„Software-Entwicklung ist starr und langsam“

Christoph und Ralf Dyllick-Brenzinger sind nicht nur Brüder, sondern haben auch gemeinsam gegründet. Im Interview erzählt Christoph, wie sie das Programmieren für Mitarbeiter vereinfachen wollen. 

In den meisten Fällen braucht es eigene IT-Abteilung, viel Zeit und ein großes Budget, um eine Software-Lösung im eigenen Unternehmen zu entwickeln. Die Gründer von Seatable wollen das ändern und stellen ihren Kunden einen „Lego-Baukasten“ zur Verfügung. Mit ihm sollen Mitarbeiter oder auch Selbstständige ohne Programmierkenntnisse selbstständig Lösungen entwickeln können.

Herr Dyllick-Brenzinger, Sie wollen mit Seatable das Programmieren vereinfachen, wie funktioniert das?

Seatable ist eine Lösung für jeden weltweit, egal ob es ein einköpfiges Team ist oder ein großer Dax-Konzern. Je nachdem, wen wir vor uns haben, steigen wir auch anders ins Thema ein. Bei einem durchschnittlichen Privatkunden, der schon mal mit Excel gearbeitet hat, dem können wir gut erklären, dass Seatable wie Excel funktioniert. Es gibt am Anfang klassisch die Zeilen und Spalten, aber mit deutlich mehr Funktionen. Man kann es im Web bearbeiten, mit mehreren Leuten gleichzeitig, man kann Dokumente, Bilder, URLS einfügen und noch vieles mehr. Eigentlich sehen wir Seatable als No-Code-Low-Code Lösung, also als einen Baukasten, mit dem sich Leute selbst IT-Abläufe zusammenstellen und programmieren können. Denn Software-Entwicklung ist bisher starr und langsam.

Wie kamen Sie auf die Idee?

Mein Bruder Ralf und ich hatten die Idee zu Seatable nicht selbst. Die kam ursprünglich von der chinesischen Firma Seafile. Das Unternehmen wollte uns mit an Bord haben, da wir exclusive Vertriebspartner für die Software Seafile weltweit, ausgenommen von China, sind. Dadurch kennen wir die chinesischen Entwickler bereits seit Jahren und da die Zusammenarbeit von Anfang an gut lief haben wir uns dazu entschieden, ein Joint-Venture zu gründen. Mittlerweile ist die SeaTable GmbH zu 50% in deutschen und 50% in chinesischen Händen.

Wie kamen Sie dazu als Brüder zusammen zu gründen?

Wir haben eine ähnliche Historie. Gestartet haben wir beide mit einem Wirtschaftsstudium, er in Betriebswirtschaftslehre und ich in Volkswirtschaftslehre. Danach sind wir beide als Unternehmensberater tätig gewesen. Er im Bereich Finance, vor allem im arabischen Raum und ich war als IT-Consultant unterwegs und habe europaweit SAP-Projekte begleitet. Wir kommen aus einem Unternehmerhaushalt, unser Vater hat eine Baufirma in vierter Generation. Daher haben wir beide schon immer mit dem Thema Selbstständigkeit geliebäugelt. 2014 haben wir dann unsere erste gemeinsame Firma gegründet. Wir arbeiten gerne und gut zusammen. Bei uns herrscht auch eine klare Aufgabenteilung. Wir diskutieren alles bis ins kleinste Detail, aber bei der Technik habe ich das letzte Wort und bei Fragen zur Strategie und den Zahlen mein Bruder.

Sie beschreiben Seatable als „das Excel der Zukunft“, warum?

Die meisten unserer Anwender brauchen erstmal ein paar Tage und Wochen, um über das Level hinauszukommen, in dem sie wie bei Excel nur Zahlen oder Formeln eintragen. Erst danach eröffnet sich die riesige Welt von Seatable. Es geht bei jedem Prozess erst einmal darum, Informationen zu sammeln, zusammen zu führen und dann damit zu arbeiten. Erst im zweiten Schritt geht es um die Themen Visualisierung und Automatisierung. Die Herausforderung ist, die Leute schnell abzuholen und es leicht verständlich zu erklären, dabei hilft uns die Nähe zu Excel.

Produktbild Seatable

Mit welchen Schwierigkeiten hatten Sie bisher zu kämpfen?

Es gibt drei Herausforderungen, die immer wieder bei uns auftreten. Das ist erstens das Thema, gute Mitarbeiter zu finden. Für uns sollten sie sowohl über das benötigte IT-Wissen verfügen als auch kommunikativ sein. Bei uns gibt es nicht die klassische Aufteilung in Vertrieb, IT etc. sondern im besten Fall betreut ein Mitarbeiter einen oder mehrere Kunden, der dann den kompletten Prozess im Unternehmen begleitet. Die zweite ist das Thema Reichweite. Gerade bei schwer umkämpften Begriffen wie Projektmanagement oder HR-Themen ist es nicht einfach Reichweite zu erreichen. Die dritte ist der kulturelle Unterschied zwischen China und Deutschland. Die Chinesen sind sehr auf Innovationsgeschwindigkeit und neue Features bedacht, während wir als Europäer lieber auf Nummer sicher gehen und etwas erst veröffentlichen, wenn es zu 100 Prozent sicher ist. Diese kulturellen Widersprüche sind nicht immer ganz einfach zu managen aber im Großen und Ganzen überwiegen definitiv die Vorteile.

Was würden Sie heute anders machen?

Was mir geholfen hätte, wäre, wenn mir jemand vor acht Jahren, als wir das erste Mal gegründet haben, gesagt hätte „glaube nicht immer, dass die anderen schlauer sind als du und dass du die Sachen teilweise nicht selber hinkriegst“. Wir haben oft Aufgaben an externe Dienstleister übergeben, ohne uns darüber Gedanken zu machen, was wir erwarten und haben wollen. Zum Beispiel das Thema Suchmaschinenoptimierung hatten wir an eine Agentur übergeben, weil wir keine Ahnung davon hatten und haben im Nachhinein so viel Quatsch zu hören bekommen, weil wir dachten, dass sie es können. Mittlerweile beschäftige ich mich vorher mit dem Thema, versuche es selbst und delegiere die Aufgaben erst, wenn ich selbst verstanden habe, wie der Hase läuft, sodass ich die Ergebnisse nachvollziehen kann.

Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

Mein persönliches Ziel ist es, dass wir als valide Lösung auf dem europäischen Markt, auch in Bezug auf Datenschutz und Datenhoheit angesehen werden. Wir wollen als aktiver Player wahrgenommen werden.

Welchen Ratschlag geben Sie anderen Gründern mit auf den Weg?

Vertraue auf deine eigenen Fähigkeiten und dein Bauchgefühl und lasse dich nicht von Widerständen unterkriegen. Heute geht es vielen nur um die Höhe der Finanzierungsrunden und die Außenwirkung und das ist bei uns ganz anders. Wir sind von Anfang an komplett eigenfinanziert. Meine Arbeit macht dann Spaß, wenn ich das Gefühl habe, etwas zu bewegen und dass ich jeden Tag etwas lerne.

Vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person: 

Christoph Dyllick-Brenzinger ist einer der Gründer und Chief Product Officer von Seatable. Nach mehreren Jahren als Unternehmensberater im SAP-Umfeld für europäische Großkonzerne, gründete er 2014 zusammen mit seinem Bruder die erste gemeinsame Firma Datamate.


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