„Wir brauchen eine PSD2-Richtlinie für Versicherungen”

Anna-Carina Häusler, Geschäftsführerin von Apinity, spricht über die Übernahme durch Munich Re und die Frage, warum sich die Versicherungsbranche mit der Digitalisierung schwer tut.

Die Idee klingt simpel: Ein Marktplatz, auf dem sich Versicherungen Programmierschnittstellen einkaufen können, um die längst überfällige Digitalisierung ihrer Branche voranzutreiben. Trotzdem ist Apinity mit seinem Angebot, sieht sich als Starthilfe für die Modernisierung. Nun übernimmt die Munich Re, Deutschlands größter Rückversicherer, das Start-up, das vorher mehrheitlich der Allianz gehörte. Geschäftsführerin Anna-Carina Häusler erklärt im Interview, warum es zu dem Deal kommen musste, warum Versicherer externe Hilfe brauchen und wohin es mit ihrem Unternehmen noch gehen soll.

Frau Häusler, Sie haben gerade den Wechsel Apinitys von der Allianz hin zu Munich Re verhandelt, am Dienstag war das offizielle Closing. Wie anstrengend ist es, als Start-up-Gründer mit diesen beiden Versicherungsgiganten zu verhandeln?

Die letzten zwei Wochen waren schon heftig, da habe ich mir teilweise gewünscht, dass der Tag 48 Stunden hätte. Aber jetzt ist es geschafft und wir freuen uns natürlich.

Sie sind ja aus dem Allianz-Inkubator Syncier hervorgegangen, hatten also eigentlich einen großen strategischen Investor an Bord. Warum sind Sie nun Teil der Munich Re? 

Das war ein Entschluss, der sich aus unseren Kundengesprächen ergeben hat. Wir betreiben ja einen Marktplatz, über den Anbieter ihre Programmierschnittstellen (APIs) an Versicherer verkaufen können. Mit dem Konzept hatten wir viele gute Pitches bei Versicherungen, aber irgendwann haben die meist gesagt: „Ist ja toll, aber Ihr seid leider bei der Allianz.“ Zwar hat die Allianz bei uns nie viel reingeredet, aber die anderen Erstversicherer hatten eben Hemmungen. Hemmungen, die sie bei einem Rückversicherer wie Munich Re nicht hätten. Deswegen haben wir uns darum bemüht, unseren eigenen Weg gehen zu können.

Die Allianz hätte uns auch einfach einstampfen können.

Anna-Carina Häusler

Und die Allianz hat das mitgemacht? Immerhin verliert so ein Start-up aus dem eigenen Ökosystem, und dann noch an eine andere Versicherung.

Wir haben ganz transparent geteilt, was wir in den Pitches gehört haben und erklärt, warum das langfristig für die Allianz auch nicht lukrativ ist. Ich war positiv überrascht, wie schnell wir da auf offene Ohren stießen. Natürlich war das nicht in einem Gespräch erledigt. Aber dass sie am Ende zugestimmt haben, zeigt uns, dass die Allianz den Wert  in unserem Ansatz gesehen hat. Die Allianz  hätte uns ja auch einfach einstampfen können.

Ihr Ansatz ist, Unternehmen die Produkte externer Dienstleister zu vermitteln und die gesamte Abwicklung zu übernehmen, inklusive Vertrag mit dem Anbieter und technischer Integration. Gerade letzteres dürfte doch bei einer eher behäbigen Branche wie der Versicherungswelt schwer sein, oder?

Versicherer sind in der Regel noch nicht so digital. Was faszinierend ist, denn eigentlich sind sie ja auf Technologie angewiesen, etwa bei der Datenanalyse. Aber es verschiebt sich was. Die Unternehmen investieren mehr. Mittlerweile sind sie auch eher bereit, sich Produkte extern einzukaufen, anstatt alles selbst zu entwickeln. Das sind natürlich Trends, die uns in die Karten spielen.

Darf denn einfach jeder ambitionierte Entwickler bei ihnen eine API hochladen, so wie im App Store?

Nein, wir achten schon sehr darauf, dass unsere Anbieter eine gewisse Reife erreichen. Das ist ein bisschen Fluch und Segen, wenn man aus einer großen Firma hervorgeht. Wir haben nämlich die Due-Diligence-Prozesse der Allianz übernommen. Die sind natürlich etwas langwieriger. Dafür kennen wir die Anwender danach auch in- und auswendig.

Wir haben die Due Diligence der Allianz übernommen, das ist Fluch und Segen.

Anna-Carina Häusler

Wer tummelt sich da so?

Bisher sind das vor allem Insurtechs, etwa IDNow, die bei uns im Marktplatz sind. Deren Identitätscheck ist für jede Versicherung nützlich, denn irgendwann müssen sie bei jedem Kunden checken, ob der Ausweis echt ist. Egal, auf welchem Kanal die Versicherung verkauft wird. Langfristig würden wir auch gerne traditionellere Softwareanbieter auf unseren Marktplatz locken. Mein Wunsch wäre, dass wir irgendwann der Ort sind, an dem Versicherer alle ihre Services zukaufen, egal für welchen Prozessschritt.

Was würde dabei helfen, diesen Wunsch zeitnah Realität werden zu lassen?

Was für uns natürlich ein riesiger Boost wäre, wäre eine Art PSD2-Richtlinie…

… Die Richtlinie, die Banken in der EU unter anderem verpflichtet, ihre Kundendaten mit Drittanbietern zu teilen…

…genau, eine solche Richtlinie für die Versicherungswelt würde mit einem Mal die Möglichkeit für viele neue APIs schaffen. Aber ich würde Versicherern – natürlich nicht ganz uneigennützig – raten, sich heute trotzdem schon nach externer Hilfe umzusehen. Es gibt viele tolle Produkte, die sofort einsatzfähig sind. Es ist in jedem Fall besser, als sie selbst zu entwickeln. Das mag zwar auf den ersten Blick nach Kostenersparnis aussehen, aber in aller Regel ist das eine Milchmädchenrechnung.

Ihr Geschäftsmodell ist eigentlich nicht versicherungsspezifisch, so ein API-Marktplatz müsste auch in anderen Branchen funktionieren. Wären andere Branchen nicht auch lukrativ?

Natürlich wäre das attraktiv. Ich glaube, dass sich ein Tech-Produkt nur weiterentwickeln kann, wenn es in immer neue Sektoren vorstößt. Aktuell haben wir im Versicherungsbereich noch genug vor. 

Vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person: Anna-Carina Häusler ist Geschäftsführerin von Apinity. Zuvor war sie bei Syncier (Allianz) Direktor für den Marketplace-Bereich, aus dem das Unternehmen im September 2022 entstand. Vor ihrer Zeit dort hatte sie beim untergegangenen Zahlungsdienstleister Wirecard bereits einen API-Marktplatz aufgebaut, dort für Banken. Danach arbeitete sie einige Zeit für die Digitalberatung Adex Partners. Häusler hat Business Management and Sales an der Hochschule Heilbronn studiert. 


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