: Die Auslese, die dadurch stattfindet, wird zu mehr Qualität führen. 

Zur Person: Fabian J. Fischer ist ein Hamburger Unternehmer und Investor. Als CEO der Digitalberatung Etribes verantwortet er die strategische Weiterentwicklung des Unternehmens, das mittelständische Firmen und Dax-Konzerne bei den Herausforderungen der Digitalisierung begleitet. Fischer ist darüber hinaus Co-Gründer von Picea Capital, einer Risikokapitalgesellschaft, die mittels eines Evergreen-VC-Funds in Early-Stage-Technologieunternehmen investiert.


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